Teilmobile Schlachtung im Herkunftsbetrieb

Teilmobile Schlachtung im Herkunftsbetrieb

Tieren den Transportstress zum Schlachthof ersparen – der Wunsch vieler tierhaltender Betriebe war bisher meist mit hohen Auflagen und aufwendigen Anträgen verbunden. Eine Rechtserleichterung soll für mehr Klarheit sorgen und damit hofnahe Schlachtungen in der Praxis erleichtern.

Lange durften zum Verzehr bestimmte Rinder in Deutschland nur im Schlachthof getötet werden. Ausnahmen gab es lediglich für ganzjährig im Freien gehaltene Rinder. Der Wunsch vieler Landwirtinnen und Landwirte, ihre Tiere hofnah zu schlachten und ihnen damit den Stress während des Transports zum Schlachthof zu ersparen, wird durch die Rechtserleichterung vom September 2021 vereinfacht. Bei der teilmobilen Schlachtung werden Betäubung und Entblutung der Tiere in einer mobilen Einheit der Schlachtstätte, zum Beispiel in einem speziellen Schlacht-Anhänger, durchgeführt.

Bei der vollmobilen Schlachtung werden dagegen alle Teilschritte des Schlachtprozesses – also Betäubung, Entblutung, Enthäutung, Ausnehmen und Grobzerlegung – vor Ort mithilfe eines Trucks oder Trailers durchgeführt. Die mobilen Einheiten müssen entsprechend zertifiziert und zugelassen sein.

Weidetötung versus Hoftötung

Lea Trampenau, Expertin für innovative Schlachtsysteme, beschreibt die Unterschiede zwischen Weide- und Hoftötung genauer: "Bei der Weidetötung findet die Betäubung der Tiere mittels Kugelschuss auf der Weide statt. Diese Art der Schlachtung kommt bei ganzjährig im Freien gehaltenen Rindern zum Einsatz.

Die Hoftötung findet am Hof beziehungsweise im Stall statt, eine Kopffixierung ist dabei vorgeschrieben. Die Tiere werden per Bolzenschuss betäubt und vor Ort getötet. Die Schlachtmethode eignet sich für Rinder in saisonaler Stallhaltung sowie Kälber. 

In beiden Fällen werden die Tiere in hofnaher Umgebung betäubt und anschließend durch Blutentzug getötet. Das Tier muss nach der Betäubung innerhalb von 60 Sekunden in die Schlachtbox zum Ausbluten. Das Blut muss aufgefangen und das tote Tier danach zügig in der mobilen Schlachteinheit zum Schlachthof gebracht werden. Dort finden die weiteren Schritte wie Enthäuten, Ausnehmen und Zerlegen statt."

Stress beeinflusst die Fleischqualität

Dank der Schlachtung im Herkunftsbetrieb müssen die Tiere keine weiten Strecken transportiert werden und es wird auf unnötigen Stress verzichtet. Daraus resultiert auch eine höhere Fleischqualität. Die Tiere schütten weniger Adrenalin aus, wodurch weniger in den Muskelzellen gespeicherte Glukose in Energie umgewandelt und im Fleisch eingelagert wird. Für die Fleischreifung steht daher genügend Glykogen zur Verfügung, das Fleisch schmeckt zarter und aromatischer. Dank der höheren Qualität können Landwirtinnen und Landwirte auch höhere Preisspannen erzielen.  

Rechtserleichterung für hofnahe Schlachtungen seit 9/2021

Bisher lohnte sich für Landwirtinnen und Landwirte der bürokratische Mehraufwand für die-ses qualitativ hochwertige Fleisch trotzdem kaum. Um das zu ändern, trat im September 2021 das neu im EU-Hygienerecht eingeführte Kapitel VI a in Anhang III der Verordnung (EU) Nr. 853/2004 zur "Schlachtung im Haltungsbetrieb" in Kraft. Durch diese Rechtsänderung dürfen nun insbesondere Hausrinder und -schweine – unabhängig von der Haltungsform – unter Nutzung einer mobilen Schlachteinheit im Herkunftsbetrieb geschlachtet werden. 

Landwirtinnen und Landwirte sollten nach Kapitel VI a in Anhang III der VO (EU) Nr. 853/2004 folgende rechtliche Anforderungen beachten:     

  • Bis zu drei Hausrinder, Pferde, Esel oder sechs Schweine pro Schlachtvorgang im Herkunftsbetrieb sind erlaubt.    
  • Genehmigung der Schlachtung muss durch die zuständige Veterinärbehörde erfolgen.
  • Für die Antragsstellung müssen ein Antrag auf Genehmigung von Schlachtungen im Herkunftsbetrieb, eine schriftliche Vereinbarung zur Nutzung einer mobilen Schlachteinheit mit einem Schlachtbetrieb (Vereinbarung zwischen Herkunftsbetrieb und Schlachtbetrieb), eine Kopie der Prüfbescheinigung der mobilen Einheit oder Kopie des Antrags zur Prüfung der mobilen Einheit sowie die Schießerlaubnis des sachkundigen Schützen (nur bei Kugelschuss erforderlich) vorliegen.   
  • Schlachthof oder Eigentümerin beziehungsweise Eigentümer der zur Schlachtung bestimmten Tiere muss amtlichen Tierarzt oder amtliche Tierärztin mindestens drei Tage vor dem Datum der Schlachtung unterrichten.    
  • Anwesenheit von amtlichem Tierarzt oder Tierärztin ist notwendig.    
  • Eignungsprüfung zur hygienischen Handhabung der mobilen Einheit muss vorliegen.    
  • Entbluten außerhalb der mobilen Einheit ist möglich.    
  • Transport direkt nach Schlachtung zum Schlachthof ist erforderlich.    
  • Kühlung bei Transport erst nötig, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Schlachtung des ersten Tieres und dem Zeitpunkt der Ankunft der geschlachteten Tiere im Schlachthof mehr als zwei Stunden vergangen sind.    
  • Anmeldung der Ankunft der Tiere beim Schlachthof sowie Standarderklärung und Gesundheitsbescheinigung im Voraus ist nötig.

Tipps für die Praxis

Eine Handreichung der "Operationellen Gruppe Extrawurst" präsentiert die Ergebnisse eines europäischen Innovationsprojektes und fasst wichtige Leitlinien und Schulungsunterlagen für Landwirtinnen und Landwirte zusammen. Die Gruppe setzt sich aus Landwirtinnen und Landwirten, Metzgerinnen und Metzgern sowie der Forschung, Verbänden und Verwaltung zusammen. Ziel des Projekts war es, Lebendtransporte von Tieren zu vermeiden und erzeugende sowie verarbeitende Betriebe mit nötigen Hilfsmaterialien zu unterstützen, um ihnen eine rechtssichere Einführung in die teilmobile Schlachtung zu ermöglichen. Die Leitlinie (PDF-Dokument) sowie das Handout (PDF-Dokument) sind bereits online zu finden. 

Leitfäden teilmobile Schlachtung

Einige Bundesländer haben Leitfäden entwickelt für die Durchführung und Beantragung teilmobiler Schlachtung. Der "Verband der Landwirte mit handwerklicher Fleischverarbeitung" hat diese auf seiner Webseite zusammengestellt:

Zu den Leitfäden

Chancen und Herausforderungen 

Für tierhaltende Betriebe bietet die teilmobile Schlachtung im Vergleich zur herkömmlichen Schlachtung bedeutende Vorteile. Sie erspart Tieren nicht nur einen langen, anstrengenden Transport, sondern ermöglicht ihnen eine stressärmere Tötung. Die Tiere sterben auf dem Hof oder auf der Weide in bekannter Umgebung und mit Kontakt zum Herdenverband, was zudem auch eine bessere Fleischqualität zur Folge hat. Durch die Zusammenarbeit mit regionalen Schlachtbetrieben oder Metzgereien und die hohe Qualität können bessere Fleischpreise erzielt werden. Damit kann der Mehraufwand von circa 1,5 bis 2 Euro/Kilogramm (ohne Arbeitskosten), der bei der teilmobilen Schlachtung anfällt, finanziell weitergegeben werden. Immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten sind außerdem dazu bereit, für ethisch wertvolle und nachhaltige Produkte höherer Preise zu zahlen, wenn die Besonderheiten des Fleisches entsprechend an die Kundschaft kommuniziert werden. 

Berücksichtigt muss nach Lea Trampenau trotzdem die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens. Die verpflichtende Anwesenheit einer Tierärztin oder eines Tierarztes stellt einen erheblichen Kostenfaktor dar. Vor allem zu Beginn fällt ein höherer Zeitaufwand für die Schlachtung an. Haben sich die Abläufe später eingespielt, lässt sich der zeitliche Mehraufwand auf 15 bis 20 Minuten begrenzen. 

Auf einer Veranstaltung des Netzwerks "Fokus Tierwohl" rät Trampenau den Teilnehmenden außerdem: "Trauen Sie sich, den Preis zu erhöhen und vermarkten Sie den ethischen Mehrwert und einen geschlossenen Betriebskreislauf mit an ihre Kunden." Die hohen Investitionskosten einer mobilen Schlachteinheit können außerdem durch Kooperationen mit weiteren Landwirtinnen und Landwirten als gemeinsame Anschaffung aufgeteilt werden. 

Aus der Praxis

Die Weideschuss.Bio GmbH baut ihre Philosophie auf drei Prämissen: Ethisch korrekte Tötung der Rinder, regionale Partner und Wertschöpfungsketten sowie exklusive und hochqualitative Bio-Lebensmittel zu einem fairen Preis. Dank Tötung per Weideschuss kann BIOSpitzenkoch Alfred Fahr das aromatische, zarte Fleisch zu hochwertigen, küchenfertigen Gerichten verarbeiten. "Durch die Schlachtung auf der Weide kann ich meiner Verantwortung als tierwohl-orientiert arbeitender Landwirt nachkommen und das Tier bis zum Schluss begleiten. Es stirbt angst- und stressfreier, was man auch bei der hohen Fleischqualität merkt. Das macht sich dann natürlich auch preislich bezahlt", so Franz Berchtold, der auf seiner Weide Kälber hält und an die Weideschuss.Bio GmbH zur Weiterverarbeitung liefert.


Video zum Projekt "Innovative Schlachtverfahren"


Letzte Aktualisierung 01.03.2023

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