Im ökologischen Landbau ist der Einsatz von chemisch oder synthetischen Dünge- oder Pflanzenschutzmittel verboten. Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher fordern eine stärkere Reduktion von Pflanzenschutzmittelrückständen in Bio-Lebensmitteln. Als Antwort auf die Forderungen der Verbraucherinnen und Verbraucher enthalten die Artikel 28 und 29 der neuen Verordnung (EU) Nr. 2018/848, die am 1. Januar 2021 rechtswirksam wird, im Vergleich zu den aktuell gültigen EU-Rechtsvorschriften umfassendere Regulierungen. Zum einen sollen nicht zugelassene Erzeugnisse und Stoffe präventiv vermieden werden. Zum anderen gibt die Verordnung Maßnahmen zum richtigen Umgang bei Rückständen dieser Stoffe vor.
Aufgrund der parallel ausgeübten konventionellen und ökologischen Produktion ist eine Null-Toleranzgrenze in den meisten Ländern nicht realisierbar. In einigen Ländern wie Estland und Litauen ist sie dennoch vorgeschrieben. In aktuellen Projekten und Studien wird analysiert, welche Stärken und Schwächen in den unterschiedlichen Umgangsformen mit Rückstandsfunden der jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten liegen. Dies soll dazu beitragen, die unterschiedlichen Regulierungen innerhalb der EU zu vereinheitlichen und einen standarisierten Umgang mit Rückstandsfunden in den EU-Rechtsvorschriften für ökologische Lebensmittel festzulegen.
Eine Verordnung – viele Auslegungen
Aktuell legen einige EU-Mitgliedsstaaten zuzüglich zu der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 nationale Rechtsvorschriften fest. Darin wird dann geregelt, ab wann ein Rückstandsfund eine Rechtsverletzung ist und welche Verfahren im Falle eines solchen analytischen Befundes angestoßen werden müssen. Diese nationalen Rechtsvorschriften sind innerhalb Europas sehr unterschiedlich. Vertreterinnen und Vertreter des ökologischen Landbaus setzen sich seit Jahren für eine Harmonisierung dieser Vorgaben in der EU ein. Auch die europäische Kommission hat das Ziel eines einheitlichen Umgangs mit Rückständen, um einen freien Binnenmarkt in der Öko-Branche zu gewährleisten. In Deutschland gibt es zum Beispiel keine offiziellen Grenzwerte. Ob das Produkt im Falle eines Rückstandsfundes oder einer Kontamination als ökologisches Lebensmittel verkauft werden darf oder nicht, wird spezifisch von Fall zu Fall entschieden. Zusätzlich unterscheiden sich Maßnahmen und Sanktionen auf der Bundesländerebene.
Die IFOAM EU hat in einer internen Umfrage ihre Mitglieder zum Umgang mit Pflanzenschutzmittelrückständen im ökologischen Landbau befragt. Sie erhielten Antworten aus 23 Mitgliedsstaaten. Dabei bezieht sich ein Sechstel der Länder auf die jeweilige Nachweisgrenze ("limit of detection" - LOD). Ein weiteres Sechstel der Länder legt einen Grenzwert von 0,01 mg/kg fest, ein drittes Sechstel hat sogar eine Null-Toleranz-Grenze. Die andere Hälfte der Länder führt eine fallspezifische Bewertung durch.
Eine Studie vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) ergab ein ähnliches Bild. 25 EU-Mitgliedsstaaten wurden befragt, wann und bei welcher Rückstandshöhe der Bio-Status aberkannt wird oder andere Sanktionen erfolgen. Dabei wurde ermittelt, dass 8 der 25 Mitgliedsstaaten immer eine Aberkennung vornehmen, unabhängig von Rückstandsmenge und Ursache. 11 der befragten Mitgliedsstaaten gaben an, dass die Entscheidung fallspezifisch erfolgt. Hier wird analysiert, ob es sich um eine Kontamination, beispielsweise durch Abdrift von einer konventionellen Fläche, handelt oder um eine unbefugte Verwendung von Pflanzenschutzmitteln durch die Bio-Landwirt oder den Bio-Landwirt. Sechs Mitgliedsstaaten gaben an, dass der Bio-Status erst ab einer bestimmten Rückstandsmenge aberkannt wird.