Artgerechte Tierhaltung - Tools zur Erfassung von Tierwohl

Tools zur Erfassung des Tierwohls

Lange Zeit orientierte man sich in Sachen artgerechte Tierhaltung meist nur an Kriterien für Stallbau und Herdenmanagement. Eindeutige Rückschlüsse auf das Tierwohl lassen sich aber nicht allein durch das verfügbare Platzangebot, die Bodenausführung oder beispielsweise den Verzicht auf Schnabelkupieren schließen. Um ein genaues Bild über den Gesundheitszustand und das Wohlbefinden der Nutztiere zu erhalten, ist eine genaue Beobachtung und Beurteilung der Tiere und ihres Verhaltens notwendig. Mit einer systematischen Erfassung und einer langfristigen Qualitätssicherung über die tägliche Kontrolle hinaus tun sich Tierhalterinnen und -halter aber häufig schwer. Tierbezogene Indikatoren helfen hier weiter. Mit ihnen werden der Gesundheitszustand und das Verhalten der Tiere bewertet. Verschiedene Tools geben dabei praktische Hilfestellung.

KTBL-Leitfäden für verschiedene Tierarten

Das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft eV (KTBL) stellt in drei Leitfäden für die Produktionsrichtungen Rind, Schwein und Geflügel tierbezogene Indikatoren bereit, die von Expertinnen und Experten erarbeitet wurden. Die im Herbst 2020 aktualisierten Leitfäden können über die Website des KTBL bezogen werden. Jeder Leitfaden besteht aus einem Ablaufschema, das beschreibt, wann und wo die jeweiligen Indikatoren erhoben werden. Zu jedem Indikator gibt es Steckbriefe, die neben einer kurzen Erläuterung jeweils eine Foto-Klassifikationstabelle bzw. Rechenformel sowie Hinweise zur Erhebung enthalten. Neben den Leitfäden stellt das KTBL eine kostenlose Excel-Anwendung zur Verfügung, die den Tierhalterinnen und Tierhaltern die Erhebung der Tierwohldaten erleichtert.

Eigenkontrolle Tiergerechtheit - Tierwohldaten interpretieren

Damit Tierhalterinnen und Tierhalter die erhobenen Tierwohldaten besser einordnen und interpretieren können, wurden im Projekt "Eigenkontrolle Tiergerechtheit (EiKoTiGer)" sogenannte Ziel- und Alarmwerte entwickelt. An dem Projekt waren das KTBL, das Friedrich-Loeffler-Institut, das Thünen-Institut und die Universität Kassel beteiligt. Mit diesen Werten lassen sich für jeden Indikator einschätzen, ob sich die Situation auf dem eigenen Betrieb im ꞌgrünen Bereichꞌ befindet oder ob kurz- oder mittelfristig Handlungsbedarf besteht. Die Ziel- und Alarmwerte für die Tiergruppe Rinder, Schweine und Geflügel können auf der Webseite des KTBL heruntergeladen werden.

MTool: Unterstützung zur Verbesserung der Tiergesundheit bei Geflügel

Das ManagementTool (MTool) bietet bei der Haltung von Aufzucht- und Legehennen eine praktische Unterstützung zur Verbesserung der Tiergesundheit. Das Tool wurde im Rahmen der Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) Tierschutz entwickelt. Die systematische Erfassung von möglichen Schwachstellen und Problemen im Betrieb orientiert sich an tierbezogenen Indikatoren. So werden unter anderem der allgemeine Gesundheitszustand, das Gewicht, die Legeleistung und Verluste erfasst und mittels drei Beurteilungsstufen (0 bis 2) bewertet. Ein Handbuch bietet weitreichende Hintergrundinformationen zur Vorgehensweise, den möglichen Ursachen der Probleme und liefert konkrete Handlungsempfehlungen. Für die Tierbeurteilung im Stall können sich Tierhalterinnen und –halter an den Stallkarten orientieren. Dort sind zur leichteren Beurteilung Beispielbilder abgebildet. Die Videoanleitung zur Anwendung des MTools bietet hilfreiche Einblicke zur richtigen Vorgehensweise bei der Erfassung.


Film ab: Tierwohl in der Legehennenhaltung: Videoanleitung zur Anwendung des MTools


Die Daten werden in Excel-Vorlagen erfasst, welche die Ergebnisse in Tabellen und Grafiken aufbereiten. Zur Erfassung steht eine Android-App zur Verfügung. Die Daten können aber auch schriftlich in die Vorlagen übertragen werden. Auf Grundlage dieser Beurteilungen zeigt ein Ampelsystem den Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern ob und in welchen Bereichen Handlungsbedarf besteht.

Tools für Milchviehbetriebe

Es gibt auch Tools, die sich speziell auf den Milchviehbereich beziehen. Zu nennen wäre hier zum einen Q-Check – Tierwohl in der Milchviehhaltung, das über das Innovationsprogramm des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert wird. Außerdem gibt es die App „Tierwohl-Check SH“ aus Schleswig-Holstein und die App „Q-Wohl“ aus Baden-Württemberg.

 

Tierwohl deutschlandweit messen und darstellen: Nationales Tierwohl-Monitoring

Im Rahmen der Nutztierstrategie des Bundes wurde 2019 das Projekt "Nationales Tierwohl-Monitoring" (NaTiMon) gestartet. Hier entwickeln Expertinnen und Experten ein Konzept, wie die Gesundheit und das Wohlbefinden landwirtschaftlicher Nutztiere indikatorgestützt gemessen, beurteilt und in geeigneter Weise in Form eines regelmäßigen Monitoring-Berichts auf nationaler Ebene dargestellt werden können. Mithilfe dieses flächendeckenden Monitorings erhofft man sich einen verlässlichen Überblick über die Gesamtsituation in Deutschland. Die Empfehlungen des Verbundprojekts werden für 2023 erwartet.

Tierwohl erfassen hat Vorteile für Betriebe

Alle Tools sind im Interesse einer nachhaltigen Nutztierhaltung eine sinnvolle Unterstützung im Herdenmanagement. Die Erfassung des Tierwohls mit Hilfe der Tools ist mit einem gewissen Mehraufwand verbunden. Wichtig ist, die zusätzliche Arbeit in den Betriebsablauf zu integrieren. Durch die systematische Erfassung wird die gesetzlich vorgeschriebene Eigenkontrolle gemäß Tierschutzgesetz § 11(8) erfüllt. Die tägliche Kontrolle und damit verbundene Sofortmaßnahmen beispielsweise bei Krankheiten werden dadurch nicht ersetzt.

Die zusätzliche Arbeit macht sich vor allem mittel- und langfristig bezahlt. Vorrangig soll sich das Tierwohl und damit verbunden das Herdenmanagement und der Ertrag verbessern. Für Bio-Betriebe dient die Dokumentation darüber hinaus als gute Vorbereitung für die jährliche Betriebskontrolle. Anhand der Daten kann die Tiergesundheit besser überwacht werden, sodass eventuelle Risiken und Probleme schneller erkannt und Verbesserungsmaßnahmen überprüft werden können. Zusätzlich lassen sich die erhobenen Daten leichter mit anderen Betrieben vergleichen und es besteht die Möglichkeit, der Öffentlichkeit darüber Einblicke in den Betriebsablauf und -zustand zu gewähren.


Letzte Aktualisierung 08.06.2022

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