In der Tierhaltung wird über ein teilweise aggressiveres Verhalten der männlichen, nicht kastrierten Tiere gesprochen.
Weit verbreitet bezüglich Verarbeitung und Konsum ist die Meinung, dass Eberfleisch in jedem Fall "stinkt", also der von vielen Menschen als unangenehm empfundene Ebergeruch entsteht. Diese beiden Kritikpunkte können jedoch insbesondere durch die in den letzten Jahren gewonnenen Erkenntnisse in Haltung und Verarbeitung relativiert werden. Bei Zucht und Haltung gibt es einige Stellschrauben, mit denen eine Reduzierung des Ebergeruches erreicht werden kann. Zahlreiche Forschungsaktivitäten sind dazu im Gange, bereits angewendete und vielversprechende Ergebnisse sind beispielsweise in den Bereichen Rasseauswahl, Fütterung und Gruppenzusammensetzung vorzuweisen.
Bezüglich Schlachtung und Verarbeitung ist anhand zahlreicher erfolgreicher Praxisbeispiele dokumentiert, wie mit Eberfleisch in der Verarbeitung umgegangen werden kann. Viele Schlachtunternehmen in Deutschland verarbeiten bereits wöchentlich mehrere Zehntausend Eber. Zur Identifikation von Tieren mit Ebergeruch kann dabei ein dreistufiges Verfahren angesetzt werden. Speziell geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter untersuchen mittels ihrer Nase a) den Geruch in der kalten Bauchhöhle, b) den Geruch am erhitzten Fett, c) Kochproben als Nachkontrolle. Bei einer vorteilhaften Auswahl der Rassen fallen so nur etwa fünf Prozent geruchsbelastete Tiere an, deren weitere Verwertung als Rohwurst oder Trockenfleisch uneingeschränkt möglich ist.
Perspektiven für kleine und mittlere Verarbeitungsbetriebe
Für mittlere oder kleine Schlachtbetriebe und Verarbeitungsbetriebe kann die Erkennung und Verarbeitung von geruchsauffälligen Ebern eine größere Herausforderung sein, denn das Personal muss spezifisch auf die Erkennung geschult werden. In kleineren Strukturen lässt sich eine separate Verarbeitungslinie außerdem nicht ohne Weiteres einrichten. Eine Möglichkeit besteht im Vermischen von geruchsbelastetem Fleisch mit unauffälligem Fleisch zur Herstellung von Rohwurst, etwa in einem Verhältnis von eins zu zehn. Diese Rohwursterzeugnisse können zusätzlich geräuchert oder besonders gewürzt werden, um die Wahrnehmung des Ebergeruches zu verhindern. Somit können aus Eberfleisch hochwertige Spezialitäten hergestellt werden, die zudem auf eine besonders nachhaltige Erzeugung und Verarbeitung verweisen können.
Insbesondere jüngere Konsumentinnen und Konsumenten haben weniger Vorbehalte gegen Eberfleisch, so dass diese Zielgruppe besonders angesprochen werden sollte. Besonders für kleine Fleischereien ist der besondere Wert von Eberprodukten gut kommunizierbar, da hier eine intensivere Kommunikation mit den Kundinnen und Kunden möglich ist.
Die millionenfache Kastration von Ferkeln jedes Jahr kann ethisch durchaus kritisch hinterfragt werden. Gerade ökologisch wirtschaftende Betriebe haben mit der Haltung, Verarbeitung und Vermarktung von Eberprodukten eine gute Möglichkeit, das Tierwohl in den Vordergrund zu stellen. Denn gute Lebensbedingungen liegen vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern besonders am Herzen.
Forschung zu verringertem Ebergeruch bei der Verarbeitung
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Hochschule Anhalt entwickelten ein spezielles Verfahren zur Verarbeitung von Eberfleisch. Es besteht aus einer Kombination aus thermischer Behandlung, Gewürzen und Räuchern. Dadurch lässt sich unerwünschter Ebergeruch auch bei der Herstellung von Bio-Produkten überdecken. Zum Beispiel erwies sich bei der Herstellung von Hackfleisch- und Schweineschmalzkonserven das Erhitzen des Fleisches auf 120 Grad Celsius in Kombination mit Gewürzen wie Oregano, Rosmarin oder Salbei als erfolgreich. Bei den Versuchen zeigte sich allerdings auch, dass die getesteten Wurstproben beim kalten Verzehr weniger geruchsauffällig waren als beim warmen Verzehr.