Oekolandbau.de: Wie schätzen Sie denn das gesundheitliche Risiko solcher Rückstände ein?
Stähle: Es gibt eine offizielle Einschätzung zu MOSH und MOAH der EFSA (European Food Safety Authority) von 2012. Eine umfassende toxikologische Bewertung ist nicht abschließend verfügbar - das wird auch bei der Vielzahl der Verbindungen nie möglich sein. Man konzentriert sich in der Diskussion und bezüglich der Minimierungsstrategie auf bestimmte "Schlüsselstoffe", wie die Gruppe der aromatischen Mineralölkohlenwasserstoffe aus Mineralöl (MOAH), von denen aufgrund ihrer Struktur bekannt ist, dass einzelne Verbindungen in dieser Gruppe krebserregend sein können.
Oekolandbau.de: Gibt es bereits gesetzliche Regelungen dazu? Falls nicht, wie sollten diese Regelungen aus Ihrer Sicht aussehen?
Stähle: Es gibt den seit vier Jahren währenden Versuch, eine nationale "Mineralöl-Verordnung" zu schaffen. Derzeit liegt ein vierter Entwurf vor für eine Regelung, die den Übergang der oben zitierten MOAHs auf Lebensmittel aus recyclingfaserhaltigen Lebensmittel-Packstoffen verbieten soll.
Aus unserer Sicht zeigen die jüngsten Untersuchungen und Zahlen deutlich, dass es gelungen ist, das Problem erfolgreich zu behandeln, auch ohne Gesetzgeber. Die Wirtschaft ist bereit, mit den Organen der amtlichen Lebensmittelüberwachung ein geeignetes Konzept zur Weiterverfolgung der Minimierung abzustimmen und damit auch einen Beschluss der Verbraucherschutzministerkonferenz umzusetzen.
Eine einseitige deutsche Vorschrift im Alleingang würde zu ganz erheblichen Verwerfungen im europäischen und internationalen Handel mit Verpackungen und mit verpackten Lebensmitteln führen und wird aus diesem Grund von der Wirtschaft massiv kritisiert. Wenn die Bundesregierung Regulierungsbedarf sieht, dann kann dies nur auf europäischen Weg geschehen, der bereits mit Hilfe des eingeleiteten europäischen Monitorings geprüft werden soll.
Oekolandbau.de: Hersteller von Bio-Produkten wollen natürlich sowohl aus Nachhaltigkeits-, als auch aus Verbraucherschutzgründen möglichst keine Rückstände in Ihren Produkten haben, außerdem wird von Verbraucherinnen und Verbrauchern "Bio" häufig fälschlicherweise gleichgesetzt mit "Rückstandsfrei". Das macht Bio-Verarbeiter besonders angreifbar. Aber woher kommen die Rückstände der Mineralöle und lassen sie sich überhaupt bewusst vermeiden?
Stähle: Verbraucherschutz ist die oberste Prämisse für alle Lebensmittelhersteller. Wir brauchen eine sachliche Diskussion, die das Bild nicht weiter kolportiert, dass Lebensmittelunternehmer mit "Ölkännchen" die Verunreinigung ihrer Produkte zulassen. Es darf nicht weiter pauschal von "Mineralölrückständen" gesprochen werden, wenn es sich gar nicht darum handelt, sondern zum Beispiel um zulässige und unverzichtbare Stoffe mit ähnlicher Gestalt und damit um "Falsch-Befunde". Bekannte Eintragsquellen von Mineralölkontaminanten müssen selbstverständlich im Rahmen der Möglichkeiten und soweit vernünftig bearbeitet werden. Die Crux insbesondere für den Bio-Verarbeiter ist, dass die gebotenen Verpackungsalternativen zur Recyclingfaser, wie Frischfaser, Kunststoffe, Glas, Verbundmaterialien oder die vom Gesetzgeber vorgeschlagenen Barrierematerialien, kritischer zu bewerten sind im Hinblick auf die Nachhaltigkeit und Umweltrelevanz.
Oekolandbau.de: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Stähle.