Neue Pflanzenschutz-Strategien

Neue Pflanzenschutz-Strategien im Öko-Landbau

Mehr Öko-Züchtung, mehr praxisnahe Forschung und schnellere Zulassungsverfahren für neue Wirkstoffe könnten einen wichtigen Beitrag leisten, den Pflanzenschutz im Öko-Landbau nachhaltig zu verbessern. Das sind die zentralen Ergebnisse der zweitägigen Online-Fachtagung "Weiterentwicklung von Pflanzenschutzstrategien im Öko-Landbau", an der Mitte November 2023 etwa 150 Fachleute aus Wissenschaft, Praxis und Beratung teilnahmen.

Steinbrand im ökologischen Weizenanbau

Dr. Carl Vollenweider, Züchtungsexperte auf dem Dottenfelder Hof, wies in seinem Beitrag auf die Problematik der Verbreitung des Steinbrandes (Tilletia caries) im ökologischen Weizenanbau hin. Eine Untersuchung von 30 Proben verschiedener Betriebe aus dem Bundesgebiet habe ergeben, dass knapp ein Drittel mit dem samenbürtigen Erreger belastet sind. "Häufig fehlt es an Bewusstsein für die Problematik, weil eine Infektion schwer zu erkennen ist", sagte Vollenweider. Hinzu komme, dass fast alle verfügbaren Sorten anfällig sind und sich die Sporen bei der Saatgutaufbereitung leicht übertragen.

Umso wichtiger ist aus seiner Sicht ein kombinierter Ansatz zur Eindämmung des Erregers. Dazu gehöre eine allgemein hohe Saatgutqualität mit intensiven Kontrollen auf Sporen, vorbeugende agronomische Maßnahmen im Anbau, eine Saatgutbehandlung nach den Vorgaben des Öko-Landbaus und eine Ausweitung der Resistenzzüchtung. Da bestehende Resistenzen häufig nur auf einem Gen beruhten, würden diese meist schnell durchbrochen. Deshalb komme es laut Vollenweider darauf an, Marker für vorhandene Resistenzgene zu entwickeln und diese zur Erzeugung von Varietäten mit mehreren unterschiedlichen Resistenzen zu nutzen.

Förderung der Artenvielfalt im Ackerbau

Das Projekt FINKA (Förderung von Insekten im Ackerbau) zum gegenseitigen Wissensaustausch zwischen je 30 konventionellen und Bio-Betrieben stellte Hans Tüllmann vom Kompetenzzentrum Ökolandbau in Niedersachsen vor. Im Mittelpunkt des Projekts steht laut Tüllmann eine optimierte mechanische Unkrautkontrolle, um den Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel zu reduzieren und die Biodiversität auf den Flächen zu erhöhen.

Im ersten Versuchsjahr auf 90 Praxisflächen zeigten sich bei den Erträgen von Winterweizen und Silomais kaum Unterschiede zwischen den Varianten mit mechanischer und chemischer Unkrautkontrolle. "Dies sei aber auch zu erwarten gewesen", sagte Tüllmann. "Mögliche Ertragseinbußen durch Unkräuter treten in der Regel erst im zweiten und dritten Anbaujahr auf." Die größte Herausforderung sei deshalb mittelfristig festzustellen, wie hoch das Anbaurisiko bei komplettem Verzicht auf Pflanzenschutzmittel ist.

Insgesamt seien die beteiligten konventionellen Landwirtinnen und Landwirte sehr offen für die mechanische Kontrolle gewesen, insbesondere wenn sich ökonomische Vorteile abzeichneten. Alle beteiligten Betriebe lobten zudem die Möglichkeit, sich über die Vor- und Nachteile der Unkrautkontrolle in den beiden Anbausystemen auszutauschen. Die Möglichkeit dazu bieten regelmäßige Netzwerktreffen und Fieldschools als fester Bestandteil des Projekts.

Pflanzenschutz im Weinbau

Dr. Johanna Döring von der Hochschule Geisenheim beschäftigte sich in ihrem Vortrag mit den Langzeiteffekten von Pflanzenschutzstrategien im Weinbau auf die Bodenqualität und die Zusammensetzung der Mikroorganismen. Laut Döring ist die Bodenverdichtung im integrierten Anbau am höchsten, während sie bei ökologischer und vor allem bei bio-dynamischer Bewirtschaftung deutlich geringer liegt. Auch die Mengen an gebundenem Kohlenstoff und mineralisiertem Stickstoff waren in den beiden Bio-Varianten deutlich höher. Der Gehalt an Gesamtkupfer und bioverfügbarem Kupfer war dagegen im bio-dynamischen und im organischen System höher als im integrierten Anbau, außer im Bereich zwischen den Pflanzreihen.

"Insgesamt sehen wir einen großen Einfluss des Anbausystems auf wichtige Bodenparameter wie die mikrobielle Biomasse und die enzymatische Aktivität der Mikroorganismen im Boden und auf der Oberfläche", sagte Döring. So sei die gesamte mikrobielle Masse trotz höherer Kupfergehalte in den beiden ökologischen Anbausystemen deutlich höher, genauso wie die Zahl der verschiedenen Arten. Als wichtigste Ursachen dafür nannte sie die unterschiedlichen Pflanzenschutzmaßnahmen und die größere Vielfalt im Unkrautspektrum. Inwieweit diese Unterschiede die Produktivität der Weinbauflächen beeinflusst, wird laut Döring im weiteren Verlauf des Projekts untersucht.

Jutta Kienzle von der Fördergemeinschaft Ökologischer Obstbau (Föko) stellte erste Ergebnisse einer Studie aus dem BÖL-Verbundprojekt Oekoapfelforward vor. Darin konnte der Anteil vermarktungsfähiger Äpfel aus einer Ernte durch Einsatz eines mechanischen Reinigungssystems deutlich erhöht werden. Mit der Technik können laut Kienzle Schalenverschmutzungen aufgrund der Regenfleckenkrankheit teilweise entfernt werden.

In ersten Versuchsreihen mit der Sorte Topaz war es mit der Reinigung möglich, mehr als die Hälfte der zuvor nicht vermarktungsfähigen Äpfel der Handelsklasse III in vermarktbare Ware umzuwandeln. Der Erfolg hänge jedoch von der Sorte ab. Grundsätzlich sei die Reinigung bei runden Sorten am einfachsten. Von der Reinigungsmaschine existiert bisher einen Prototyp in Baden-Württemberg, den ein Praxisbetrieb bereits erfolgreich einsetzt.

Zulassung von ökologischen Pflanzenschutzmitteln

In der abschließenden Diskussion wies Lara Ramaekers vom IBMA, dem weltweiten Zusammenschluss der Bio-Pflanzenschutzindustrie darauf hin, dass die Zulassung neuer Produkte für den ökologischen Pflanzenschutz in der EU viel zu lange dauere. Im weltweiten Vergleich sei eine Zulassungsdauer von bis zu acht Jahren extrem lang. Als positives Beispiel nannte sie Brasilien, wo es durch eine zentrale Überprüfungsstelle gelingt, die Zulassungsdauer auf maximal drei Jahre zu verkürzen. Das habe laut Ramaekers in Brasilien zu mehr Wettbewerb, geringeren Preisen und einem verbesserten Pflanzenschutz im Öko-Landbau beigetragen.

Über die Tagung

Initiatoren der vom Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) geförderten Veranstaltung sind das Julius-Kühn-Institut (JKI) und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW).

Am zweiten Tag der Fachtagung standen aktuelle Forschungsergebnisse für neue Pflanzenschutzstrategien im Öko-Landbau im Mittelpunkt.


Letzte Aktualisierung 06.12.2023

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