Regionale Wertschöpfung im Kleinstformat

De Öko-Melkburen: Regionale Wertschöpfung im Kleinstformat

Die Wertschöpfung der Milcherzeugung auf den landwirtschaftlichen Betrieben halten, dieses Ziel verfolgt Hans Möller mit seinem preisgekrönten Melkburen-Konzept. Das gelingt sogar im ganz kleinen Maßstab, auch dank der Unterstützung von Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Die letzte ihrer Art – Dieser Hinweis ist Teil des Logos der Meierei Horst im gleichnamigen Ort in Schleswig-Holstein. Das klingt, als stünde die winzige Molkerei kurz vor dem Aussterben. Doch das Gegenteil ist der Fall, die Meierei ist sehr lebendig. Und das verdankt sie den Bio-Landwirten Hans Möller, Achim Bock und Heino Dwinger. 

Dennoch ist der Slogan sehr treffend. Denn die Meierei Horst ist ein Unikum und das Gegenteil einer modernen Großmolkerei. Das historische Gebäude liegt mitten in der Gemeinde und hat im Innern den Charme der 1960er Jahre. Das gilt auch für Teile des Produktionsbereichs, in dem neben Frischmilch auch Butter, Joghurt, Quark und Créme Fraiche hergestellt werden.

Alle Produkte entstehen nach traditionellen Methoden. So wird die Frischmilch nicht homogenisiert und nur bei 72 Grad Celsius pastgeurisiert. Der Joghurt ist stichfest und reift im Glas. Aber vor allem ist die Meierei Horst eines: sehr, sehr klein. Nur 4,5 Millionen Kilogramm Milch werden hier pro Jahr verarbeitet, und das in getrennten Verarbeitungslinien. Etwa drei Viertel der verarbeiteten Milch ist konventionell, ein Viertel stammt von Bio-Betrieben.

Als die Molkerei im Jahr 2014 Insolvenz anmelden musste, ergriff Hans Möller mit seinen beiden Kollegen die Initiative. Die drei Milchviehhalter hatten sich bereits im Jahr 2011 zur Öko Melkburen GmbH zusammengeschlossen und ließen ihre Bio-Milch unter dem Label "Jahreszeitenmilch" in der Meierei Horst verarbeiten.

Eine Klausel im Liefervertrag räumte ihnen für den Fall einer Insolvenz ein Vorkaufsrecht ein. Und davon machten die Öko Melkburen nach längerer Überlegung Gebrauch, kauften die Molkerei und übernahmen die Geschäftsführung. Hans Möller: "Wir haben in der Übernahme die Chance gesehen, das zu tun, was wir schon vorher angestrebt haben: Möglichst viel Wertschöpfung auf den Höfen zu behalten und die Milch nach unseren Vorstellungen zu erzeugen und regional zu vermarkten."

Doch die Rettung der Meierei war ein Kraftakt. Denn für den Kauf und die Modernisierung der Produktionsanlagen wurde viel Geld benötigt, das die Banken nicht mehr bereitstellen wollten. Als rettender Anker erwies sich die Umwidmung der genossenschaftlich geführten Molkerei in eine sogenannte Konsum- und Liefergenossenschaft. Damit wurde auch Nicht-Landwirten der Eintritt in die Genossenschaft ermöglicht.

"Auf diese Weise konnten wir mithilfe der Regionalwert AG Hamburg engagierte Bürgerinnen und Bürger für die Meierei gewinnen", erklärt Möller. "Die haben das gleiche Mitspracherecht wie die Erzeugerbetriebe. Und vor allem können sie sich finanziell einbringen." Heute sind über 350 Verbraucherinnen und Verbraucher aus Schleswig-Holstein und Hamburg an der Meierei beteiligt und haben im Schnitt Anteile im Wert von etwa 1.000 Euro pro Person gekauft. Zudem gibt es laut Möller viele stille Beteiligungen und private Kreditgeber.

So gelang es, die Molkerei und 16 Arbeitsplätze trotz der winzigen Strukturen zu retten und wirtschaftlich zu stabilisieren. Die Übernahme der konventionellen Betriebe trug ebenfalls zur Stabilisierung der Molkerei bei, da die Traditionsmarke in der Region sehr bekannt und beliebt ist. Insgesamt beliefern heute sieben konventionelle und sechs Bio-Betriebe ihre Milch an die Meierei Horst.

Auch die konventionellen Betriebe arbeiten mit zusätzlichen Auflagen in der Erzeugung. Dazu gehören ein verpflichtender Weidegang im Sommer, gentechnikfreie Futtermittel und ein auf 30 Prozent begrenzter Anteil von Maissilage im Winter.

Die Bio-Betriebe erhalten einen Auszahlungspreis von 50 Cent pro Kilogramm angelieferter Milch, die konventionellen bekommen 35 Cent. Der Preis gilt unabhängig von der Marktentwicklung immer für ein Jahr, um den Betrieben möglichst viel Planungssicherheit zu geben. "Trotzdem streben wir natürlich mittelfristig höhere Preise an, da wir durch unsere anspruchsvollen Vorgaben in der Erzeugung und den kleinen Strukturen relativ hohe Kosten haben", sagt Möller.

Trotz der geringen Mengen hat die Bio-Milch der Öko Melkburen einen hohen Bekanntheitsgrad beim Handel und bei Verbraucherinnen und Verbrauchern. Das liegt am speziellen Vermarktungskonzept, das Hans Möller und seine Partner gemeinsam mit einer professionellen Agentur entwickelt haben, einschließlich der Gestaltung der Verpackung.

Da die Milch im Jahresverlauf durch die wechselnden Futtermittel immer etwas anders schmeckt, wurde sie kurzerhand zur "Jahreszeitenmilch". Die Verpackung ändert sich passend zur Jahreszeit alle drei Monate. Eine Marketingidee, die bis heute sehr gut ankommt und für viel Aufmerksamkeit sorgt.

Neben dem Bio-Großhandel gehören auch regionale Filialen des Lebensmitteleinzelhandels in Schleswig-Holstein und Hamburg zu den wichtigsten Abnehmern. Der Lebensmitteleinzelhandel schätzt die regionale Bio-Ware der Melkburen vor allem aus Imagegründen, glaubt Hans Möller. "Dennoch ist es schwierig, mehr Platz im Groß-Handel zu bekommen.“

Das liegt auch an den relativ hohen Preisen für die Horster Bio-Produkte. So kostet die Jahreszeitenmilch im Handel zwischen 1,80 und 2 Euro. "Aber wir haben unseren festen Platz gefunden", sagt Möller. "Es gibt eine Verbraucherschicht, die uns verlässlich nachfragt. Deshalb können wir sagen, dass zumindest ein Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht nur mehr Tierwohl und regionale Erzeugung fordert, sondern auch bereit ist, dafür mehr zu zahlen."

Nach der Rettung der Meierei Horst planen die Melkburen in einem nächsten Schritt, die Verarbeitungsmengen auf jährlich sechs bis sieben Millionen Kilogramm Milch zu steigern. "Die Kapazitäten in der Meierei sind ja da. Und es gibt genügend Bio-Betriebe, die Meierei Horst gerne beliefern würden", meint Möller. Auch er selbst möchte seine Herde auf 60 Tiere verdoppeln und einen Melkroboter einsetzen. Denn mit größeren Verarbeitungsmengen ließen sich die Kosten der Meierei senken und höhere Auszahlungspreise für die Betriebe realisieren.

Deshalb steckt Hans Möller viel Zeit und Arbeit in die Ausweitung der Vermarktungsmengen. So werden neben den Großabnehmern etwa 70 kleinere Abnehmer wie Kindergärten, Cafés und Restaurant direkt beliefert, vor allem im nahegelegenen Hamburg. Um den Kundenstamm zu erweitern und das Konzept der besonders tiergerechten Erzeugung und regionalen Wertschöpfung zu vermitteln, sind die Melkburen regelmäßig auf Märkten, Fach- und Verbraucher-Veranstaltungen präsent. "Das ist natürlich aufwändig. Dafür sind wir aber ganz nah an unseren Kunden dran und wissen sehr gut, was sie wollen", erklärt Möller.

Ein wichtiger Bestandteil des Konzepts ist die muttergebundene Kälberaufzucht, die bereits auf drei beteiligten Bio-Betrieben etabliert ist. Hier leistet Hans Möller mit den anderen Melkburen-Gründern Achim Bock und Heino Dwinger echte Pionierarbeit. Sie sind Mitgründer des Vereins Interessengemeinschaft kuhgebundene Kälberaufzucht, der sich bundesweit bereits etwa 100 Betriebe angeschlossen haben.

Im Laufe dieses Jahres soll es für die Milchverpackungen ein Logo mit dem Hinweis auf diese spezielle Aufzuchtform geben, in Anlehnung an die Bruderhahninitiative bei Eiern. Davon verspricht sich Hans Möller, dass der Mehraufwand in der Erzeugung in Zukunft angemessen honoriert wird. Besonders zuversichtlich stimmt ihn, dass sich neben Praxisbetrieben und Forschungseinrichtungen auch der Lebensmitteleinzelhandel an diesem Projekt beteiligt und es finanziell unterstützt.

Sieger beim Bundeswettbewerb Ökolandbau

Für ihr großes Engagement rund um den Erhalt einer regionalen Meierei, der aktiven Einbindung von Kundschaft in das Konzept und der Weiterentwicklung der muttergebundenen Kälberaufzucht sind die Öko Melkburen in diesem Jahr von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir als Sieger beim Bundeswettbewerb Ökolandbau ausgezeichnet worden.

"Das freut uns sehr", sagt Hans Möller. "Aber wir wissen natürlich, dass im schwierigen Milchmarkt weiterhin sehr viel Engagement gefragt ist, um mit unserem Konzept zu bestehen. Aber wir machen das alles sehr gern. Und unter dem Strich kann man sagen: Wir sind sehr glückliche Melkburen."


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Letzte Aktualisierung 12.09.2022

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