Herstellung von fermentierten Bio-Lebensmitteln

Herstellung von fermentierten Bio-Lebensmitteln

Fermentationsprozesse laufen bei der Herstellung verschiedenster Produkte ab. Dr. Andrea Hickisch ist Expertin für Fermentation beim Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung. Sie erläutert im Interview, warum dadurch ein Verzicht auf Aromen möglich ist und welche Chancen sich für verarbeitende Betriebe ergeben.

Dr. Andrea Hickisch ist Expertin für Fermentation beim Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung in Freising. Sie beantwortet uns im Interview, welche Vorteile fermentierte Lebensmittel haben und welche Chancen sich für Verarbeiterinnen und Verarbeiter bringt.

Oekolandbau.de: Frau Hickisch, Fermentation ist aktuell wieder ein großes Trendthema. In welchen Gebieten und Lebensmitteln kommt das Verfahren überwiegend zum Einsatz?

Hickisch: Fermentation kommt bei vielen verschiedenen Produktgruppen zum Einsatz, zum Beispiel bei Wein und Bier, aber auch moderneren Getränken wie Kefir und Kombucha. Von Käse und Joghurt über Brot bis zu Kakao – die Einsatzbereiche von Fermentation sind sehr vielseitig. Auch einige Gerichte aus der koreanischen Küche, beispielsweise Kimchi, basieren auf Milchsäuregärung und damit auf fermentiertem Gemüse. Roh- und Pökelwurstprodukte wie Salami reifen mithilfe von Milchsäurebakterien.

Oekolandbau.de: Wie läuft eine Fermentation ab? Was sind die Besonderheiten?

Hickisch: So unterschiedlich die Produktgruppen sind, so unterschiedlich laufen meist auch die Fermentationsprozesse ab. Elementar ist, welche Mikroorganismen auswählt werden. Teilweise sind diese bereits im Rohstoff enthalten, teilweise müssen diese zugesetzt werden. Grob unterscheidet man Hefen, Bakterien und Schimmelpilze. Je nach Produkt müssen die richtigen Mikroorganismen ausgewählt werden und es muss dafür gesorgt werden, dass genügend Nährstoffe zur Verfügung stehen. Grundsätzlich braucht ein Mikroorganismus immer eine Zucker- und eine Stickstoffquelle. Sonst kann es zu Fehlgärungen kommen, das riecht dann auch unangenehm. Deshalb müssen bei der Fermentation Nährstoffe und pH-Wert stimmen.

Oekolandbau.de: Wo kann man sich denn über die genauen Bedingungen informieren?

Hickisch: In den meisten Fällen arbeitet man mit Starterkulturen von Herstellerinnen und Herstellern zusammen. Man braucht sichere Mikroorganismen und besonders im Bio-Bereich müssen diese verwendet werden dürfen. Diese Herstellerinnen und Hersteller geben genaue Hinweise, wie die Starterkulturen idealerweise eingesetzt werden sollen und was die Organismen brauchen.

Oekolandbau.de: Fermentation wie zu Omas Zeiten versus Fermentation heute – was hat sich in den letzten Jahren bei diesem Thema getan?

Hickisch: Fermentation ist kein Hexenwerk! Früher ist es vermutlich eher aus Versehen passiert, dass die Milch schlecht wurde. Dann hat man gemerkt, dass es ganz gut schmeckt und so ist der Joghurt daraus geworden. Man weiß allerdings heutzutage viel mehr über die Starterkulturen, die Enzyme und Mikroorganismen – bis auf Genomebene. Heutzutage können Mikroorganismen sehr zielgerichtet eingesetzt werden. Früher basierte das Wissen viel auf gesammelter Erfahrung.

Oekolandbau.de: Gibt es Unterschiede bei der konventionellen und Öko-Fermentation?

Hickisch: Bei der Öko-Fermentation müssen die eingesetzten Enzyme und Mikroorganismen nach der EU-Öko-Verordnung in der Öko-Verarbeitung zugelassen sein. Die Fermentation läuft grundsätzlich nicht anders ab. Die Rohstoffe als Ausgangsstoffe müssen natürlich ökologischer Herkunft sein.

Oekolandbau.de: Wie sieht es mit der Deklarationspflicht aus, welche Enzyme sind deklarierungspflichtig?

Hickisch: Generell sind Enzyme technische Hilfsstoffe, die nicht im Lebensmittel verbleiben. Enzyme werden beispielsweise inaktiviert. Sie müssen deswegen nicht deklariert werden.

Oekolandbau.de: Welches Potenzial sehen Sie für Verarbeiterinnen und Verarbeiter? Welche Herausforderungen gilt es zu meistern?

Hickisch: Ich sehe das sehr positiv. Enzyme und Mikroorganismen sind einfach großartige Werkzeuge. Enzyme sind sehr zielgerichtet in ihrer Wirkungsweise, Mikroorganismen hingegen können selbst unterschiedliche Enzyme herstellen, daher ist ihre Wirkungsweise vielfältiger. Oft kann man dann sogar auf Zusatzstoffe und Aromen verzichten oder diese zumindest reduzieren, weil die Enzyme und Mikroorganismen Substanzen bilden, die wie diese Stoffe wirken. Es ergibt sich dadurch ein riesiges Spektrum an Möglichkeiten. Je nach Rohstoff, der fermentiert wird, kann sich eine breite Aromenvielfalt ausbilden. Fermentierte Lebensmittel haben auch einen gesundheitlichen Mehrwert für das Darmmikrobiom.

Oekolandbau.de: Was würden Sie also (Bio-)Herstellerinnen und -Hersteller raten?

Hickisch: Diese Vielseitigkeit sollte man sich unbedingt zu Nutze machen. Gerade bei neuen Milchersatzprodukten sind Aromen und Zusatzstoffe enthalten. Das schmeckt oft künstlich und ist nicht sehr gesund. Wertvoller wäre es, hier mit Mikroorganismen und Enzymen zu arbeiten. Ich kann also nur zum Einsatz von Fermentation ermutigen. Hat man Prozesse einmal etabliert, laufen sie auch immer gleich ab. Neue Rohstoffchargen sollten aber immer neu überprüft werden und ein Sicherheitskonzept ist wichtig.

Oekolandbau.de: Wie schätzen Sie das künftige Marktpotenzial von fermentierten (Bio-)Lebensmitteln ein?

Hickisch: Durch Corona haben die Leute gemerkt, dass Gesundheit kein selbstverständliches Gut ist. Sie haben verstärkt fermentierte Lebensmittel konsumiert, da sich diese erwiesenermaßen positiv auf das Darmmikrobiom sowie auf das Immunsystem auswirken. Marktpotenzial ist also definitiv vorhanden und noch lange nicht ausgeschöpft.


Letzte Aktualisierung 10.11.2022

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