Wie nachhaltig ist vegane Mode?

Wie nachhaltig ist vegane Mode?

Viele Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen sich Textilien ohne Tierleid. Aber längst nicht alle vegane Mode ist wirklich nachhaltig und rundherum tierfreundlich. Neben Bio-Baumwolle punkten zertifizierte Zellulosefasern wie Lyocell und Modal mit einer guten Öko-Bilanz. Für die Verarbeitung von heimischen Naturfasern fehlt hierzulande allerdings die Infrastruktur.

Vegane Mode dominiert den Markt. Der Anteil von Fasern nicht tierischen Ursprungs liegt laut dem Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN) auf dem Weltmarkt derzeit bei über 90 Prozent. Dazu gehören Baumwolle, Leinen, Hanf oder Nessel, aber auch Synthetikfasern. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass unsere Kleidungsstücke komplett vegan sind: "Das Etikett an der Jeans ist vielleicht aus Leder, die Knöpfe an der Bluse aus Horn", so der IVN.

Gesetzliche Definitionen oder Siegel, die garantieren, dass ein Produkt über den Rohstoff hinaus wirklich vegan sei, gäbe es nicht. Außerdem könnten auch nicht-tierische Fasern die Tierwelt bedrohen. Beispielsweise verschmutzt das Rohöl für Polyester und Co. bei der Förderung und Transport die Gewässer. Und beim konventionellen Anbau von Baumwolle wirkt sich der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln negativ auf die Biodiversität aus.

Welche Pflanzenfasern gibt es?

Bei Pflanzenfasern handelt es sich um abgestorbene Zellen. Diese lassen sich aus allen Pflanzenteilen gewinnen – von der Wurzel bis zur Frucht. Der Hauptbestandteil von Pflanzenfasern ist Zellulose.

Pflanzenfaser Nummer eins ist und bleibt die Baumwolle. Die langen und weichen Baumwollfasern (Samenfasern) eignen sich perfekt zur Garnherstellung. Dagegen liefern unsere heimischen Faserpflanzen wie Hanf, Leinen und Brennnesseln härtere Bastfasern. Um diese weiterverarbeiten zu können, muss die Textilindustrie mehr Energie und Chemie einsetzen als bei Baumwollfasern. 

Selbst wenn wir eine Infrastruktur für die heimischen Fasern aufbauen, bleiben Hanfjeans und Brennnesselhemden ein teures Nischenprodukt.“ Kai Nebel, Fakultät Textil der Hochschule Reutlingen

Heimische Textilien aus Leinen, Hanf und Brennnesseln

Laut dem Deutschen Naturfaserverband sind für unsere Bekleidung vor allem Flachsfasern vielversprechend. Das daraus hergestellte Gewebe kennen wir alle als Leinen. Leinenhemden und -hosen bieten im Sommer höchsten Tragekomfort. Regional erzeugte Fasern aus Hanf, Flachs oder auch Brennnesseln lassen sich mit technischen Verfahren, wie dem Dampfdruck-Aufschluss (DDA), zu hochwertigen Stoffen weiterarbeiten.

Das Problem dabei: es gibt in Deutschland keine Unternehmen dafür. "Wir haben hundert Mal probiert, regionale Wertschöpfungsketten für heimische Fasern aufzubauen, aber es hat hundert Mal nicht funktioniert", bedauert Kai Nebel, Nachhaltigkeitsbeauftragter im Texoversum der Hochschule Reutlingen. So landeten die hier nachhaltig erzeugten Fasern dann doch wieder zur Verarbeitung in China. Die beliebten Leinenklamotten seien aufgrund ihrer Herstellung im fernen Ausland daher nicht wirklich umweltfreundlich.

Was sind Lyocell und Modal?

In Europa geht der Trend in der nachhaltigen Modebranche zu industriell hergestellten Zellulosefasern. Dazu gehören die bewährte Viskose sowie die modernen Fasern Lyocell und Modal. Alle drei sind Kunstfasern, da der natürliche Rohstoff Zellulose aufwändig weiterverarbeitet wird.

Die Zellulose stammt von vielfältigen Gehölzen: bei uns von Buchen oder anderen heimischen Baumarten. In Asien oder Südamerika liefert vor allem Eukalyptus den Rohstoff für die Pflanzenfasern. Wirklich naturfreundlich ist die Produktion nur, wenn die Faserhersteller Zellulose aus zertifizierten Wäldern – FSC und PEFC – verwenden

Vegane Fasern umweltfreundlich herstellen

Der Zellstoff wird mit Lösungsmitteln aufgelöst und danach zu Garn ausgesponnen. Dafür werden in China und anderen asiatischen Ländern teilweise problematische Lösungsmittel wie Natriumhydroxid und Schwefelsäure eingesetzt.

Dagegen verwenden einige europäische Faserhersteller organische Lösungsmittel, die sie zudem im Kreislauf führen. So kann nichts ins Abwasser fließen. Das Recycling dieser Chemikalien zeichnet die Europäische Union mit dem EU-Ecolabel aus. "Das Label findet sich teilweise auf den Swing Tickets der Textilien, bezieht sich dann aber nur auf unsere Fasern", erläutert Julia Böckl, Communications Manager bei der Lenzing AG in Österreich, einem der großen europäischen Hersteller von Zellulosefasern. Über den weiteren Weg von der Faser zum fertigen Textil sagt das Label jedoch nichts aus. Achtung: Lyocell und Modal der Lenzig AG laufen auch unter dem Namen Tencel TM.

Lyocell und Modal haben eine gute Ökobilanz

"Stoffe aus Zellulose herzustellen, benötigt weniger Landfläche, chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und Wasser als Baumwollstoffe zu produzieren", bilanziert Diplom-Ingenieur Kai Nebel. Außerdem fallen Zelluloserohstoffe in großen Mengen an und lassen sich leicht lagern.

Anders als Hanf oder Baumwolle müssten die Holzfasern nicht jedes Jahr angebaut und geerntet werden. Des Weiteren können Zellulosefasern – im Gegensatz zu den naturgegebenen Eigenschaften der Baumwolle – bei der Produktion vielfältige Eigenschaften verliehen werden. Je nach Einsatzgebiet lassen sich Länge, Form und Feinheit der Fasern einstellen. Lyocellfasern sind fest, saugfähig und atmungsaktiv. Sie eignen sich für Sportbekleidung, Heimtextilien und sogar für Hygieneartikel. Die weichen Modalfasen sind ideal für Unterwäsche. Viskosetextilien gibt es schon lange. Ihre Herstellung braucht jedoch viele Chemikalien.

Die gute Nachricht: Alle drei sind genau wie Naturfasern biologisch abbaubar. Es landet also weder beim Waschen noch als Abfall Mikroplastik in der Umwelt.

Text: Jutta Schneider-Rapp

Vegane Mode kaufen – wie gehe ich vor?

  • Weniger ist mehr: Brauche ich das Kleidungsstück wirklich und wenn ja, für welchen Zweck?
  • Fair-Fashion-Läden und Label bevorzugen.
  • Bei Baumwolle unbedingt Bio-Baumwolle kaufen, falls nicht im Angebot, bei Handel und Herstellern nachfragen.
  • Klamotten aus Lyocell und Modal haben meistens eine bessere Öko-Bilanz als konventionelle Baumwolle, je höher ihr Anteil in den Stoffen, umso besser.
  • Heimische Textilhersteller unterstützen: Naturfasern aus Deutschland haben nur eine Zukunft, wenn wir sie hier auch verarbeiten.

Letzte Aktualisierung 24.10.2024

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