Bewertung von Rückstandsbefunden in Bio-Lebensmitteln

Bewertung von Rückstandsbefunden in Bio-Lebensmitteln

Wie lässt sich ein Verdacht auf unerlaubte Stoffe in ökologischen Erzeugnissen rechtssicher begründen? Reicht das reine "Vorhandensein"? Und welche Rolle spielen Analysegrenzen und neue Labormethoden in der Bewertung? Ein Bewertungsansatz aus der Laborpraxis liefert Kontrollstellen und Behörden neue Orientierung im Umgang mit Rückstandsfunden.

Wie können Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Bio-Lebensmitteln bewertet werden?

Oekolandbau.de: Herr Dr. Lach, was waren die Beweggründe, den Ansatz zur Bewertung von Pestizitbefunden vorzuschlagen?

Dr. Günther Lach: Seit Inkrafttreten der aktuellen Öko Basis-Verordnung (EU) 2018/848 ist das Konzept des "Vorhandenseins" von nicht zugelassenen Stoffen, Erzeugnissen und Verfahren als Auslöseschwelle für einen begründeten Verdacht und damit für Sperrungen und Untersuchungen immer wieder Gegenstand von Diskussionen.

Inzwischen liegen umfangreiche Erfahrungen im Umgang mit dem Vorhandensein vor. Es sind in den weit überwiegenden Fällen chemische Stoffe, genauer die chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel und deren Befunde in Bio-Lebensmitteln, bei denen sich gezeigt hat, dass Vorhandensein allein keine belastbare Grundlage darstellt.

Dies zu belegen und aufzuzeigen, dass quasi immer alles "vorhanden" ist, wenn man nur empfindlich genug analysiert, war die Ausgangslage für diesen Ansatz.

Dr. Günter Lach

Dr. Günter Lach der Lach und Bruns Partnerschaft beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit der Analytik und Bewertung von Rückständen und Kontaminanten in Lebensmitteln.

Im Interview mit oekolandbau.de erläutert er seinen praxisorientierten Ansatz zur rechtssicheren Bewertung von Pestizitbefunden, den er zusammen mit Martin Rombach von der Prüfgesellschaft Ökologischer Landbauauf der Biofach im Februar 2025 vorgestellt hat.

Können Sie das Projekt etwas genauer beschreiben, mit dem Sie zeigen konnten, dass der Begriff "Vorhandensein" in diesem Zusammenhang nicht sinnvoll und nicht zielführend ist?

Dr. Günther Lach: Das Projekt "UPOP" (Ultra Low Levels of Pesticides in Organic Products) wurde von den elf privatwirtschaftlichen Pestizidlaboren des Qualitätszirkels relana® (= reliable analysis) initiiert und umgesetzt. Die Intention war, dass jedes Labor etwa 20 Proben aus biologischer Landwirtschaft jeweils doppelt analysiert. Einmal unter Anwendung der üblichen Routineverfahren mit den entsprechenden Nachweisempfindlichkeiten, die in der Regel bei 0,01 mg/kg als Bestimmungs- beziehungsweise Berichtsgrenze liegen. Die zweite Analyse der jeweils gleichen Probe wurde dann mit allen zur Verfügung stehenden technischen und analytischen Möglichkeiten auf die maximal empfindlichsten analytische Bestimmungsgrenzen optimiert. Dies war natürlich mit einem erheblichen zusätzlichen Aufwand verbunden. Alle diese zusätzlichen Schritte und Maßnahmen sind sehr zeit- und kostenintensiv und nicht ansatzweise mit den üblichen Routineverfahren zu vergleichen.

Welche Ergebnisse wurden mit dieser "doppelten" Analyse erzielt?

Dr. Günther Lach: Insgesamt wurden 203 Proben jeweils doppelt analysiert. Bei der Routineanalyse wurden in insgesamt zehn Proben (4,9 Prozent) im Bio-Anbau nicht erlaubte Pflanzenschutzmittel mit Gehalten von 0,01 mg/kg oder höher festgestellt. Andersherum: in 193 Proben war unter Anwendung der Routinebedingungen "nichts vorhanden".

Ganz anders sieht das Ergebnis aus, wenn die Labore ihre hoch-empfindlichen Analysen anwenden. Dann sind nur noch 39 von 203 Proben ohne Befund ("without any findings") (19 Prozent). In 160 Proben jedoch konnten Pestizide in einem Bereich von 0,00001 mg/kg und 0,01 mg/kg festgestellt werden ("with findings") und wenn man die Werte ab bzw. oberhalb 0,01 mg/kg dazu nimmt, sind es insgesamt 164 von 203 Proben (81 Prozent).

Das bedeutet, in 4 von 5 analysierten Bio-Lebensmitteln können bei Anwendung empfindlichster Messmethoden Pestizide nachgewiesen und bestimmt werde, sie sind also "vorhanden". Wenn aber in 4 von 5 Bio-Proben Pestizide "vorhanden" sind, kann dies nicht als ein Kriterium herangezogen werden, um darüber die Einhaltung der Anforderungen für den Ökolandbau zu definieren, geschweige denn zu überprüfen.

Kann man also sagen, dass in jeder beliebigen Lebensmittelprobe immer Pestizide vorhanden sind, man muss nur empfindlich genug messen?

Dr. Günther Lach: Ja, genau so ist es. Wobei ich nochmals ausdrücklich betonen möchte, dass diese Ergebnisse nur mit einem enormen technischen und qualitätssicherndem Aufwand möglich waren, weit ab von einer Routineanwendung und somit auch weit entfernt davon, dies im Alltag anzuwenden oder gar zu bezahlen.

Wenn also der Begriff "Vorhandensein" nicht geeignet ist, welchen Ansatz schlagen Sie dann vor, um einen möglichen Verdacht auf den Einsatz unerlaubter Stoffe zu begründen?

Dr. Günther Lach: Die Formulierung eines Verdachts muss auf einer rechtlich eindeutigen Grundlage aufbauen. Wie schon ausgeführt, ist der Begriff Vorhandensein ohne weitere Definition dafür nicht geeignet. Wenn wir uns aber anschauen, wie das Vorhandensein im Zusammenhang mit konventionell erzeugten Lebensmitteln definiert ist, kommt der sogenannte "Sternchen-Höchstgehalt" (*HG) ins Spiel. Der *HG definiert die europarechtlich harmonisierte untere analytische Berichtsgrenze – auch Quantifizierungsgrenze genannt – für Pestizidanalysen. Alles, was unterhalb dieser offiziellen, amtlichen Berichtsgrenze liegt, wird als nicht vorhanden bewertet. Diese Prinzip ist auch auf biologisch erzeugte Lebensmittel anzuwenden, da jedes Lebensmittel, egal wie es angebaut bzw. hergestellt wurde, diese Höchstgehalte einhalten muss. Also auch die Bio-Lebensmittel.

Können Sie das Prinzip der Anwendung der *HG etwas genauer erläutern?

Dr. Günther Lach: Die Erzeugnis/Wirkstoff-Kombinationen der Europäischen Pestizid-Rückstandsverordnung Nr. (EG) 396/2005, bei denen der Rückstandshöchstgehalt zugleich die Berichts- oder Quantifizierungsgrenze ist, werden in der Verordnung mit einem Sternchen markiert und deshalb auch *HG genannt. Diese *HG – wie auch die anderen Höchstgehalte der Verordnung 396/2005 insgesamt – sind auch für biologische Erzeugnisse stets anzuwenden und einzuhalten. Wenn für eine bestimmte Erzeugnis/Wirkstoff-Kombination kein *HG definiert ist, wird auf einen passenden *HG innerhalb der Produktgruppe ausgewichen.

Werte, die unter dem *HG liegen, gelten als nicht valide, da sie gleichzeitig unterhalb der offiziellen analytischen Berichtsgrenze (Quantifizierungsgrenze) liegen. Weder bei konventionell noch bei biologisch erzeugten Lebens- oder Futtermitteln können hierdurch statistisch rechtssicher amtliche Verfahren ausgelöst werden.

Werte, die statistisch gesichert oberhalb des *HG liegen, weisen auf ein nicht-verkehrsfähiges Erzeugnis hin.

Wird dieser oder ein ähnlicher Ansatz auch schon bei Behörden diskutiert?

Dr. Günther Lach: Ja durchaus. In einem Schreiben der EU General-Direktion für die Bio-Landwirtschaft, DG AGRI Direktorat B.4 Organics, vom 29. Januar 2024 wird dieser Ansatz im Zusammenhang mit einer Anfrage der schwedischen Delegation aufgegriffen und diskutiert.

Wie lassen sich Ihre Erkenntnisse aus dem Labor-Projekt und Ihr Ansatz zur Auslösung eines Verdachts zusammenfassen?

Dr. Günther Lach: Der hier vorgestellte Ansatz besteht nicht in eigenen Höchstgehalten für biologische Erzeugnisse, sondern in Mindestgehalten für einen begründeten Verdacht. In dieser Weise sind die *HG als Mindestgehalte für Sperrung und amtliche Untersuchung zu verstehen. Also nicht eigene Bio-Grenzwerte, sondern die konsequente Anwendung des Europäischen Rechtes – sowohl in der biologischen wie in der konventionellen Landwirtschaft.

Herr Dr. Lach, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Dr. Jennifer Ritzenthaler, Ecocert


Mehr zum Thema auf Oekolandbau.de.

Letzte Aktualisierung 22.05.2025

Nach oben
Nach oben