Ganztierverwertung in der Restaurantküche

Ganze Tiere im Restaurant verwerten

Der Blick auf die Speisekarten von Restaurants oder Kantinen offenbart, wie wenig von einem geschlachteten Schwein, Rind, Lamm oder Hähnchen den Gästen aufgetischt wird. Koteletts, Schnitzel, Filets und Schenkel machen den Großteil der angebotenen Fleischkomponenten aus. Früher dagegen war es ganz normal, dass sämtliche Teilstücke von geschlachteten Schweinen oder Rindern mitsamt Innereien, Schnauze, Sehnen und Knochen im Kochtopf landeten. Und das aus gutem Grund: Fleisch war ein Luxusprodukt, das sich die meisten deutschen Haushalte nur einmal pro Woche leisten konnten. Heute dagegen ist Fleisch für alle Verbraucherinnen und Verbraucher erschwinglich. Für den menschlichen Verzehr werden laut dem Fleischatlas der Heinrich-Böll-Stiftung je nach Tierart höchstens 40 bis 55 Prozent des geschlachteten Tieres verwendet. Besonders gefragt sind die sogenannten Edelteile, die gerade mal ein Drittel der verwerteten Fleischteile ausmachen.

Von der Nase bis zum Schwanz

Was früher gang und gäbe war, versucht man heute wieder aufleben zu lassen. Mit der maximalen Verwertung von Tieren, sei es aus Respekt vor dem Lebewesen oder aus Lust auf neue Geschmackerlebnisse, können sich Restaurants profilieren. Und auch für das Klima ist es gut, wenn deutlich weniger, aber dafür qualitativ hochwertiges Biofleisch auf dem Teller landet. Wenn es gelingt, auch weniger gefragte Teilstücke in der Küche zu verwerten, müssen weniger Tiere geschlachtet werden und es entstehen weniger klimaschädliche Treibhausgase. Seinen Ursprung hat dieser Gedanke in England. "Von der Nase bis zum Schwanz" lautet der Slogan und Titel eines bereits 1999 erschienenen Kochbuches, mit dem der britische Koch Fergus Henderson diesen Trend ins Rollen gebracht hat. Mittlerweile gibt es auch in Deutschland wieder vermehrt Gastronominnen und Gastronomen, die darauf Wert legen und auf Basis von Kutteln, Niere oder Zunge traditionelle Gerichte zu neuem Leben erwecken oder ganz neue Gerichte kreieren.

Klassiker und innovative Gerichte

Einer davon ist Christopher Hinze, Berater und Kochtrainer aus dem Kreise der BIOSpitzenköche. Als eine ausgezeichnete Idee und Teil eines nachhaltigen Verpflegungskonzeptes sieht Hinze es an, nicht nur die Edelteile zu verwenden: "Für das Restaurant ist das ein Aushängeschild, ein super Qualitätsmerkmal. Denn für die Gäste ist klar, dass Kochkunst und enormes handwerkliches Können dahinter stecken." Seiner Erfahrung nach gibt es in einer Küche zahlreiche Prozesse, wo man problemlos alles unterbringen kann. Der pfiffige Koch findet für alles eine sinnvolle Verwendung: Für anfallende Knochen und Sehnen genauso wie für Gemüsereste wie Möhrenschalen oder Petersilienstengeln. Ohnehin ist es für Köchinnen und Köche mit hohem Qualitätsanspruch selbstverständlich, Fleischbrühen und Bratensaucen selber herzustellen und hier nicht auf Fertigprodukte zu setzen. Abgesehen davon bietet das Verwerten aller Teilstücke eine enorme Vielfalt an Gerichten, angefangen von Klassikern wie sauren Nieren und Ochsenschwanzragout bis hin zu Saumagen "Pfälzer Art" mit Zitronensoße und gebratenem Salat oder einer Feldsalat-Variation mit Entenleber, karamellisierten Feigen und Rhabarber. Darüber hinaus ist es denkbar, Hackfleisch oder Würste selber herzustellen – vorausgesetzt die Küche verfügt über einen Fleischwolf und Kutter und natürlich über entsprechend qualifiziertes Personal. "Letztendlich findet sich so das ganze Tier auf der Speisekarte wieder", bringt es Hinze auf den Punkt.

Von den Gästen geschätzt

Hinsichtlich der Akzeptanz der Gäste hat der Stuttgarter BIOSpitzenkoch keine Bedenken. "Wir haben es zwar vorher noch nie gegessen, aber es schmeckt ja richtig lecker", sei eine weit verbreitete Rückmeldung der Gäste. Innereien wie saure Nieren oder Herz seien zwar erfahrungsgemäß unter jüngeren Leuten eher ungewohnt. Aber es gebe immer wieder Fans, die extra deswegen kommen würden. Ungeachtet dessen sieht Christopher Hinze es als Pflicht der Köchinnen und Köche an, die Gäste ein Stück weit zu sensibilisieren und den vermeintlich unedlen Produkten zu neuer Wertschätzung zu verhelfen. Auch für Rainer Hensen, Inhaber des Restaurants Burgstuben-Residenz in Heinsberg, ist dies ein wichtiges Anliegen. In Form von Amuse-Gueules serviert der Heinsberger BIOSpitzenkoch seinen Gästen frittierte Kalbskopf-Sülze oder schmackhafte Rillettes, zubereitet aus den verschiedensten Teilstücken. Und auch durch das Verfeinern mit edlen Zutaten, etwa Kalbskutteln mit Champagnersauce oder Trüffeln, lässt sich die anfängliche Hemmschwelle der Gäste abbauen.

Günstig im Preis

Die Verwertung aller Teilstücke ist zwar anspruchsvoll und erfordert handwerkliches Können, Kreativität und Flexibilität. Dafür ist es in finanzieller Hinsicht sehr viel interessanter, halbe oder Viertel Schlachtkörper zu beziehen statt einzelner Teilstücke. "Wer ein halbes Biorind direkt vom Erzeuger abnimmt, bekommt es bereits zu einem Kilopreis ab 5 Euro", weiß Christopher Hinze aus eigener Erfahrung. Wichtig sei eine zuverlässige Quelle, ergänzt Rainer Hensen: "Man muss sich darauf verlassen können, alles knackfrisch zu bekommen und dass die Tiere vernünftig aufgewachsen sind. Wichtig sei es auch, rechtzeitig zu bestellen und mit seinem Metzger genau abzusprechen, wie man es haben will, so Henning Niemann, Berater vom Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachen. Für Köche ist es ist nicht praktikabel, ganze Schweine oder Rinder zu beziehen und selber zu zerlegen. Daher rät er Restaurants, vorzerlegte Ware zu bestellen: "Man kriegt alles, die Beschaffung ist nicht das Problem, wenn genug Vorlaufzeit da ist."


Letzte Aktualisierung 10.03.2023

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