Neue Öko-Verordnung: Änderungen für die Landwirtschaft

Neue EU-Öko-Verordnung: Was hat sich für Öko-Landwirtinnen und –Landwirte geändert?

Die neue EU-Öko-Verordnung ist am 1. Januar 2022 in Kraft getreten und hat viel Neues für die Bio-Branche mit sich gebracht. Was hat sich dadurch für die landwirtschaftliche Erzeugung geändert? Worauf müssen Landwirtinnen und Landwirte achten?

Die neue EU-Öko-Verordnung 2018/848 baut in vielem auf dem auf, was sich im Laufe der letzten Jahre bewährt hat und in dieser Form auch unverändert weitergeführt werden soll. In einigen Bereichen werden die Ansätze der alten Verordnung 834/2007 konsequent weiterentwickelt. Hinzu kommen neue Inhalte und kleinere Ergänzungen bzw. Konkretisierungen der bisherigen Vorgaben. Die wichtigsten Änderungen für die landwirtschaftliche Erzeugung sind hier zusammengefasst.

Vorsorgemaßnahmen

Die im Artikel 28 Absatz I der Verordnung 2018/848 festgelegten Vorsorgemaßnahmen, knüpfen nahtlos an die in der alten Verordnung 889/2008 unter Artikel 63 (1) bereits festgelegten "Kontrollvorkehrungen und Verpflichtungen des Unternehmers" an. Bisher wurden diese "Kontrollvorkehrungen" als Teil der Betriebsbeschreibung in einer eher allgemeinen Form erfasst. Durch die Weiterentwicklung der Verordnung ist hier nun eine detailliertere Risikoerhebung in den landwirtschaftlichen Betrieben gefordert.

Was heißt das konkret? In der landwirtschaftlichen Erzeugung gibt es, je nach Betriebstyp, unterschiedliche Bereiche, in denen es Risiken der Kontamination von Öko-Erzeugnissen mit Stoffen geben kann, die nach der Verordnung 2018/848 nicht zugelassen sind. Damit sind allerdings nicht Stoffe der allgemeinen Umweltbelastung wie zum Beispiel Dioxine gemeint, auf deren Eintrag die Betriebe in der Regel keinen Einfluss haben. Es geht hier primär um zugekaufte Betriebsmittel wie Saatgut, Pflanzenschutzmittel, Düngemittel, Futtermittel mit den entsprechenden Zusatz- und Verarbeitungshilfsstoffen oder um Mittel zur Reinigung und Desinfektion im Bereich der Tierhaltung ggf. der Weiterverarbeitung von Öko-Erzeugnissen.

Für alle diese Risiken, die im Einflussbereichs des Unternehmens liegen, müssen entsprechende Vorsorgemaßnahmen festgelegt werden. Zur Unterstützung bei der Umsetzung hat das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) für landwirtschaftliche Unternehmen einen kostenlosen Praxisleitfaden zu diesem Thema erstellt. Ab der Saison 2022 wird die Ermittlung der "Bio Kritischen Kontrollpunkte" und die daraus abgeleitete Erstellung der entsprechenden  Vorsorgemaßnahmen Teil der Überprüfung durch die Kontrollstelle im Rahmen der Jahreskontrolle sein.

Neue Geltungsbereiche

Vor den konkreten fachlichen Änderungen, zunächst ein kurzer Überblick über die Erweite-rung der Geltungsbereiche der neuen EU-Öko-Verordnung im Bereich der landwirtschaftlichen Erzeugung: Neu hinzugekommen sind konkrete Haltungsvorschriften für Kaninchen und Gehegehaltung von Geweihträgern. Auch Bienenwachs und ätherische Öle sind nun ökologisch zertifizierbar, ebenso wie Wolle und unbehandelte Felle und Häute, um hier nur die wichtigsten Erzeugnisse aus diesem Bereich zu nennen.

Welche Neuerungen gibt es im ökologischen Pflanzenbau?

Der Grundsatz, dass der ökologische Pflanzenbau auf gewachsenem Boden erfolgen muss, bleibt bestehen. Ausnahmen gibt es lediglich für Kräuter in Töpfen und Jungpflanzen in Anzuchtschalen, die in dieser Form an die Abnehmer verkauft werden. Auch die speziellen Verfahren der bodenungebundenen Sprossenzucht und die Chicoréetreiberei sind weiterhin zugelassen.

Neu wird der Begriff des "Pflanzenvermehrungsmaterials" eingeführt. Dieses umfasst nun sowohl Saatgut als auch sämtliche vegetativ vermehrte Pflanzenteile wie beispielsweise Pflanzgut im Obst- oder Zierpflanzenbau. Bisher waren neben Saatgut nur Kartoffeln als vegetatives Pflanzenvermehrungsmaterial in die Datenbank integriert. Die in Deutsch-land bereits seit Jahren eingeführte und bekannte Datenbank OrganicXseeds wurde zu diesem Zweck deutlich erweitert. Der Grundsatz, dass alle Arten und Sorten, die in dieser Datenbank für den geplanten Saat- oder Pflanzzeitpunkt als ökologische verfügbar aufgeführt sind, eingesetzt werden müssen, gilt nun also für das gesamte Pflanzenvermehrungsmaterial. Ausnahmen davon sind nur möglich, wenn eine Allgemeinverfügbarkeit (allgemeine Genehmigung) vorliegt oder wenn die gewünschte Art oder Sorte zum gewünschten Zeitpunkt nicht verfügbar ist (Ein-zelgenehmigung). Weitere Details wie zum Beispiel der Einsatz von Saatgut aus Umstellungserzeugnissen oder von Mischungen für den Zwischenfruchtanbau oder das Grünland, die nur 70 Prozent ökologische Anteile beinhalten, finden Sie direkt in der Datenbank.

Im Bereich Düngung wurden im Wesentlichen die zugelassenen Düngemittel aus dem alten Anhang I der Verordnung 889/2009 übernommen und nun neu in den Anhang II der Durchführungsverordnung 2021/1165 integriert. Für den Bereich des biologischen Pflanzenschutzes gilt dies in gleicher Weise. Hier wurde der der alte Anhang II der Verordnung 889/2009 ebenso übernommen und die erlaubten Pflanzenschutzmittel neu in den Anhang I der Durchführungsverordnung 2021/1165 integriert. Eine fachliche Änderung betrifft unter anderm die weitere Einschränkung des Einsatzes kupferhaltige Mittel.

In der Durchführungsverordnung (EU) 2021/1165 sind alle für den ökologischen Landbau zugelassen Stoffe aufgelistet.

Welche Neuerungen gibt es in der ökologischen Tierhaltung?

Seit dem Geltungsbeginn der neuen Verordnung 2018/848 wird auch der Zukauf konventioneller Tiere zur Zucht über eine neue Datenbank geregelt. Auch hierbei gilt der Grundsatz, dass wie auch zur Mast ebenso zur Zucht grundsätzlich ökologische Tiere zugekauft werden müssen. Tagesaktuelle Einträge in der Datenbank organicXlivestock zeigen an, ob die gewünschten Tiere ökologisch verfügbar sind. An dieser Stelle sind in der Datenbank verschiedene Kriterien wir Rasse oder Region hinterlegt. Nur wenn Tiere mit den gewünschten Eigenschaften nicht ökologisch verfügbar sind, kann über diese Datenbank ein Antrag zum Zukauf konventioneller Tiere gestellt werden.

Im Bereich der Fütterung wird mit der neuen Verordnung der Einsatz von bis zu 5 Prozent koneventioneller Eiweißfuttermittel weiter eingeschränkt und ist jetzt nur noch für Ferkel bis 35 kg und für Junggeflügel möglich.

Bei Pflanzenfressern (Rinder, Schafe, Ziegen, Equiden) müssen wie bisher mindestens 60 Prozent der Futtermittel aus der Betriebseinheit selbst stammen oder – falls dies nicht möglich ist – in Zusammenarbeit mit anderen ökologischen Betrieben in derselben Region erzeugt werden. Ab 2024 wird dieser Prozentsatz auf mindestens 70 Prozent erhöht. Bei Schweinen und Geflügel stieg der Anteil betriebseigenen oder regional erzeugten Futters bereits mit Inkrafttreten der Verordnung ab Januar 2022 auf 30 Prozent (bisher 20 Prozent).

Futter von betriebseigenen Umstellungsflächen – das heißt geerntet nach zwölf Monaten Umstellungszeit – ist weiterhin zu 100 Prozent zulässig. Zugekauftes Umstellungsfutter darf ab 2022 nur noch einen Anteil von 25 Prozent (statt bisher 30 Prozent) an der jährlichen Futterration haben.

Weitere zugelassene nicht-ökologische Einzelfuttermittel, Futtermittelzusatzstoffe und Verarbeitungshilfsstoffe finden sich unter Anhang III der VO 2021/1165.

Die Endmast von Rindern im Stall ohne Freigeländezugang ist ab 2022 nicht mehr zulässig. Bisher waren bis zu drei Monate Endmast ohne Freigeländezugang möglich. Auch sieht die Kommission die Notwendigkeit von Weidegang für alle Rinder, Schafe, Ziegen und Equiden, "wann immer die Umstände dies gestatten". Mit den Umständen sind dabei Witterungsumstände gemeint und nicht die Lage der jeweiligen Hofstelle, die unter Umständen in einer größeren Entfernung vom nächsten Weidegrünland liegt.

Nach neuer Verordnung muss in der Schweinehaltung nun auch im Außenbereich mindestens die Hälfte der Fläche von fester Bauweise sein. Das heißt es dürfen keine Spaltenböden oder Gitterroste verwendet werden. Für die bauliche Anpassung bei den Außenflächen haben die Betriebe eine Übergangsfrist bis zum 1.1.2030.

Im Bereich der Geflügelhaltung definiert die neue Verordnung nun eine "Veranda" für Geflügel. Dabei handelt sich um einen überdachten Bereich mit Außenklimabedingungen, der nicht rund um die Uhr zugänglich sein muss. Das Angebot einer Veranda ist jedoch nicht verpflichtend vorgeschrieben. Die Veranda zählt dabei nicht als Freigelände und kann auch nicht zur Berechnung der Besatzdichte im Stall herangezogen werden.

Die bisherigen Außenklimabereiche/Kaltscharrräume/Wintergärten sind nach neuer Verordnung nur dann auf die Stallfläche anrechenbar, wenn sie rund um die Uhr zugänglich sind, Tränke- und Futtereinrichtungen aufweisen und gegen Einflüsse des Außenklimas geschützt sind.

Neue Regeln gibt es auch bezüglich der Volierenhaltung. Laut neuer Verordnung sind zusätzlich zum Boden ab 2022 maximal zwei weitere Ebenen zulässig. Um Volierensysteme, die diesen Vorgaben bisher noch nicht entsprechen baulich anzupassen, wird den Betrieben eine Übergangsfrist bis zum 1.1.2030 gewährt.

Ab 2022 müssen ausnahmslos alle Geflügelställe Sitzstangen oder erhöhte Sitzebenen aufweisen. Für Mastgeflügel war dies bislang nicht vorgeschrieben.

Zu den maximalen Auslaufdistanzen, den Vorgaben zur Trennung von Stallabteilen und den maximalen Herdengrößen je Stallabteil werden konkrete Angaben gemacht. Genauer geregelt werden nun auch die Haltungsbedingungen für Junghennen, die bisher in Deutschland ohne Grünauslauf gehalten werden konnten. Dies ist nun so nicht mehr möglich. Auch den Elterntieren muss ab sofort Grünauslauf gewährt werden. Als neue Tierkategorie werden in der Verordnung 2018/848 Bruderhähne genannt, deren Haltungsbedingungen weitgehend dem Mastgeflügel angepasst wurden. Da es hier noch einige Details zu klären gibt und Übergangszeiten und –regelungen je nach Bundesland in Anspruch genommen werden können, sollten Sie sich als Halter von Geflügelbeständen bei spezifischen Fragen immer an die zuständige Behörde wenden, um Planungssicherheit zu bekommen. Auf Bundesebene existiert eine Arbeitsgruppe Geflügel, die für diesen speziellen Tierhaltungsbereich versucht, praxisnahe Auslegungen zu finden, sich regelmäßig zur Klärung offener Fragen trifft und diese miteinander abstimmt.

Die neue Basisverordnung (EU) 2018/848 und die dazu gehörenden Durchführungsverordnungen und delegierte Verordnungen finden Sie hier: Die neue EU-Öko-Verordnung


Lesetipp:

Praxisleitfaden für landwirtschaftliche Unternehmen zur Umsetzung des Artikels 28 Absatz 1 der Öko-Verordnung (EU) 2018/848

Der Praxisleitfaden befasst sich mit den "Vorsorgemaßnahmen zur Vermeidung des Vorhandenseins nicht zugelassener Erzeugnisse und Stoffe", die landwirtschaftliche Betriebe nach der neuen EU-Öko-Verordnung umsetzen müssen.

  • Autorinnen und Autoren: Lena Guhrke, Babette Reusch, Wolfgang Neuerburg, Caroline Ebner (FiBL Deutschland e.V.)
  • Herausgeber: FiBL
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Bestellung / Download: Organic Eprints

Letzte Aktualisierung 20.03.2022

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