Storytelling für Bio-Unternehmen

Storytelling: Geschichten über Bio-Produkte erzählen

Menschen lieben Geschichten. Das Prinzip des Geschichtenerzählens – englisch Storytelling - greift die emotionale Wirkung des Geschichtenerzählens als Selbstdarstellungsmöglichkeit für ein Unternehmen auf. In der konventionellen Lebensmittelbranche nimmt Storytelling bereits eine bedeutende Rolle ein. Viele spannende und authentische Geschichten gibt es auch von Bio-Höfen zu erzählen. Als Marketinginstrument werden sie in der Bio-Branche aber bisher nur wenig genutzt.

Storytelling Marketing (deutsch: "Marketing mit Geschichten") ist eine Marketing-Methode, um eine Zielgruppe mithilfe von dramaturgischen Methoden an eine Marke zu binden und als Unternehmen sinnstiftend zu wirken. "Ein Text wird als Storytelling definiert, wenn Ereignisse in narrativer Form formuliert und darin mindestens eine Darstellerin beziehungsweise Darsteller zusammen mit Zeit- und Ortsangabe vorgestellt wird." (Ettl.-Huber, 2017). Meistens wird Storytelling durch Bilder oder Videos unterstützt.

Stoff für Geschichten gibt es im Handel mit Bio-Produkten reichlich. Sie müssen nur erzählt und in Szene gesetzt werden. Dazu gehören Unternehmens-, Gründungs- und Produktgeschichten, so Christine Erlach von Narrata Consult. Gutes Storytelling gelingt besonders da, wo die Menschen etwas Persönliches oder Wichtiges zu erzählen haben. Manchmal gehört ein besonderes Ereignis dazu, wie die Neugründung eines Betriebs oder die Übernahme des elterlichen Betriebs. Diese Phasen des Umbruchs sind oft auch sehr emotionale Momente für die Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber.

Verantwortung für Mensch und Natur

Bei dem Bio-Safthersteller Voelkel war das 75-jährigen Firmenjubiläum 2011 der Anlass, zu überlegen, wie das Unternehmen weitergeführt werden soll. Stefan Voelkel und seine vier erwachsenen Söhne waren sich einig, dass sowohl die Gründungsimpulse als auch ein nachhaltig ökonomisches Wirtschaften gewährleistet sein müssen. Eine Herzensangelegenheit von Stefan Voelkel war die Gründung der Voekel-Stiftung, die das Unternehmen weiterentwickelt und den ökologischen Landbau regional und weltweit fördert. Im Voelkeljuice-Blog werden Geschichten erzählt, die den Leserinnen und Lesern die Unternehmensphilosophie näherbringen. Seniorchef Stefan Voelkel erzählt von seinen Reisen nach Brasilien, Indien oder auch ins Wendland. Hintergrundbeiträge über Streuobstwiesen, Bodenbearbeitung, Klimaschutz und viele weitere Themen beleuchten die Firmenphilosophie. Zudem werden regelmäßig einzelne Produkte vorgestellt.

"Ein Unternehmen wird identitätsstiftend, wenn die Markenidentität medial platziert und die soziale ebenso wie die individuelle Identität des Users tangiert wird. Die Konstellation schafft ein Spannungsfeld und lässt sich durch Storytelling gestalten", so die Content Marketing Agentur suxxedo aus Berlin auf ihrer Internetseite unter der Überschrift "Warum Geschichten den Unterschied machen". Wer mit seinem Unternehmen oder einem Produkt eine inspirierende Geschichte erzählt, schafft ein identitätsstiftendes Image. Mit Hilfe der Geschichten wird bei der Kundschaft Interesse geweckt und gleichzeitig werden Informationen transportiert.

Storytelling ist keine Frage finanzieller Ressourcen. Gerade in den sozialen Medien können zum Beispiel Start-Ups bereits mit selbst aufgenommene Handyfilmen und authentischen Geschichten punkten. Um Erfolg im Netz zu haben, müssen jedoch regelmäßig Beiträge veröffentlicht werden. Ob das nun jeden Tag oder einmal im Monat ist, spielt keine Rolle. Aber um Follower beziehungsweise Stammleserinnen und Stammleser zu gewinnen, muss eine gewisse Regelmäßigkeit gegeben sein. Wichtig ist es auch, auf die eingehenden Fragen und Kommentare zeitnah zu reagieren.

Fünf Fragen an Martina Merz

Seit 30 Jahren bietet Martina Merz von der Agentur mërzpunkt Kommunikationsstrategien und Designberatung für nachhaltige Unternehmen und Organisationen an. Im Interview mit oekolandbau.de geht sie auf die Bedeutung des Storytellings für eine gelungene Unternehmenskommunikation ein.

Storytelling ist kein Verkaufstool, sondern ein Begeisterungstool für die Marke!

Oekolandbau.de: Wie funktioniert Storytelling für ein Unternehmen?

Merz: Storytelling findet immer statt, ob das Unternehmen es will oder nicht, denn auch eine nicht erzählte Story erzählt etwas vom Charakter eines Unternehmens: Unkommunikativ, verschlossen, abweisend. Deshalb ist Storytelling nicht nur eine Chance, zu vermitteln, was ein Unternehmen besonders macht, sondern auch notwendig, um als außenstehende Person – ob Kundin, Kunde oder Stakeholder – Vertrauen in ein Projekt zu bekommen. Im Idealfall macht gutes Storytelling neugierig und bindet die Menschen an eine Marke. Unternehmen und Konsumentinnen und Konsumenten verschmelzen so zur Community.

Oekolandbau.de: Mit welchen Kommunikationsmitteln kann ich Geschichten transportieren?

Merz: Storytelling kann bei mehreren Gelegenheiten, sogenannten Touchpoints stattfinden: zunächst einmal analog, wann immer Sie als Mensch mit Menschen kommunizieren, im Vertrieb, bei der Reklamation, der Lieferung, am Tresen. Aber auch bei Veranstaltungen, mit der Presse, mit der Politik.

Dann gibt es das Produkt am POS, dem Point of Sale: Das kann die Infotafel im Laden oder der Anzeige sein, aber auch das Produkt selbst. Name, Bilder und Texte erzählen etwas von der Herkunft, aber auch die Designsprache und die Materialität kann Echtheit oder Industrie erzählen, urbanes Startup oder bäuerliche Herkunft.

Besonders wichtig für das Storytelling ist allerdings Social Media und die Website. Und Storytelling kommt zwar von "Geschichten erzählen", ist aber dann besonders wertvoll, authentisch und wirksam verbindend, wenn ich als sendendes Unternehmen wirklich in den Austausch gehe: Auf Fragen und Kritik antworte, ausführlich erkläre oder mich auch in themenrelevanten Gruppen meiner Zielgruppen aktiv beteilige.

Die Website als Storytelling Plattform verliert zusehends an Bedeutung, sie sollte an die bevorzugten Social-Media Kanäle angebunden werden.

Oekolandbau.de: Welche Zielgruppen sollen mit Storytelling erreicht werden?

Merz: Leichter fällt Storytelling und zielgerichteter ist es außerdem, wenn ich mich möglichst in meine unterschiedlichen Interessentengruppen hineinversetze und mir vorher überlege, was diese an meinem Unternehmen wohl besonders interessiert, was sie für Themen, Sorgen, Nöte, Schwierigkeiten haben und wie ich Ihnen mit meinem Produkt, meiner Dienstleistung und den Geschichten darüber weiterhelfen kann.

Oekolandbau.de: Wo sehen Sie beim Bio-Handel noch Potenzial im Storytelling?

Merz: Viele Unternehmen erzählen zwar mittlerweile von sich, finden aber nicht ihre wirklich besonderen Inhalte, die nicht auch der Discounter oder der Lebensmitteleinzelhandel mittlerweile über seine Erzeuger und Erzeugerinnen erzählt. Zudem sind viele Erzeugerinnen und Erzeuger vom Typ her häufig Menschen, die sich eben nicht so gern auf eine Bühne stellen. Auch nicht auf eine digitale.

Viele Bio-Unternehmerinnen und -Unternehmer finden ihr Verhalten normal und nicht erzählenswert, die Besonderheiten werden zu "schwarzen Löchern", sie lassen sich die Show von konventionellen oder größeren Betrieben wegnehmen. Und sind dann entmutigt oder häufig auch beleidigt.

Mein Tipp ist dennoch: Einfach loslegen. Jede Woche drei Bilder bei Instagram posten, gemeinsam mit dem Team erforschen, warum Sie im Unternehmen arbeiten und was Sie selbst ihrem Freundeskreis über die Marke oder das Unternehmen erzählen. Und nicht nur posten, sondern einfach auch mal schauen, wie es die anderen machen, auch Unternehmen wie Knorr, Rewe, Edeka, wissen wie das geht!

Viele Bio-Unternehmen unterschätzen die Wirksamkeit von Social Media, lehnen Social Media ab oder fühlen sich schlicht nicht kompetent genug dazu. Aber viele unterschätzen auch den Aufwand, den es macht, regelmäßig und lebendig aus dem Betrieb zu berichten. Das geht mit Bildern am Anfang einfacher, deswegen empfehle ich Instagram, insbesondere wenn die Zielgruppen jünger sind. Ältere Zielgruppen, 45+ und Special Interest Zielgruppen kann man allerdings besser bei Facebook in den Gruppen erreichen, das merke ich selbst gerade extrem bei meinem Videoblog Essbare Natur.

Ein Riesenpotenzial sehe ich bei Videos und Youtube, hier wird Marke lebendig und lässt sich dank hervorragender Smartphones viel einfacher umsetzen, als gedacht. Das sind dann vielleicht nicht gleich super Werbespots, aber bewegte Bilder fallen auch auf den Social Media Kanälen immer sehr viel besser auf und transportieren viel mehr Emotionen.

Oekolandbau.de: Welche Unternehmen der Bio-Branche erzählen bereits erfolgreiche Geschichten?

Merz: Sehr gelungen finde ich den Auftritt der Freybauern. Sie machen es nicht nur technisch gut mit tollem Design, sondern wirklich eigenwillig. Lange, sehr kritische Posts bei Instagram erzählen von den Beweggründen, dem Einsatz, dem Nutzen. Das macht die Freybauern für mich nicht nur hoch glaubwürdig, sondern unterscheidet sie auch wesentlich von allen anderen Bio-Bäuerinnen und Bio-Bauern.

Wichtig an dieser Stelle: Storytelling ist kein Verkaufstool, sondern ein Begeisterungstool für die Marke! Das darf man nicht verwechseln. "Was würde ein guter, begeisterter Freund heute über mein Unternehmen erzählen?" Nicht: "Welches Angebot haben wir heute!"

Storytelling von Bio-Unternehmen

Einige Bio-Händlerinnen und Bio-Händler nutzen bereits sehr erfolgreich die sozialen Netzwerke, um Ihre Geschichten zu erzählen. Ein gut gelungenes Beispiel ist das Food Startup Jacky F., ein Unternehmen, das Bio-Jackfruit nach Europa brachte und nun die Geschichten zu dieser Baumfrucht und zum Unternehmen regelmäßig postet – Rezepte inklusive. Jackfrucht kann Fleischersatz und süße Müsli-Zutat sein. Und sie kommt aus einem ehemaligem Kriegsgebiet in Sri Lanka, das durch das GIZ-Projekt und dem Öko-Landbau wieder Entwicklungsperspektiven bekommen hat. Die Unternehmen mit jüngeren Gründerinnen und Gründern oder verantwortlichen Mitarbeitenden tun sich insgesamt leichter mit Social Media.

Auch Alnatura nutzt Facebook, um regelmäßig Geschichten unter dem Motto "Machen, was Sinn macht" zu erzählen. Selbst über vermeintliche Kleinigkeiten, wie der Verzicht des Klebeetiketts auf der Reisverpackung wird gepostet und von den Followern kommentiert. Die Kommentare der Nutzerinnen und Nutzer werden in Dialogform am Rande der Geschichte sichtbar. So wird das nachhaltige positive Image des Bio-Lebensmittelhändlers beworben und der Kundenkontakt gepflegt. Die Followergemeinschaft äußert sich dann im Chat zu den eingestellten Berichten.

Die tegut Challenge ist ein Beispiel für erfolgreiches Storytelling in Zusammenarbeit mit Food-Bloggern. Für 100 EUR pro Woche kochen drei Food-Blogger-Teams mit tegut Bio-Produkten und teilen die Rezepte und Fotos mit den Kundinnen und Kunden auf Instagram. Am Ende bewerten die tegut-Kundinnen und Kunden online die Rezepte und können Gutscheine gewinnen -und lernen auf diesem Weg viele Bio-Produkte kennen.


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Letzte Aktualisierung 11.11.2020

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