Frischküchen in kommunaler Eigenregie

Frischküchen in kommunaler Eigenregie – ein Beispiel aus Österreich

In der Schul- und Kita-Verpflegung dominieren heute Verpflegungskonzepte mit Catering. Aber muss das so sein? Neun Gemeinden im Vorderen Bregenzer Wald (Österreich) betreiben in kommunaler Eigenregie drei neue Frischküchen nach selbstgesteckten Qualitätszielen.

Bereits 2019 widmete sich die österreichische Energieregion Vorderwald der Frage, inwieweit ihre neun Gemeinden darauf Einfluss nehmen können, dass in der Region vermehrt vor Ort erzeugte Lebensmittel auf die Teller kommen. Schnell wurde klar, dass die Gemeinschaftsverpflegung dabei eine wichtige Rolle spielen kann. Aber die bis dahin gefundenen Lösungen waren nicht befriedigend.

In der Planungs- und Umsetzungsphase des Bauprojekts "Schulen Hittisau" (2020-2024) stand die Frage nach dem besten Verpflegungskonzept ganz akut im Raum. Ursprünglich war nur eine Aufwärmküche vorgesehen. Aber dann kam es anders. Die Gemeinden vor Ort entschieden sich dafür, Küchen in kommunaler Eigenregie aufzubauen. In Hittisau wurde zuerst eine selbstgeführte Frischeküche entwickelt. Die Gemeinde Doren schloss sich der LOKAL Gemeinschaft zeitgleich an, Lingenau folgte später.

Was ist der Unterschied zwischen einer Frisch- und einer Mischküche?

In einer Frischküche werden tägliche frische Lebensmittel verarbeitet und sofort an die Tischgäste ausgegeben. Dabei kommen keine vorgefertigten Produkte zum Einsatz. Das fertige Gericht wird sofort nach der Zubereitung an die Tischgäste serviert.

Bei einer Mischküche oder Mischverpflegung werden die Mahlzeiten täglich vor Ort unter Verwendung von frischen und vorgefertigten Produkten (Convenience) zubereitet. Wichtig für dieses Verpflegungssystem ist eine dafür vollständig ausgestattete Küche. Nur so können die Küchenkräfte alle Prozessstufen vom Einkauf über die Vor- und Zubereitung bis hin zu Ausgabe selbst bewältigen. In der Schul- und Kita-Verpflegung dominieren deshalb heute Verpflegungskonzepte mit Catering.

Wie funktionieren Küchen in kommunaler Eigenregie?

In dem hier vorgestellten Beispiel handelt es sich um Frischküchen in kommunaler Eigenbewirtschaftung. Bei diesem Modell betreibt eine Stadt oder Gemeinde eine Großküche in Eigenregie, um die Verpflegung mehrerer Einrichtungen, wie zum Beispiel Kitas oder Schulen, zu organisieren.  Die Kommunen können so möglichst selbstbestimmt darüber entscheiden, welche Qualität beim Mittagessen auf den Teller kommt. Ein Catering-Unternehmen ist hier nicht involviert. In anderen Ländern wie beispielsweise Italien oder Frankreich sind solche Modelle verbreitet.

Ein weiteres Beispiel für eine Küche in kommunaler Eigenregie in Deutschland ist die Stadt Stuttgart: Dort liegt die Verpflegung aller städtischen Kitas in der Hand der Landeshauptstadt.

Frischküchen im Vorarlberg

Um Details zu diesem Konzept mit Frischküchen zu erfahren, sprach die Ökolandbau-Redaktion mit Monika Forster vom Energieinstitut Vorarlberg und der Energieregion Vorderwald. Sie kümmert sich um die Gesamtkoordination der LOKAL Gemeinschaft.

Oekolandbau.de: Warum haben sich die neun Gemeinden im Vorderen Bregenzer Wald dafür entschieden, vor Ort eigene Frischküchen einzurichten?

Monika Forster: Uns wurde schnell klar: Es ist eine riesige Chance zur Verbesserung der Qualität, wenn wir die Möglichkeit ergreifen, die Mittagsverpflegung selbst zu organisieren. Entscheidend war hier die fachliche Begleitung durch Dietmar Hagen – selbst Koch und Geschäftsführer der Fa. Essenszeit. Er zeichnete zum einen das Zukunftsbild der selbstbestimmten Frischeküche während der Entscheidungsphase. Zum anderen waren seine Praxiserfahrungen ausschlaggebend, um das anspruchsvolle Konzept in eine gelebte Alltagspraxis umzusetzen.


Auf einen Blick:

  • Die Frischküchen in Doren und Hittisau bereiten pro Woche zwischen 350 und 450 Mittagessen zu, bei der Frischeküche Lingenau sind es 750 Essen pro Woche.
  • Neben den Kitas und Schulen in diesen Gemeinden versorgen die drei Frischküchen auch Einrichtungen in weiteren vier Gemeinden im Vorderwald.
  • Es wird auf industriell vorverarbeitete Lebensmittel wie Fertigsuppen, -saucen oder Fertigdessertcremes sowie Geschmacksverstärker, Gewürzmischungen und vorgefertigte industrielle Zusätze, die künstliche Aroma- und Farbstoffe enthalten, verzichtet.
  • Soweit möglich stammen die Lebensmittel aus der Region Vorarlberg oder angrenzende Regionen.
  • An mindestens 16 der 20 Verpflegungstagen muss die Hauptkomponente des Mittagessens in Bio-Qualität angeboten werden.

Oekolandbau.de: Sie sagten uns im Vorgespräch, dass sich die Frischküchen explizit nicht als Bio-Küchen bezeichnen. Was meinen Sie damit genau?

Monika Forster: Wir verfolgen ein ganzheitliches Konzept und das Schullokal soll als sozialer Begegnungsort einen einladenden und offenen Charakter haben. Wir möchten mit Aussagen wie "Bio oder Nicht-Bio" beziehungsweise "Fleisch oder vegetarisch" nicht polarisieren und damit Konflikte zwischen unterschiedlichen Haltungen heraufbeschwören.

Vielmehr möchten wir das Augenmerk auf die Geschmacksvielfalt unseres Essens lenken. Das gelingt durch hervorragende Zutaten, durch gutes Kochhandwerk, durch zugewandte Ansprache bei der Essensausgabe und durch optisch schön angerichtete Speisen. Es versteht sich von selbst, dass der hervorragende Geschmack der einzelnen Gerichte Voraussetzung für alles weitere ist. Es geht um die Lust am Probieren und um die Neugierde und Freude auf jedes Mittagsmenü. Intern haben wir Qualitätskriterien detailliert festgelegt.

So werden an vier von fünf Verpflegungstagen die Hauptkomponenten in Bio-Qualität verwendet. Nur einmal die Woche gibt es Fleisch oder Fisch als Hauptkomponente, ein weiteres Mal als "Topping" – wie beispielsweise Schinkenwürfelchen über dem Spargel. Gibt es Fisch oder Fleisch, dann wird eine vollwertige vegetarische Alternative angeboten. Einmal im Jahr kommen Prüferinnen und Prüfer vom Land Vorarlberg und nehmen die Speisepläne für vier Wochen unter die Lupe und checken, wo und von welchen Betrieben die Produkte eingekauft wurden.

Oekolandbau.de: Und welche Erfahrungen machen Sie mit dieser Vorgehensweise?

Monika Forster: Wir machen gute Erfahrungen mit diesem behutsamen Weg, den Kindern eine gesunde und vollwertige Ernährung nahe zu bringen. Weil bereits die kleinen Kinder in das System hineinwachsen, funktioniert es auch bei den älteren besser. Natürlich gibt es immer Einzelne, die mit etwas nicht zufrieden sind. Aber im Großen und Ganzen gibt es sehr viel gutes Feedback von den Gästen, den Eltern und den Lehrpersonen. Die steigenden Essenszahlen zeigen die Zufriedenheit mit dem Angebot.

Oekolandbau.de: Wurde für die drei Frischküchen ein eigener Wirtschaftsbetrieb gegründet?

Monika Forster: Nein, die drei Küchen sind jeweils zu 100 Prozent ein Gemeindebetrieb. Die Mitarbeitenden in der Küche sind direkt bei ihrer Kommune angestellt. Die Verteilung der Kosten und Verantwortlichkeiten haben die neun Gemeinden in einer Kooperationsvereinbarung geregelt. Es wurde dafür kein Betrieb mit einer eigenen Rechtsform geschaffen. Die beteiligten Kommunen wollten dieses Thema so schlank wie möglich lösen.

Oekolandbau.de: Sind die Preise für das Mittagessen kostendeckend?

Monika Forster: Nein, die Kosten können durch die Einnahmen nicht gedeckt werden. Die Gemeinden übernehmen die Restkosten. Seit dem Schuljahr 2023/24 fördert das Land Vorarlberg eine gesunde und regional-orientierte Mittagsverpflegung mit dem Programm "Kinder.Essen.Körig". Die Küchen erhalten darüber nach Qualitätsaspekten abgestufte Fördermittel.

Oekolandbau.de: Welchen Restbetrag müssen die Kommunen am Ende aus ihren Haushalten finanzieren?

Monika Forster: Jede Zahl, die ich hier nennen könnte, wäre zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beitrages schon wieder veraltet. Die Daten schwanken je nach Anzahl ausgegebener Mittagsmenüs, Personalsituation und Entwicklungsziel, das schon bei der Inbetriebnahme mitberücksichtigt werden muss. Wir sind deshalb zurückhaltend, diese Daten zu kommunizieren. Aber insgesamt können die Gemeinden diese Kosten tragen.

Die Investitionen sind ein wichtiger Beitrag für eine zukunftsfähige Entwicklung unserer Gemeinden. Mit einem weiten Blick nach vorne gerichtet wird sich gesunde Ernährung auch positiv auf die Gemeindekosten im Gesundheitssystem auswirken. – Gerhard Beer, Bürgermeister Hittisau

Oekolandbau.de: Welche Tipps können Sie den Leserinnen und Lesern des Ökolandbau-Portals aus Ihren Erfahrungen mit auf dem Weg geben?

Monika Forster: So ein Projekt muss man einfach anfangen und machen. Meiner Meinung nach wird bei diesem Thema viel zu viel über kurzfristige Kalkulationen gesprochen und zu wenig darüber, was unser Essen für langfristige Folgekosten verursacht. Für eine Gesamtbewertung muss man alles mit einbeziehen: Welchen Mehrwert bringt eine nachhaltige Verpflegung für die Gesundheit unserer Kinder und welche Vorteile bieten bioregionale Wertschöpfungsketten für die Betriebe vor Ort? Welche Pluspunkte ergeben sich für die Ernährungs- und Geschmacksbildung der Tischgäste?

Und natürlich wollen wir mit den Frischküchen auch das Kochhandwerk sichtbar machen. Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Das alles kommt in einer kurzfristigen einzelbetrieblichen Betrachtung nicht vor. Inzwischen kommen viele Besuchsgruppen aus ganz Österreich und darüber hinaus zu uns, um sich aus erster Hand über unser Konzept zu informieren.

Monika Forster im Interview mit Andreas Greiner, Ökonsult


Letzte Aktualisierung 13.06.2025

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