Ganztierverwertung

Ganztierverwertung

Ganztierverwertung

Ganztierverwertung ist mehr als ein Qualitätsmerkmal einer Fleischerei. Letztlich ist es auch eine Frage der Wertschätzung des Tieres. Der Bio-Fleisch-Experte Hermann Jakob gibt praktische Tipps und verrät, worauf es bei der Verarbeitung ankommt.

Was der landwirtschaftliche Betrieb mit viel Sorgfalt erzeugt hat, sollte mit ebenso viel Sorgfalt verarbeitet werden. Das gebietet allein der Respekt vor dem Tier. Zudem ist es auch in wirtschaftlicher Hinsicht interessant, auch die weniger geschätzten Teilstücke zu verwerten. Gerade wenn der Fleischerbetrieb sein Schweinefleisch in Hälften und sein Rindfleisch in Vierteln kauft, ist nach Einschätzung von Hermann Jakob die Ganztierverwertung sinnvoll.

Von der Nase zum Schwanz

Obwohl Ganztierverwertung ihren Ursprung in der traditionellen Hausschlachtung hat, ist sie nicht nur für Hofmetzgereien interessant. Auch für Fleischereien ohne Eigenschlachtung gibt es viele Ansätze dafür: "Letztendlich kann sich so das ganze Tier in der Theke wiederfinden", so der Metzgermeister Hermann Jakob während eines Praxisseminars im Rahmen des Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN).

Konkret ging es in der Veranstaltung um die Herausforderungen und Chancen der Ganztierverwertung. Generell gilt: Mit veredelten Fleischteilen und schmackhaften Wurstspezialitäten lässt sich der Mehrwert für die Kundschaft deutlich verbessern. Das gilt umso mehr für Teilstücke, die bei Verbraucherinnen und Verbrauchern kaum oder gar nicht gefragt sind: Innereien, Flomen, Blut und Fleischteile mit hohem Bindegewebsanteil, wie Kopf, Eisbein oder Füße. Ansprechend gewürzt können solche Produkte auch jene Kundinnen und Kunden überzeugen, die eigentlich für Sülze, Blutwurst, Griebenschmalz oder Leberpresssack wenig übrighaben. Hermann Jakob hat spezielle Rezepturen entwickelt, die ganz ohne Zusatzstoffe auskommen und daher auch für die Verarbeitung in Bio-Fleischereien geeignet sind. Von klassischen Gewürzen wie Muskat, Kümmel oder Majoran bis hin zu Nelken und Zitroneningwer – so ziemlich alle bekannten Gewürze bieten sich nach seinen Produkttests an. "Mit den Gewürzen kann man je nach regionalen oder individuellen Vorlieben der Kunden spielen", so Jakob. Nicht nur für Bio-Fleischereien sind die konservierenden oder farbgebenden Eigenschaften mancher Gewürze hilfreich. Dank ihrer ätherischen Öle verhindern beispielsweise Rosmarin und Oregano ebenso wie Salbei oder Thymian ein Ranzigwerden der Wurst.

Schwarten anstelle von Aspik

Wichtig ist es, Fleisch, Leber und Blut so schnell wie möglich zu verarbeiten. Insbesondere für Kochfleisch und Kochwurst ist die Verarbeitung am Schlachttag ideal: "Der unvergleichliche Hausmacher Geschmack ist nur auf diese Weise zu erreichen", erläutert der Bio-Fleischexperte Jakob. Das Verarbeiten von Teilstücken mit hohem Knorpel- und Schwartenanteil ist allerdings vergleichsweise aufwändig. So ist etwa beim Auslösen und Zerkleinern von Eisbein, Schweine-füßen oder Schwänzen viel Handarbeit gefragt. Einige Mühe bereitet es auch, die Schwarten und Füße gründlich zu reinigen und sorgfältig von Borsten zu befreien.

Aus dem Fleisch und den Schwarten von Schweinefüßen und Schwänzen lässt sich beispielsweise Topfsülze herstellen. Sülzwurst lässt sich ganz ohne Aspikpulver herstellen, vorausgesetzt das Material enthält genug Kollagen. Insofern bilden Schwarten und Fleisch von Eisbeinen, Schweinefüßen und Schwänzen (Mengenanteil 50 Prozent) die ideale Zutat für Sülzwurst, neben Schweinefleisch (20 Prozent Mengenanteil), Kochbrühe (30 Prozent Mengenanteil) sowie Gewürzen wie Pfefferkörnern, Pimentkörnern, Wacholder, Lorbeeren und Kümmelkörnern. Dabei kommt es darauf an, wie Hermann Jakob erläutert, die Einlagen lange genug weich zu kochen, noch heiß auszulösen und anschließend in die passende Form und Größe zu schneiden: magere Teile maximal 1 Zentimeter, Schwarten und Fett maximal 4 Millimeter. Anschließend die zerkleinerten Einlagen mit gehackten Karotten und Zwiebeln nochmals kochen und mit Weinessig und Zucker abschmecken.

Blutwurstschinken – eine Alternative zu Sülze

Zur Verwertung von Schwarten und Blut bietet sich außerdem Schinkenrotwurst an. Zudem kann die Fleischerei so auch weniger gefragte Fleischteile wie etwa Schweinebacken aufwerten. Hauptsache das Fleisch ist sehnenarm. "Wichtig ist es, das Blut schnell zu kühlen, am besten in einem flachen Metallgefäß und mittels etwas Bier den leicht sauren pH-Wert von Blut zu erhöhen", rät Herman Jakob. Gegen den bitteren Biergeschmack helfe der Zusatz von Honig oder Apfelstückchen. Damit die Wurst nicht muffig schmeckt, müsse man die Schwarten vorher gründlich reinigen. So funktioniert´s: Die Schwarten über Nacht in Salzlake einlegen, anschließend weichkochen und noch heiß zusammen mit Zwiebeln wolfen. Hinzu kommen Schweinebacken (10 Prozent) sowie Einlageschinken (50 Prozent). Beides, die vorher über Nacht gepökelten Backenwürfel und der ebenfalls gewürfelte Schinken, sind kochend heiß abzubrühen. Anschließend die Einlagen mit den gewolften Schwarten, Salz und Gewürzen vermengen und zuletzt das Blut und die Fleischbrühe dazu geben. Nach dem Füllen in eine viereckige Schinkenpressform wird die Schinkenrotwurst solange gebrüht, bis eine Kerntemperatur von 70 Grad Celsius erreicht ist.

Zutaten für feine Fonds

In einer Fleischerei, so die Beobachtung von Hermann Jakob, sind die Maschinen oft nicht ausgelastet. Was spricht also dagegen, Rinderknochen oder Schweineknochen über Nacht im Druckkochkessel auszukochen? Dazu braucht es als weitere Zutaten nicht mehr als Gemüse wie Möhren oder Petersilienstängeln sowie Gewürze und schon hat man einen tollen Fond, voller Aroma und ganz ohne Chemie, schwärmt der Bio-Fleischexperte Jakob. So ein Fond lässt sich problemlos einfrieren und sehr gut als Wurstzutat verwenden: Das Kollagen macht beispielsweise Leberwurst besonders streichfähig. Und natürlich ist ein feiner Rinder- oder Bratenfond auch für den Verkauf interessant, gerade in der gehobenen Küche sind Fonds aus natürlichen Zutaten unentbehrlich.


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Letzte Aktualisierung 22.04.2022

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