Oekolandbau.de: Seit drei Jahren kooperieren Sie mit ProSpecieRara? Was hat Sie dazu bewogen?
Harald Rinklin: Saatgut ist eines der relevantesten Themen überhaupt in der Landwirtschaft, auch global gesehen. Da müssen wir unbedingt ran. Die Bedeutung von Saatgut für unsere Ernährungssouveränität wird meist unterschätzt. Wenn es etwa um Kükentöten geht, bekommt man viel mehr Öffentlichkeit. Das Schicksal der Küken weckt Emotionen, macht betroffen. Dagegen ist das Saatguthema sehr komplex und weniger emotional. Das Schöne an dem Projekt "Vielfalt schmeckt" ist, dass es nicht so ernst und rational daherkommt wie andere Saatgutinitiativen. ProSpecieRara verbindet das komplexe Saatgutthema mit Freude und Genuss. Der Spaßaspekt kommt nicht zu kurz.
Oekolandbau.de: Mit welchen Gemüsearten haben Sie begonnen?
Harald Rinklin: Gestartet sind wir unter anderem mit Gelbem Stielmangold, der Salatsorte "Maikönig", der Tomatensorte "Gelbe Ochsenherzen", Hirschhornsalat, der Paprikasorte "Roter Augsburger" und der Auberginensorte "Rotonda Bianca Sfumata di Rosa" sowie der Roten Bete-Sorte "Chioggia". Die rot-weiß gestreifte Knolle ist optisch besonders ansprechend. Der Vorteil bei Mangold ist, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher da nicht preissensibel sind, anders als etwa bei Möhren oder Tomaten.
Oekolandbau.de: Was für Erfahrungen haben Sie mit dem Projekt gemacht?
Harald Rinklin: Unsere Erfahrung ist, dass man die ungewohnten Gemüsesorten den Leuten gut vermitteln muss. Das haben wir zunächst verkannt. Eine runde Zucchini beispielsweise überfordert die Leute, weil sie das nicht kennen. Erst mit Rezepten und Online-Kochkursen hat es dann geklappt. Dagegen haben wir es nicht geschafft, die weißen Auberginen an den Mann zu bringen. Auch die Paprikasorte "Roter Augsburger" hat sich als nicht marktfähig entpuppt, der Ertrag war einfach zu gering. Der Anbau von Hirschhornsalat funktionierte dagegen gut. Das Vermarkten alter Sorten hat viel mit "Versuch und Irrtum" zu tun. Entscheidend kommt es darauf an, dass alle drei Säulen funktionieren: der Anbau, das Vermarkten und die Kundennachfrage.
Oekolandbau.de: Wie groß ist das Interesse des Naturkostfachhandels? Mussten Sie viel Überzeugungsarbeit leisten?
Harald Rinklin: Rund ein Viertel unserer Kundinnen und Kunden ist eingestiegen, kleine Bio-Läden ebenso wie Bio-Supermärkte. Zwei Lager haben wir ausgemacht: Für die einen ist das Gemüse super cool. Sie finden es toll, ein Produkt zu haben, zu dem sie eine Geschichte erzählen können. Bei den anderen Kundinnen und Kunden haben wir gemerkt, dass es nicht ihre Welt ist. Kurzum: Entweder man fängt Feuer und pusht das Ganze. Oder man lässt die Finger davon. Halbherzig geht nicht.
Oekolandbau.de: Wie ist die Akzeptanz bei den Endkundinnen und Endkunden? Wie hat sich der Verkauf seit dem Projektstart entwickelt?
Harald Rinklin: Alte Gemüsesorten sind kein Massenartikel, sondern in der Nische spannend. Allmählich merken wir aber, dass der Fanclub wächst. Wenn ein Ladner es geschafft hat, seine Kunden für diese Produkte zu gewinnen, bleiben die auch dabei und probieren auch gerne weitere Sorten.
Oekolandbau.de: Wie viele ProspecieRara-Sorten bieten Sie inzwischen an?
Harald Rinklin: Das schwankt natürlich saisonal – aber übers Jahr hinweg haben wir rund 15 Sorten, im Sommer natürlich deutlich mehr als im Winter. Die Kunst besteht darin, auch außerhalb der Saison mindestens eine Sorte anzubieten, damit das Sortenthema beim Kunden nicht in Vergessenheit gerät.
Oekolandbau.de: Wie groß ist der logistische Aufwand für Sie?
Harald Rinklin: Für uns ist der logistische Aufwand nicht größer, gerade was die Lkw-Logististik anbelangt. Was wir allerdings merken: Pro Lagerplatz wird weniger gedreht, der Absatz ist deutlich geringer als bei den Standardgemüsesorten.
Oekolandbau.de: "Gelbe Ochsenherzen" kosten etwa doppelt so viel wie Standardtomatensorten. Kompensiert der im Laden erzielte Mehrpreis den geringeren Ertrag?
Harald Rinklin: Jein, die Frage kann man nicht so genau beantworten. Je nach Sorte kann der Mehraufwand im Anbau höher sein als die am Markt erzielbaren Preise. Uns geht es bei dem Projekt aber nicht um einen möglichst hohen Ertrag. Wir wollen vor allem die Sache voranbringen. Insgesamt legen wir nicht drauf, auch wenn es bei manchen Kulturen in die Hose gegangen ist. Dafür finanzieren andere Kulturen die weniger gut laufenden Produkte quer.
Oekolandbau.de: Wie viele Gärtnerinnen und Gärtner bauen für Ihr Unternehmen alte Gemüsesorten an?
Harald Rinklin: Insgesamt haben wir fünf Erzeuger, die für uns die ProSpecieRara-Sorten anbauen. Einer davon hat seinen Betrieb im Elsass. Da der Anbau riskanter ist, setzen wir bei den alten Sorten auf altbewährte Anbaupartner.
Oekolandbau.de: Vor gut einem Jahr kam Bodan dazu. Wie läuft die Kooperation?
Harald Rinklin: Das ist eine schöne großhandelsübergreifende Zusammenarbeit. Wir haben gemerkt, dass wir zusammen mehr drehen können. Ich würde mich freuen, wenn noch mehr Öko-Großhändler aus anderen Teilen Deutschlands einsteigen würden.
Oekolandbau.de: Sollte sich der Bioland-Verband für den Erhalt der alten Gemüsesorten stark machen?
Harald Rinklin: Bioland sollte sich überlegen, die ökologische Züchtung bei Gemüse zu pushen, so wie es beim Huhn mit den ÖTZ-Rassen schon gemacht wird. Ich bin überzeugt, das Züchtungsthema wird uns als Bio-Bewegung die nächsten Jahrzehnte beschäftigen, um den Hauptbroterwerb der Landwirte und die globale Ernährung zu sichern. Alte Sorten eignen sich da sehr gut zum Zeigen und zum Erleben. Denn das Saatgutthema lässt sich eher am Beispiel von alten Sorten begreifen als anhand von Neuzüchtungen.