"Jedes verlorene Kilogramm N kostet uns fünf Euro"

Johannes Finke: "Jedes verlorene Kilogramm N kostet uns fünf Euro"

Johannes Finke hatte auf seinem Gemüsebetrieb schon immer die Stickstoffverluste im Blick. Aber erst durch die Teilnahme an einem Wasserschutzprojekt entstand ein rundes Konzept zur Minimierung der Verluste.

Öko-Landbau ist gut fürs Grundwasser. Diese These würden Johannes Finke und sein Sohn Max nicht ohne Einschränkung unterschreiben. "Auch der Öko-Landbau hat Schwachstellen", sagt Johannes Finke. Eine dieser Schwachstellen sind Stickstoffverluste durch Auswaschung, die man im ökologischen Anbau kaum vermutet. Denn hier gilt Stickstoff eher als Mangelware.

Doch Johannes Finke entdeckte selbst viele Jahre nach der Umstellung seines Betriebs immer noch Algen in den Drainagerohren seiner Flächen. Für ihn ein klares Zeichen, dass eine ökologische Bewirtschaftung nicht automatisch vor der Auswaschung von Stickstoff schützt.

Finke war ohnehin für das Thema Grundwasser sensibilisiert. Denn bevor er seinen Betrieb Ende der 1980er-Jahre umstellte, setzte er wie viele andere Höfe in der Region auf Schweinemast. Die damit verbundenen hohen Nährstoffeinträge auf den sehr leichten Sandböden ließen die Nitratwerte im Grundwasser auf bedenkliche Werte steigen. So wurden im Hausbrunnen des Betriebs zeitweise weit über 100 Milligramm Nitrat pro Liter gemessen.

Zwar gingen die Stickstoffeinträge durch die Umstellung zurück. Doch im Laufe der Jahre spezialisierte sich der Finkeshof immer mehr auf den Anbau von Bio-Gemüse. Heute werden auf 95 Hektar vor allem Kohl- und Wurzelgemüse angebaut, aber auch Rote Bete, Porree, Schwarzwurzeln, Sellerie, Kartoffeln, Tiefkühlerbsen und Zwiebeln. Mehr Gemüse bedeutete aber auch einen höheren Stickstoffbedarf. Denn insbesondere die verschiedenen Kohlarten waren unterversorgt, sodass die von den Kundinnen und Kunden geforderten Qualitäten nicht mehr durchgehend erzeugt werden konnten.

Neue Stickstoff-Quellen – neue Herausforderungen

Deshalb setzten die Betriebsleiter neben Mist und Leguminosen zusätzlich auf Haarmehl-Pellets aus gemahlenen Schweineborsten mit einem Stickstoff-Gehalt von 14 Prozent. Bis zu 150 Kilogramm Stickstoff pro Hektar werden damit im Jahr ausgebracht. "Auf diese Weise können wir einfach viel gezielter düngen und der Stickstoff ist schneller verfügbar", erklärt Max Finke den Schritt. "Bei der Düngung mit Leguminosen hängt die Wirkung dagegen viel mehr von anderen Faktoren ab, auf die wir keinen Einfluss haben."

Mehr Stickstoff im System bedeutete aber auch ein höheres Risiko für Auswaschung und damit für die Belastung des Grundwassers. Zudem bekam der Nährstoff durch den Zukauf zum ersten Mal einen konkreten Wert. Johannes Finke: "Jedes zugekaufte Kilogramm Stickstoff kostet uns etwa fünf Euro. Allein deshalb war uns klar, dass wir die Verluste so klein wie möglich halten müssen."

Aus diesem Grund nahmen die beiden im Jahr 2014 auch gerne das Angebot der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen an, als Modellbetrieb für grundwasserschonende Anbauverfahren im Rahmen der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie mitzuarbeiten. Neben verschiedenen Versuchen zu geeigneten Zwischenfrüchten und zur Düngetechnik sind auch monatliche Nmin-Untersuchungen auf den meisten Flächen Teil des Projekts.

"Solche Nmin-Messungen haben wir vorher nie gemacht. Dabei haben uns die Ergebnisse wirklich die Augen geöffnet", erzählt Max Finke. Wichtigste Erkenntnis: Wintergetreide nimmt im Herbst weniger als 20 Kilogramm Stickstoff pro Hektar auf. Damit ist die Kultur nicht geeignet, den vorhandenen Reststickstoff im Boden über den Winter zu binden. Denn das können etwa nach Kartoffeln noch bis zu 100 Kilogramm pro Hektar sein. "Da haben wir früher wirklich eine ganze Menge verloren", sagt Johannes Finke.

Individuelle Zwischenfrüchte als stickstoffbindende Lösung

Als Konsequenz daraus wurde Wintergetreide aus der Fruchtfolge gestrichen und durch Sommergetreide ersetzt. Zudem folgen auf die Hauptkultur jetzt Sandhafer oder Roggen als Zwischenfrucht, die rechtzeitig vor der Auswaschungsphase im Winter etabliert werden. Bei einem frühen Saattermin bis Anfang September und ausreichend Feuchtigkeit bindet der Sandhafer bis zu 100 Kilogramm Stickstoff pro Hektar. In trockenen Jahren ist die Aufnahme geringer, liegt aber immer noch bei 50 bis 60 Kilogramm Stickstoff pro Hektar.

Die Zwischenfrüchte werden flexibel eingesetzt, je nach Vorkultur und Saatzeitpunkt. Sandhafer folgt meist auf frühräumende Kulturen wie Möhren, weil er größere Stickstoffmengen bindet. Roggen kommt aufgrund seiner höheren Winterfestigkeit eher nach späteren Kulturen zum Einsatz. Vor Kohl haben sich Lupinen als Mischpartner zu Roggen bewährt, um zusätzlichen Stickstoff in den Boden zu bringen.

"Früher hatten wir Lupinen in Reinsaat. Wir haben aber festgestellt, dass die vom Reststickstoff im Boden so gut wie nichts aufnehmen, sondern nur den selbstgebundenen Stickstoff nutzen", erklärt Johannes Finke. Die Kombination mit Roggen sieht er dagegen als ideal an.

Die Zwischenfrüchte werden aber nicht als Gemenge gesät, sondern getrennt in 25 Zentimeter breiten Streifen. Das hat sich laut Johannes Finke gut bewährt. Denn der Roggen nimmt den Rest-Stickstoff komplett auf, während die Lupinen zusätzlichen Stickstoff im Boden anreichern. Über eine satellitengesteuerte Aussaat wird der Kohl im nachfolgenden Frühjahr direkt in dem Streifen gesät, in dem vorher die Lupinen wuchsen. So soll der zusätzlich angereicherte Stickstoff wie eine Startgabe für den Kohl dienen. Laut Max Finke hatte dies jedoch in den bisherigen Anbaujahren noch keinen Effekt auf die Pflanzen.

Grundsätzlich kommen nach Einschätzung der Betriebsleiter auch andere Zwischenfrüchte in Frage wie etwa Ölrettich oder Senf. Aber beide Kulturen scheiden für den Betrieb aus, weil sie als Kohlarten das Risiko für Kohlhernie in der Fruchtfolge erhöhen. Auch das früher auf dem Betrieb übliche Kleegras wird seit langem nicht mehr angebaut, da es auf den sandigen Böden die Vermehrung von Nematoden fördert. "Hier muss einfach jeder Betrieb sehen, was am besten in seine Fruchtfolge passt", meint Max Finke.

Timing bei der Bodenbearbeitung

Die zweite wichtige Erkenntnis aus der Bestimmung der Stickstoffwerte war für die Betriebsleiter, dass die Einsaat einer Zwischenfrucht nach spät räumenden Kulturen wie Kohl keinen Effekt auf mögliche Stickstoffverluste hat. Im Gegenteil. "Wenn man den Boden ab Ende Oktober noch intensiv bewegt für die Saatbettbereitung, werden die Mikroorganismen im Boden aktiviert. Dadurch wird zum Teil mehr Stickstoff mineralisiert, als eine späte Zwischenfrucht noch binden kann", erklärt Max Finke. Deshalb bleiben die spät geernteten Kohlflächen auf dem Finkeshof über den Winter unbearbeitet.

Grundsätzlich ist der frühe Anbau geeigneter Zwischenfrüchte für den Betrieb der wichtigste Hebel, um Stickstoffverluste durch Auswaschung zu vermeiden. Aber auch mit angepasster Technik konnten die Betriebsleiter die Effizienz bei der Stickstoffverwertung verbessern. So wurde im Zuge des Modellprojektes ein spezieller Düngerstreuer entwickelt, der exakt ihren Anforderungen entsprach.

Mit der neun Meter breiten Maschine können die Haarmehl-Pellets wahlweise als Unterfußdüngung ausgebracht oder direkt an die Reihe gelegt werden, etwa bei Kohl, Sellerie, Porree und Zwiebeln. "Mit der alten Maschine sind viele Pellets in den Blattachseln gelandet, wo sie natürlich keine Wirkung entfalten konnten. Jetzt kommt der Dünger dahin, wo ihn die Pflanze braucht", sagt Johannes Finke.

Auch das Splitten der Pelletdüngung in zwei Gaben hat sich im Kohl bewährt. Früher wurden die gesamten 150 Kilogramm Stickstoff pro Hektar komplett ausgebracht. Das führte dazu, dass in der ersten Vegetationsphase häufig zu viel Stickstoff zur Verfügung stand und je nach Witterung teilweise verloren ging. Zur späteren Kopfbildung fehlten diese Mengen dann und es kam zu Qualitätsmängeln.

In Blumen- und Spitzkohl gibt es deshalb vor der Pflanzung eine Unterfußdüngung mit 90 Kilogramm Stickstoff pro Hektar. Etwa sechs Wochen später erhält der Blumenkohl eine zweite Gabe an die Reihe mit 60 Kilogramm pro Hektar. Da Spitzkohl einen geringeren Bedarf hat, wird hier auf die zweite Gabe verzichtet.

Preisgekröntes Konzept

Mithilfe des ständig verfeinerten Konzepts zur Minimierung von Stickstoffverlusten ist es dem Betrieb gelungen, die Nitratgehalte im Hausbrunnen um 50 Milligramm Nitrat pro Liter zu senken.

Max Finke sieht vor allem die regelmäßige Überprüfung der Nmin-Gehalte im Boden im Zuge des Modellprojekts als Schlüssel für die Optimierung: "Wir haben das bis zum Start des Projekts nicht gemacht, weil das Proben aufwendig ist und Geld kostet. Aber nur so bekommt man wirklich ein Gespür dafür, wann wie viel Stickstoff im Boden ist und an welcher Stelle in der Fruchtfolge Verluste drohen."

Deshalb rät er auch anderen Bio-Betrieben, mithilfe von Nmin-Proben den Blick für die Stickstoffbewegungen im Boden zu schärfen. Für eine objektive Einschätzung sei es aber entscheidend, viel und regelmäßig zu beproben. Eine einzelne Probe sei nur eine Momentaufnahme und sage nichts aus.

Obwohl Vater und Sohn schon viel erreicht haben bei der Verringerung ihrer Stickstoffverluste, wollen sie ihre Fruchtfolge und die Technik weiter optimieren. Denn eines ist den erfahrenen Landwirten klar: "Ganz ohne N-Verluste zu arbeiten ist unmöglich. Aber wir wollen das so gut machen, wie es geht."


Letzte Aktualisierung 26.03.2024

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