Alte Sorten säen

Alte Sorten säen

Nicht nur bei den Wildpflanzen gibt es einen Artenschwund. Es wachsen auch immer weniger Kulturpflanzenarten und -sorten auf den Feldern und in unseren Gärten. Viele Initiativen versuchen diesen Trend aufzuhalten. Wir alle können mithelfen, in dem wir  beispielsweise seltene Gemüsesorten säen und vermehren.

Die Buschbohne Ascherslebener Meisterwerk, die Kartoffel Sieglinde, die Gartenmelde Butterkraut und andere alte essbare Pflanzenarten und -sorten machen sich in unseren Gärten rar. Allein 1.120 Gemüsesorten stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Nutzpflanzen in Deutschland. Insgesamt enthält sie 2.606 Einträge: von Arzneipflanzen über Getreide bis zu Zuckerrüben. Weltweit sieht es nicht besser aus, da wenige große Konzerne den Saatgut-Markt beherrschen und in der EU rechtliche Hürden den kommerziellen Anbau freier, regionaler Sorten beschränken.

Damit die Biodiversität nicht völlig verloren geht, lagern in der Genbank Gatersleben 150.000 Pflanzenproben. Nachhaltiger wäre es jedoch, das Saatgut durch regelmäßige Nutzung lebendig zu erhalten. Nur ausgesäte Pflanzen können sich immer wieder an die sich ändernden Klimaverhältnisse anpassen.

Viele Initiativen landauf, landab

Bundesweit engagieren sich viele Menschen ehrenamtlich für die Biodiversität. Der Verein für den Erhalt der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) e.V. hat seit seiner Gründung 1986 mehr als zweitausend traditionelle samenfeste Sorten beschrieben und gesichert. Darunter Gemüse, Heilpflanzen, Obst und Getreide. Das Saatgut samenfester – immer wieder nachbaufähiger – alter Sorten lässt sich in kleinen Mengen zur privaten Nutzung bestellen. Allerdings nicht beim Verein, sondern direkt bei den Menschen, die die jeweiligen Sorten erhalten. Der VEN bietet das Saatgut in einer gemeinsamen Saatgutliste an.

In Brandenburg ackert der VERN e.V. für die Vielfalt der Kulturpflanzen. In einem Schau- und Vermehrungsgarten in der Uckermark erhält der Verein eine Sammlung von Nutz- und Zierpflanzen mit mehr als 2.000 Herkünften. Verkäufliches Saat- und Pflanzgut können in einem Katalog nachgeschlagen werden.

Sorten finden, säen und betreuen

Die Initiative ProSpecieRara Deutschland versucht mit verschiedenen Projekten Nutzpflanzen von der Rote Liste zu bewahren: In Sachsen werden alte sächsische Gemüsesorten gemeinsam mit lokalen Gärtnereien wieder angebaut. In Süddeutschland lässt die Initiative alte Obst-, Gemüse- und Getreidesorten wieder verarbeiten und vermarkten.

Das Herzstück der Organisation ist eine kleine Samenbibliothek. Dafür werden laufend Erhalterinnen und Erhalter gesucht. Die bauen die seltenen Gemüsesorten oder Zierpflanzen in ihren Gärten an, ernten die Samen und schicken einen Teil davon an die Samenbibliothek zurück. Laien können in Kursen das dazu erforderliche Fachwissen erhalten. Ein Sortenfinder liefert ausführliche Informationen über 225 seltene Sorten und nennt potenzielle Saatgutanbieter.

Grüne Arche für Rote Listen

In Hannover hat der Bund für Umwelt und Naturschutz das Projekt Grüne Arche für Rote-Liste-Gemüsesorten gestartet. Gesucht sind Patinnen und Paten. Die sollen Saatgut von ausgewählten alten Gemüsesorten anbauen und vermehren. Näheres regelt eine Patenschaftserklärung.

In Hamburg kann man in einem Garten in Reitbrook samenfeste, teilweise ziemlich alte Tomatensorten retten. Der Verein Tomatenretter pflanzt und vermehrt 360 unterschiedliche Tomatensorten, um ihr Saatgut zu bewahren und dadurch ein frei zugängliches Saatgutarchiv für Hobbygärtnerinnen und Hobbygärtner im Hamburger Raum zu pflegen. Fördermitglieder erhalten im Winter Saatgut von vier Tomatensorten ihrer Wahl und im Sommer drei Kilo bunte Tomaten. Auch bei der Pflege und Ernte vor Ort sind in dem selbstorganisierten Projekt helfende Hände erwünscht.

Drei Fragen an Kaya Berger

Dreschflegel ist eine Gruppe von Menschen, die auf achtzehn Gärtnerhöfen biologische Saatgutvermehrung und -züchtung betreiben. Einer davon ist die Kornzept GbR in Südbaden. Betriebsleiterin Kaya Berger erklärt im Interview, worauf wir beim Saatgutkauf achten sollten.

Warum finden wir so wenig Saat- und Pflanzgut alter Sorten in den Gartenmärkten?

Kaya Berger: In Garten-, Bau- und Supermärkten dominiert für einen Massenmarkt produziertes Saatgut. Hierbei handelt es sich häufig um konventionelles Saatgut und/oder Bio-Saatgut, welches zu günstigen Preisen in Südeuropa einmalig unter Bio-Bedingungen hochvermehrt wurde. Man könnte sagen, dass es Parallelen zum Lebensmittelmarkt gibt: Einen guten, handwerklich hergestellten Käse findet auch niemand im Discounter.

Was macht die Kornzept GbR denn anders?

Kaya Berger: Wir können und wollen nicht in solchen Dimensionen Saatgut vermehren. Deshalb hat sich beispielsweise die Dreschflegel GbR einen eigenen Saatgutversand aufgebaut, um die Wertschöpfung möglichst in der eigenen gärtnerischen Hand zu behalten.

Dabei geht es uns nicht nur um sogenannte „alte Sorten“. Unsere Sorten passen sich der Erhaltungsarbeit und ihren aktuellen Bedingungen an und befinden sich in einem stetigen Wandel. Sie begleiten uns und wir sie in langjähriger biologischer Sortenentwicklung. Bei den Sorteneigenschaften legen wir Wert auf die Bedürfnisse von Haus- und Selbstversorgungs-Gärtnern und Gärtnerinnen. In Hobbygärtnertüten kommt kein Saatgut von Sorten, die eigentlich für den Erwerbsanbau gezüchtet wurden.

oekolandbau.de: Was können Hobbygärtnerinnen und Hobbygärtner tun?

Kaya Berger: Wer die Vielfalt erhalten will, sollte beim Kauf von Saatgut und Jungpflanzen darauf achten, dass das Saatgut samenfest ist: F1 hinter dem Sortennamen bedeutet, dass es sich bei diesem Saatgut um Hybriden handelt. Am besten ist es, direkt bei den die Vielfalt erhaltenden Saatgutvermehrern einzukaufen, auch wenn es mehr kostet. Denn handwerklich erzeugtes Saatgut kann nicht zum gleichen Preis angeboten werden wie industriell hergestelltes.

Außerdem kann die enorme Vielfalt unserer Nutzpflanzen nur in vielen, vielen Gärten erhalten werden. Wir freuen uns über alle, die nach und nach anfangen, Saatgut selbst zu vermehren und dieses auch zu tauschen. Für Neulinge und Fortgeschrittene in der Vermehrung gibt es bei Dreschflegel und zahlreichen anderen Organisationen Saatgutkurse.

Was heißt F1-Saatgut?

Bei F1-Sorten (Hybriden) werden zwei verschiedene Sorten miteinander gekreuzt. Die Nachkommen dieser sortenreinen Eltern haben in der ersten (F1) Generation alle die gleichen Eigenschaften, bringen meist gute Erträge. Aber das Saatgut dieser Hybrid-Pflanzen eignet sich nicht zur Nachzucht: die Pflanzen der nächsten Generation (F2) sind absolut unterschiedlich. Wenn wir also beispielsweise die Samen einer gelben, runden F1-Zucchini wieder aussäen, werden nur einige oder eventuell gar keine Zucchini mehr gelb und rund. So müssen wir unser Saatgut immer wieder neu kaufen. Nur samenfeste Sorten lassen sich immer wieder anbauen.

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Letzte Aktualisierung 04.04.2022

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