Begründung der Jury für die Auszeichnung mit dem Bundespreis Ökologischer Landbau 2023 für die gesamtbetriebliche Konzeption
Laudatio von Jurymitglied Christina Zurek
Der Bioland-Betrieb "Alles im grünen Bereich e.V." gehört zur Arbeits- und Lebensgemeinschaft Kommune Niederkaufungen. Die Kommune Niederkaufungen ist eine Gemeinschaft, die sich 1986, das heißt vor 36 Jahren, in der Nähe von Kassel gegründet hat. Hier leben und arbeiten aktuell 60 Erwachsene mit 21 Kindern und Jugendlichen mit dem Ziel als "lebendiges Experiment" Visionen und Innovationen für ein umweltfreundliches Leben in einer sozialen Gemeinschaft zu entwickeln.
Der Gedanke, die Gemeinschaft selber mit Lebensmitteln zu versorgen – um damit unabhängiger von der konventionellen Lebensmittelerzeugung und von überregionalen Güterströmen zu sein – war dabei seit Beginn eine Grundidee der Gründerinnen und Gründer. Fläche und Hofstelle konnten in verschiedenen Etappen gekauft oder gepachtet werden. So entstanden an verschiedenen Standorten rund um die Kommune Arbeitsgruppen, die nun im "Alles im grünen Bereich e.V." zusammengefasst sind.
Der Verein "Alles im grünen Bereich e.V." bildet das gemeinsame Dach für insgesamt sieben landwirtschaftlich gärtnerische Betriebszweige, die alle in ihrer Art dazu beitragen, dass die Lebensgemeinschaft mit Öko-Lebensmitteln versorgt wird. Weiteres Ziel des e.V. ist die Bildungsarbeit, das heißt der Kundschaft des Hofladens, der interessierten Nachbarschaft oder den Mitgliedern der Solidarischen Landwirtschaft soll der ökologischen Landbau in seiner ganzen Vielfalt erlebbar gemacht werden.
Die sieben Betriebszweige des Vereins (wie beispielsweise die Gärtnerei, die Saatgutvermehrung, der Obstbau, die Tierhaltung oder die Agroforstwirtschaft…) erwirtschaften alle ihr Einkommen, welches wiederum in die Gemeinschaft fließt. Die 23 Mitarbeitenden sind dabei gleichberechtigt und formal hierarchiefrei, wenn sie fast 50 Hektar Acker-, Obst- und Gemüseflächen sowie Niederungsrinder, Thüringer Waldziegen, Mastschweine und Legehennen betreuen.
Alle Arbeitsgruppen in der Gärtnerei und der Landwirtschaft zeichnen sich dadurch aus, dass sie gut durchdachte, ökonomisch solide und durchgängig innovative Bewirtschaftungsformen entwickelt haben, die sich gegenseitig sinnvoll ergänzen. Die Jury konnte sich vor Ort davon überzeugen, dass es ein wichtiges Ziel aller Bereiche ist, den ökologischen Landbau weiterzuentwickeln und zeitgleich einen hohen Selbstversorgungsgrad der Kommune und des regionalen Umfeldes zu ermöglichen.
Die vielen positiven Umweltwirkungen des Betriebes wie zum Beispiel der Humusaufbau durch regenerative Landwirtschaft, Klimaschutz durch Agroforstwirtschaft oder die Erhaltung genetischer Ressourcen durch die Nutzung samenfester Sorten und den Erhalt alter Obstsorten werden auf dem Betrieb "Alles im grünen Bereich e.V." durch ein umfassendes Verständnis der sozialen Interaktion ergänzt. Dabei ist es für die Gemeinschaft von entscheidender Bedeutung, nicht nur innerbetrieblich solidarische Bedingungen im Arbeitsalltag und im Miteinander zu schaffen, sondern diese auch so weit wie möglich auf die Kundschaft zu übertragen.
Hohe Kundenbindung im Hofladen, zahlreiche Mitglieder in der solidarischen Landwirtschaft, wissenschaftlich begleitete Projekte, Bildungsangebote (Zum Beispiel Pomologie-Kurse) im Seminarhaus und auf dem Acker und die Zusammenarbeit mit anderen Kommunen aus der Umgebung bilden ein Unterstützungssystem, das insbesondere in schwierigen Zeiten eine andere Form von Sicherheit gibt.
In der Nähe der Kommune haben sich drei weitere Lebensgemeinschaften (Kommunen) gegründet, die mit Niederkaufungen kooperieren. So bildet der landwirtschaftlich gärtnerische Bereich der Kommune Niederkaufungen eine Schnittstelle, wenn es darum geht, eine landwirtschaftliche Fläche gemeinsam zu bewirtschaften und/oder Maschinen gemeinsam zu nutzen.
Die beschriebenen Netzwerke sichern die Überlebensfähigkeit eines Betriebes, der, wenn man nur die Kennzahlen Arbeitskraft, Tierbesatz und Fläche zu Grunde legen würde, vermutlich nicht auskömmlich wirtschaften würde. Die Kommune Niederkaufungen ist somit auch ein Alternativmodell zu herkömmlichen landwirtschaftlichen Betrieben, welches innovativ den ökologischen Landbau voranbringt, attraktive Arbeitsplätze bietet sowie ökonomisch sinnvoll produziert und sozial nach innen und in die Gesellschaft hineinwirkend agiert.
Die Jury sieht den Verein "Alles im grünen Bereich" als ein vorbildliches Beispiel für eine gleichwertige Verbindung der sozialen, ökologischen und ökonomischen Perspektive und gratuliert zum Bundespreis Ökologischer Landbau 2023.
