Das bedeutet, in 4 von 5 analysierten Bio-Lebensmitteln können bei Anwendung empfindlichster Messmethoden Pestizide nachgewiesen und bestimmt werde, sie sind also "vorhanden". Wenn aber in 4 von 5 Bio-Proben Pestizide "vorhanden" sind, kann dies nicht als ein Kriterium herangezogen werden, um darüber die Einhaltung der Anforderungen für den Ökolandbau zu definieren, geschweige denn zu überprüfen.
Kann man also sagen, dass in jeder beliebigen Lebensmittelprobe immer Pestizide vorhanden sind, man muss nur empfindlich genug messen?
Dr. Günther Lach: Ja, genau so ist es. Wobei ich nochmals ausdrücklich betonen möchte, dass diese Ergebnisse nur mit einem enormen technischen und qualitätssicherndem Aufwand möglich waren, weit ab von einer Routineanwendung und somit auch weit entfernt davon, dies im Alltag anzuwenden oder gar zu bezahlen.
Wenn also der Begriff "Vorhandensein" nicht geeignet ist, welchen Ansatz schlagen Sie dann vor, um einen möglichen Verdacht auf den Einsatz unerlaubter Stoffe zu begründen?
Dr. Günther Lach: Die Formulierung eines Verdachts muss auf einer rechtlich eindeutigen Grundlage aufbauen. Wie schon ausgeführt, ist der Begriff Vorhandensein ohne weitere Definition dafür nicht geeignet. Wenn wir uns aber anschauen, wie das Vorhandensein im Zusammenhang mit konventionell erzeugten Lebensmitteln definiert ist, kommt der sogenannte "Sternchen-Höchstgehalt" (*HG) ins Spiel. Der *HG definiert die europarechtlich harmonisierte untere analytische Berichtsgrenze – auch Quantifizierungsgrenze genannt – für Pestizidanalysen. Alles, was unterhalb dieser offiziellen, amtlichen Berichtsgrenze liegt, wird als nicht vorhanden bewertet. Diese Prinzip ist auch auf biologisch erzeugte Lebensmittel anzuwenden, da jedes Lebensmittel, egal wie es angebaut bzw. hergestellt wurde, diese Höchstgehalte einhalten muss. Also auch die Bio-Lebensmittel.
Können Sie das Prinzip der Anwendung der *HG etwas genauer erläutern?
Dr. Günther Lach: Die Erzeugnis/Wirkstoff-Kombinationen der Europäischen Pestizid-Rückstandsverordnung Nr. (EG) 396/2005, bei denen der Rückstandshöchstgehalt zugleich die Berichts- oder Quantifizierungsgrenze ist, werden in der Verordnung mit einem Sternchen markiert und deshalb auch *HG genannt. Diese *HG – wie auch die anderen Höchstgehalte der Verordnung 396/2005 insgesamt – sind auch für biologische Erzeugnisse stets anzuwenden und einzuhalten. Wenn für eine bestimmte Erzeugnis/Wirkstoff-Kombination kein *HG definiert ist, wird auf einen passenden *HG innerhalb der Produktgruppe ausgewichen.
Werte, die unter dem *HG liegen, gelten als nicht valide, da sie gleichzeitig unterhalb der offiziellen analytischen Berichtsgrenze (Quantifizierungsgrenze) liegen. Weder bei konventionell noch bei biologisch erzeugten Lebens- oder Futtermitteln können hierdurch statistisch rechtssicher amtliche Verfahren ausgelöst werden.
Werte, die statistisch gesichert oberhalb des *HG liegen, weisen auf ein nicht-verkehrsfähiges Erzeugnis hin.
Wird dieser oder ein ähnlicher Ansatz auch schon bei Behörden diskutiert?
Dr. Günther Lach: Ja durchaus. In einem Schreiben der EU General-Direktion für die Bio-Landwirtschaft, DG AGRI Direktorat B.4 Organics, vom 29. Januar 2024 wird dieser Ansatz im Zusammenhang mit einer Anfrage der schwedischen Delegation aufgegriffen und diskutiert.
Wie lassen sich Ihre Erkenntnisse aus dem Labor-Projekt und Ihr Ansatz zur Auslösung eines Verdachts zusammenfassen?
Dr. Günther Lach: Der hier vorgestellte Ansatz besteht nicht in eigenen Höchstgehalten für biologische Erzeugnisse, sondern in Mindestgehalten für einen begründeten Verdacht. In dieser Weise sind die *HG als Mindestgehalte für Sperrung und amtliche Untersuchung zu verstehen. Also nicht eigene Bio-Grenzwerte, sondern die konsequente Anwendung des Europäischen Rechtes – sowohl in der biologischen wie in der konventionellen Landwirtschaft.
Herr Dr. Lach, vielen Dank für das Gespräch!