Sortenvielfalt im Öko-Gartenbau

Bio-Gärtnerei engagiert sich für Sortenvielfalt im Gartenbau

Im Interview erklären Eva-Maria, Sonja und Christian Herb, weshalb der Erhalt alter Sorten so wichtig ist und vor welche Probleme das Saatgutverkehrsgesetz kleine familiengeführte Bio-Gärtnereien stellt.

Die Biogärtnerei Christian Herb existiert bereits seit fünf Generationen in Kempten, Bayern. Eva-Maria Herb wird sie bald in der sechsten Generation weiterführen. Seit mehr als 30 Jahren widmen sich die Herbs dem Erhalt gentechnikfreier, alter Sorten von Gemüse und Kräutern. So entstand eine Sammlung von über 1.500 Sorten Gemüse und über 500 Sorten Kräutern. Diese werden als Saatgut und Jungpflanzen direkt von der Biogärtnerei an Gartenmärkte in Süddeutschland und Tirol sowie über das Internet an Hobbygärtnerinnen und -gärtner verkauft.

Oekolandbau.de: Eva-Maria Herb, Sie sind mit sechs Mitstreiterinnen und Mitstreitern zu einem Bloggertreffen nach Straßburg gefahren und haben dort Marlene Mortler, Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, getroffen. Welches Anliegen haben Sie dort vorgetragen?

Eva-Maria Herb: Wir haben den Wegfall der Registrierungspflicht und die Saatguttestung im Rahmen des Saatgutverkehrsgesetzes bei Tomaten zur Erhaltung der Sortenvielfalt für landwirtschaftliche Familienbetriebe bei Amateursorten thematisiert. Dazu haben wir auch einen Offenen Brief an die Abgeordneten des Europäischen Parlaments formuliert.

Auszug aus dem Offenen Brief von Eva-Maria, Sonja und Christian Herb an die Abgeordneten des EU-Parlaments:

Unsere Biogärtnerei widmet sich dem Erhalt historischer Tomaten- und Gemüsesorten, die zum Teil seit Jahrhunderten existieren. Diese Sortenvielfalt ist nun bedroht, da die Kosten für die Registrierung, Probenabgabe, Saatgutmenge für Proben und Regulierung durch den Pflanzenpass der kleinen Partien dieser seltenen Sorten unerschwinglich sind.

Diese Sorten, die sich nicht für den Massenanbau und den Verkauf im Lebensmitteleinzelhandel eignen, sind ein wichtiges Erbe und tragen zur Biodiversität bei. Alte Sorten sind zudem pflegeextensiv und können sich durch fortlaufende Kultivierung dem Klimawandel anpassen.

Ich bitte Sie eindringlich, sich dafür einzusetzen, dass alte Sorten von Gemüse und Kräutern für den Verkauf an Privatpersonen von den vorgesehenen strengen Verwaltungsvorschriften und dem neuen Bürokratischen Aufwand  ausgenommen werden. Es ist entscheidend, dass diese wertvollen Sorten für alle Menschen zugänglich bleiben und somit unser gemeinsames Erbe geschützt wird.

Oekolandbau.de: Haben Sie eine Antwort auf Ihr Anliegen erhalten?

Eva-Maria Herb: Der mitgenommene Brief wurde mit Wohlwollen gelesen, kopiert und im Agrarausschuss des Europäischen Parlaments verteilt. Außerdem habe ich Kontaktdaten mit einer Mitarbeiterin von Frau Marlene Mortler ausgetauscht. Bisher gab es jedoch keine schriftliche Antwort auf das Schreiben.

Oekolandbau.de: Was sind "alte Sorten" und warum ist ihr Erhalt so wichtig?

Sonja Herb: Für uns sind "alte Sorten" Varietäten, die vor circa 1980 gezüchtet wurden, auf herkömmliche Weise. Das heißt: keine Gentechnik und keine Hybridtechnik. Die Vorteile liegen für uns in der regionalen Anpassung dieser Sorten. Sie sind unserer Erfahrung nach oft robuster, benötigen weniger Dünger und weniger Pflanzenschutz. Ganz wichtig ist außerdem, dass sie geschmacklich meist besser sind als neuere Züchtungen.

Oekolandbau.de: Welche "alten Sorten" bauen Sie in Ihrer Bio-Gärtnerei an?

Christian Herb: Wir haben uns vor allem auf eine große Vielfalt bei Tomaten, Paprika und Chili, Salaten und Bohnen spezialisiert, vermehren aber auch andere Gemüse- und Kräuterarten.

Oekolandbau.de: Welche Punkte an dem in Bearbeitung befindlichen Saatgutverkehrsgesetz müssten Ihrer Meinung nach geändert werden, um die Vielfalt alter Sorten zu erhalten?

Sonja Herb: Die alten Sorten eignen sich nicht für den Großanbau und Großhandel, weil sie zu weiche Schalen haben und wenig Transporteignung sowie eine uneinheitliche Sortierung aufweisen. Deshalb werden sie als Samen und Pflanzen nur im Einzelhandel verkauft. Die Partien sind also klein, deshalb ist eine Registrierung und Probenhinterlegung, die laut Saatgutverkehrsgesetz notwendig ist, ein sehr hoher bürokratischer, kostenintensiver Verwaltungsaufwand, der sich nicht finanzieren lässt. Wir wollen verhindern, dass die alten Sorten einfach so verschwinden.

Kontakt:

Biogärtnerei Herb

Heiligkreuzerstraße 70
87439 Kempten im Allgäu
Internet: www.bio-kraeuter.de


Letzte Aktualisierung 23.05.2024

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