Vorsorgemaßnahmen

Vorsorgemaßnahmen nach EU-Öko-Verordnung

Die EU-Öko-Verordnung (EU) 2018/848 verpflichtet Unternehmen, Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um unzulässige Erzeugnisse oder unzulässige Stoffe im Rahmen der Bio-Produktion bzw. Bio-Vermarktung zu vermeiden. Welche spezifischen Punkte sind im Vorsorgekonzeptzu beachten? Was sind Bio-Kritische Kontrollpunkte? Und wie lässt sich das in der Praxis umsetzen?

Was ist ein Vorsorgekonzept?

Seit dem 1. Januar 2022 muss ein Unternehmen, das Bio-Lebensmittel verarbeitet, ein sogenanntes Vorsorgekonzept erarbeiten. Hierbei soll sich der Unternehmer oder die Unternehmerin die einzelnen Ablaufschritte in seinem beziehungsweise ihrem Unternehmen bewusstmachen, einschätzen welche Risiken für die Bio-Integrität der Produkte auftreten können und entsprechende Vorsorgemaßnahmen ergreifen, damit es nicht zu einer Verunreinigung, Vermischung oder Vertauschung von Bio-Produkten mit konventionellen Produkten oder unzulässigen Stoffen kommt.

Das Vorsorgekonzept beinhaltet eine strukturierte, systematische Darstellung und eine nachvollziehbare Dokumentation der Vorsorgemaßnahmen. Man spricht von den "Bio Kritischen Kontrollpunkten (BKKP)". Alternativ werden die Begriffe "Organic Control Points" (OCP) oder "Bio Kontroll Punkte" (BKP) verwendet.

Rechtliche Grundlage

In der EU-Öko-Verordnung 2018/848 ist im Artikel 3 Absatz 5 klar definiert, was eine Vor-sorgemaßnahme ist:

"Vorsorgemaßnahmen: die von den Unternehmern auf jeder Stufe der Erzeugung, der Aufbereitung und des Vertriebs zu ergreifenden Maßnahmen, um eine Kontamination durch Erzeugnisse oder Stoffe, die nicht für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion gemäß dieser Verordnung zugelassen sind, sowie eine Vermischung ökologischer/biologischer Erzeugnisse mit nichtökologischen/nichtbiologischen Erzeugnissen zu vermeiden"

In Artikel 28 (1) wird klar erläutert, was von den Unternehmen erwartet wird. Grundsätzlich bezieht sich dieser Artikel auf alle Unternehmen in der Warenkette.

Artikel 28 Vorsorgemaßnahmen zur Vermeidung des Vorhandenseins nicht zugelassener Erzeugnisse und Stoffe

(1) Um eine Kontamination durch Erzeugnisse oder Stoffe, die nicht für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion gemäß Artikel 9 Absatz 3 Unterabsatz 1 zugelassen sind, zu vermeiden, ergreifen die Unternehmer auf jeder Stufe der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs folgende Vorsorgemaßnahmen:

a) Sie ergreifen verhältnismäßige und angemessene Maßnahmen, mit denen Risiken der Kontamination der ökologischen/ biologischen Produktion und von ökologischen/biologischen Erzeugnissen durch nicht zugelassene Erzeugnisse oder Stoffe ermittelt werden, wobei auch systematisch kritische Punkte bei den Verfahrensschritten identifiziert werden, und erhalten diese aufrecht;

b) sie ergreifen Maßnahmen, die verhältnismäßig und angemessen sind, um Risiken der Kontamination der ökologischen/ biologischen Produktion und von ökologischen/biologischen Erzeugnissen durch nicht zugelassene Erzeugnisse oder Stoffe zu vermeiden, und erhalten diese aufrecht;

c) sie überprüfen regelmäßig diese Maßnahmen und passen sie an; und

d) sie erfüllen andere relevante Anforderungen dieser Verordnung, mit denen die Trennung der ökologischen/biologischen Erzeugnisse, der Umstellungserzeugnisse und nichtökologi-schen/nichtbiologischen Erzeugnisse gewährleistet wird.

Wie erstelle ich ein Vorsorgekonzept?

Ein Vorsorgekonzept kann nach folgendem Schema erstellt werden:

  1. Auflistung aller Abläufe und Prozesse von der Warenbeschaffung über die Lagerung, Produktion und Kennzeichnung bis hin zum Verkauf der Waren.
  2. Prüfung ob an den einzelnen Punkten ein Risiko für die Bio-Integrität der Waren besteht.
  3. Wenn ja, dann muss bewertet werden, wie hoch das Risiko ist (Eintrittswahrscheinlichkeit, Erkennungsmöglichkeit, Auswirkung). Wenn an einem Punkt ein Risiko identifiziert wird, dann liegt ein Bio Kritischer Kontrollpunkt (BKKP) vor und es müssen angemessene Maßnahmen zur Risikominimierung definiert und ergriffen werden.
  4. Festlegung von Maßnahmen zur Beherrschung der Bio Kritischen Kontrollpunkten (BKKP)
  5. Dokumentation der Maßnahmen
  6. Regelmäßige Prüfung auf Aktualität

Beispiele für Abläufe, BKKPs und Maßnahmen

Konkrete Beispiele für Maßnahmen im Bereich der Pflanzenproduktion

Ganz am Beginn des Produktionsprozesses steht in der Regel der Einsatz von sogenanntem Pflanzenvermehrungsmaterial. Damit ist sowohl Saat- als auch Pflanzgut gemeint. Grundsätzlich kommt hierbei ökologisches Material zum Einsatz, das oft sogar vom eigenen Betrieb stammt. Wird allerdings Ware zugekauft und handelt es sich dabei um genehmigtes nicht-biologisches Material, besteht hier immer ein gewisses Risiko, nicht erlaubte gebeizte Erzeugnisse zu erhalten. Dies wäre als Risikopunkt festzuhalten. Als Vorsorgemaßnahme müsste sowohl die Prüfung der Deklaration beziehungsweise des Etiketts (eine Vorbehandlung muss entsprechend gekennzeichnet sein) als auch die Sichtprüfung der Ware direkt erfolgen. Werden dabei Auffälligkeiten festgestellt, dann wäre die Ware mit einem Nachweis wieder an das Lieferunternehmen zurückzugeben.

Ein weiterer Risikobereich ist die überbetriebliche Nutzung von Pflege- und Erntetechnik. Hier kann es zum Beispiel durch den Einsatz einer Pflanzenschutzspritze, die nach einer Applikation konventioneller Pflanzenschutzmittel nicht ordnungsgemäß gereinigt wurde, zu Verschleppungen in den Bio-Betrieb kommen. Ebenso im Bereich der Aussaat, wenn zunächst mit einer Drillmaschine gebeiztes Saatgut ausgebracht wurde und diese als nächstes in einem Bio-Betrieb zum Einsatz kommen soll. Die Ernte wird oft von Lohnunternehmen durchgeführt, die von Feld zu Feld fahren und bei denen über die verschiedenen technischen Einrichtungen grundsätzlich ein Risiko besteht, unerwünschte Erzeugnisse wie zum Beispiel gentechnisch veränderte Pflanzen, zu verschleppen. In all diesen Bereichen können entsprechende Reinigungsmaßnahmen, eine Sichtkontrolle mit entsprechender Dokumentation oder Festlegungen in einer gemeinsamen Vereinbarung weiterhelfen und damit das Risiko minimieren.

Mittlerweile sind mehrere Arbeitshilfen entwickelt worden, die in der alltäglichen Praxis helfen, das Konzept der "Bio-kritischen Kontrollpunkte" sinnvoll in den Betriebsablauf zu integrieren und den zeitlichen Aufwand dafür in einem überschaubaren Rahmen zu halten. Die unten angegeben Links führen direkt zu einigen dieser sehr hilfreichen Dokumente.

Tipps zur Umsetzung eines Vorsorgekonzeptes

  • Bewertung der Risiken
    Es handelt sich immer um individuelle auf die Situation des produzierenden Unternehmens angepasste Konzepte. Nicht in allen Unternehmen liegen die gleichen BKKP vor, und auch die Maßnahmen, die ergriffen werden, können sehr unterschiedlich ausfallen.
    Wenn ein Unternehmen ausschließlich Bio-Produkte handelt, dann muss es sich um die Vermischung mit konventionellen Produkten keine Gedanken machen, hat also diesbezüglich kein Risiko.

  • Angemessenheit der Maßnahmen
    Wenn das Unternehmen Risiken identifiziert und bewertet hat, muss es Maßnahmen festlegen, um der Beherrschung der Risiken gerecht zu werden.
    Wie diese Maßnahmen aussehen, obliegt dem Unternehmen. Wichtig ist, dass diese Maßnahmen derart gestaltet sind, dass sie in den Unternehmensalltag integriert werden können und daher konsequent umgesetzt werden.

  • Prüfung auf Aktualität
    Das einmal erstellte Konzept ist nicht in Stein gemeißelt. Vielmehr sollte es regelmäßig auf seine Aktualität hin geprüft werden. Sind die Abläufe und das Sortiment noch wie beschrieben? Sind die festgelegten Risiken noch aktuell? Sind neue Risiken dazu gekommen oder vielleicht Risiken weggefallen? Müssen Risiken jetzt anders bewertet werden?


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Letzte Aktualisierung 26.11.2024

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