Bio-Anteil und Ernährungsbildung in Ausschreibungen zur Schulverpflegung

Bio-Anteil und Ernährungsbildung in Ausschreibungen zur Schulverpflegung

Das Modell der Stadt Freiburg im Breisgau für Ausschreibungen zur Schulverpflegung hat sich bewährt. Die Stadt fordert unter anderem einen Bio-Anteil von mindestens 30 Prozent. Über Vorgaben zur Ernährungsbildung kommt auch das Thema Regionalität ins Vergabeverfahren.

Die Stadt Freiburg im Breisgau ist Trägerin für 65 Schulen, davon 30 Grundschulen. Drei Catering-Unternehmen liefern aktuell zusammen rund 2.000 Mittagessen pro Tag. Dabei werden nach einem Gemeinderatsbeschluss seit Herbst 2023 eine ganze Reihe von Qualitätskriterien umgesetzt.

Kriterien für die Ausschreibung von Schulverpflegung:

  • DGE-Qualitätsstandards,
  • Bio-Anteil: mindestens 30 % gemessen am monetären Wareneinsatz,
  • Bio-Fokus auf Sättigungsbeilagen, Obst und Gemüse,
  • Bei Obst und Gemüse: Berücksichtigung von saisonalem Angebot,
  • Verzicht auf Flugwaren,
  • Verwendung fair gehandelter Lebensmittel bei Kaffee, Tee, Schokolade und Reis sowie bei Zucker aus Nicht-EU-Ländern,
  • Eier und Ei-Produkte stammen aus Betrieben mit Freilandhaltung bzw. Bio-Betrieben,
  • Seefisch kommt aus bestandserhaltender Fischerei, Nachweis durch das Gütezeichen MSC oder das ASC-Zeichen.

An den Grundschulen gibt es jeden Tag ein vegetarisches Gericht, an den weiterführenden Schulen werden parallel zwei Menüs angeboten. Eines davon ist immer vegetarisch, das andere an zwei Tagen mit Fleisch oder Fisch, die übrigen drei Tage auch vegetarisch. Wie kam dieser pflanzenbetonte Speiseplan bei den Schülerinnen und Schülern sowie den Eltern an? Haben die Catering-Unternehmen Probleme mit der Beschaffung der Bio-Produkte? Und wie wurde die Ernährungsbildung im Vergabeverfahren verankert?

Wir wollten das Modell der Stadt Freiburg bei Ausschreibungen zur Schulverpflegung näher kennenlernen und haben dazu Kerstin Siebenmorgen befragt. Die Ökotrophologin ist seit 2020 beim Amt für Schule und Bildung für die Schulverpflegung und Ernährungsbildung zuständig.

Oekolandbau.de: Wie kommt vor allem das vegetarische Speiseangebot in den Grundschulen an?

Siebenmorgen: Am Anfang gab es dazu natürlich auch kritische Stimmen, vor allem von Eltern, weniger von den Kindern. Wir befinden uns da noch in einem Prozess der Umgewöhnung. Denn die Catering-Unternehmen mussten ja neue Produkte – wie beispielsweise Kichererbsen – in den Speiseplan aufnehmen und neue Rezepturen für attraktive vegetarische Gerichte entwickeln. Bis sich das alles einspielt, braucht es seine Zeit. Um die Speiseplanung im Hinblick auf die Akzeptanz zu optimieren, setzen wir zweimal im Schuljahr ein Feedback-System mit Smilies ein, mit dem die Schülerinnen und Schüler Gerichte bewerten können.

Die Kinder freuen sich, dass sie ein Feedback geben dürfen. Sie sind motiviert etwas zu probieren, dass sie sonst nicht essen würden, nur um eine Rückmeldung geben zu können. Die Ergebnisse werden im Rahmen eines Qualitätszirkels an den Schulen genutzt, um gemeinsam ins Gespräch zu kommen und Lösungen für unbeliebte Komponenten zu finden.

Oekolandbau.de: Gibt es bei den Catering-Unternehmen Probleme mit der Beschaffung der Bio-Produkte?

Siebenmorgen: Soweit ich weiß, gibt es im Bereich der Frischwaren weniger Schwierigkeiten als bei den abgepackten Produkten. Bei Bio-Molkereiprodukten wurde beispielsweise ein Mangel an Großgebinden beklagt. Das ist in der Gemeinschaftsverpflegung natürlich schwierig, weil viele Ein-Liter-Milchpackungen zu öffnen nicht nur extrem viel Zeit kostet, sondern auch viel Verpackungsmüll bedeutet und zudem teurer im Einkauf ist.

Oekolandbau.de: Wie funktioniert die Qualitätssicherung in Bezug auf die gewünschten Bio-Anteile?

Siebenmorgen: Wir als Stadt überprüfen den Bio-Einsatz stichprobenartig an Hand von Einkaufsbelegen. Die Qualitätssicherung basiert auf Vertrauen und einer guten Zusammenarbeit mit den Caterern. So wollen wir es auch gerne fortführen. Aber natürlich schauen wir nach links und rechts und tauschen uns zur Vergabepraxis mit Ämtern anderer Kommunen aus. So erhalten wir neue Impulse, welche Vorgehensweisen sinnvoll und praktikabel sein könnten.

Oekolandbau.de: Was waren für Sie die Hauptziele, die Ernährungsbildung mit in den Katalog der Anforderungen für die Bieter zu nehmen?

Siebenmorgen: Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz fordert in seinem aktuellen Gutachten, dass die Verpflegung ein Teil des pädagogischen Gesamtkonzept von Kitas und Schulen sein muss.

Uns geht es konkret darum, den Kindern nahe zu bringen, woher die Lebensmittel kommen und letztlich die Akzeptanz für die Mittagsverpflegung zu steigern. Und das geschieht natürlich am besten, wenn die Kinder ganz konkret erfahren, von welchen Betrieben in der Region die Catering-Unternehmen ihr Gemüse und Obst einkaufen.

Was Caterer liefern müssen

Zur Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit müssen die bietenden Catering-Unternehmen ein Konzept einreichen mit Angaben zu folgenden Bereichen:

  • Verpflegungskonzept: mit Angaben zum gesundheitsfördernden, nachhaltigen und geschmackvollen Speiseangebot sowie zu Maßnahmen zur Reduktion von Lebensmittelabfällen.
  • Qualitätsmanagement: mit Angaben zur Steigerung der Akzeptanz, zur Kommunikation mit den GV-Einrichtungen und zum Beschwerdemanagement.
  • Personal: mit Angaben zur Personalauswahl, Weiterbildungsangeboten und zur Kontinuität bei personellen Wechseln.
  • Ernährungsbildung und regionale Herkunft: Nennung von Lieferanten, die im Rahmen eines Tages- oder Halbtagesausfluges von Schulgruppen besucht werden können.

Oekolandbau.de: Wie genau hat die Stadt Freiburg die Ernährungsbildung im Vergabeverfahren verankert?

Siebenmorgen: Jeder Caterer muss die Schulen, die er beliefert, mit 20 Stunden pro Schule und Schuljahr bei der Ernährungsbildung unterstützen. Konkret heißt das: Das Catering-Unternehmen benennt landwirtschaftliche Betriebe aus der Region, von denen es Produkte bezieht und die sich für halb- oder ganztägige Besuche von Schulklassen eignen. Alternativ können die Kinder auch den Caterer in seiner Großküche besuchen oder ihn zu einem Kochkurs in die Schulküche einladen. Die Kinder sollen so erfahren, woher die Lebensmittel auf dem Teller der Schulmensa kommen, von wem und wie die Gerichte zubereitet werden und wie regionale Wertschöpfungsketten funktionieren.

Bei den Kindern und Jugendlichen kommen diese Hofbesuche meist sehr gut an. Praktisch organisiert werden sie in der Regel von der jeweiligen Schulkindbetreuung, vorwiegend im Rahmen der Ferienbetreuung.

Oekolandbau.de: Also nicht von den Lehrkräften?

Siebenmorgen: Aus unserer Sicht könnten das gerne auch Lehrerinnen und Lehrer organisieren und die Chance nutzen, um so die Themen Landwirtschaft und Ernährung in ihren Unterricht einzubauen. An manchen Schulen funktioniert das auch, an anderen jedoch weniger gut. Das kann an einer mangelnden Kommunikation zwischen der Schulkindbetreuung und den Lehrkräften liegen, am Zeitaufwand für die Organisation oder an anderen Gründen. So genau wissen wir das im Einzelfall nicht.

Oekolandbau.de: Führt die Integration der Ernährungsbildung in das Vergabeverfahren dazu, dass sich automatisch nur regionaler Catering-Unternehmen bewerben?

Siebenmorgen: Tatsächlich können sich auch Catering-Unternehmen aus anderen Bundesländern für so einen Auftrag bewerben, wenn sie eine entsprechende Kooperation mit landwirtschaftlichen Betrieben in der Region vorweisen können. Das Verfahren schließt also niemanden aufgrund der Lage des Betriebes aus. Aber aktuell stammen alle drei Caterer für die Schulverpflegung aus dem Raum Freiburg.

Oekolandbau.de: Welche Empfehlungen können Sie anderen Kommunen geben, die über Ausschreibungen das Speiseangebot an Schulen nachhaltiger gestalten wollen?

Siebenmorgen: Nach unseren Erfahrungen ist Vernetzung der goldene Schlüssel für den Erfolg. Noch vor Beginn eines Vergabeverfahren macht es Sinn, mit Catering-Unternehmen Markterkundungsgespräche zu führen. Was können diese in Sachen Bio und bei der Ernährungsbildung leisten?

Dieser Austausch, diese Gespräche sind sehr wichtig. Wir haben uns deshalb von Anfang an um eine Kommunikation auf Augenhöhe mit den Caterern bemüht.

Oekolandbau.de: Das heißt: Die Caterer bestimmen, was geht…?

Siebenmorgen: Nein, so kann man das nicht sagen. Wir hören uns die Sichtweise der Caterer an, aber setzen die Messlatte dann etwas höher. Am Ende geht es darum, eine Balance zwischen ambitionierten und realistischen Zielen zu finden. Im weiteren Prozess lassen wir niemanden allein. Wir begleiten die Catering-Unternehmen und die Schulen bei der Umsetzung, lassen auch mal Zeit zum Wachsen, organisieren Netzwerktreffen und führen auch bilaterale Feedback-Gespräche sowie Qualitätszirkel mit allen Beteiligten an den Schulen.

Text: Andreas Greiner, Ökonsult


Letzte Aktualisierung 03.02.2025

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