Bei Bio ist Bremen vorn: Die Hansestadt ist seit 2014 Mitglied im deutschen Netzwerk der Bio-Städte und hat 2022 die Präsidentschaft bei "Organic Cities Network Europe" übernommen. Projektleiterin Mücella Demir erklärt, was eine Bio-Stadt ihren Bürgerinnen und Bürgern nützt.
Oekolandbau.de: Wie merke ich überhaupt, dass ich in einer Bio-Stadt lebe?
Mücella Demir: Das ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Bei uns merken es die Bürgerinnen und Bürger vor allem bei der Gemeinschaftsverpflegung. Wir sind jetzt bei einem Bio-Anteil von 50 Prozent in der Kita und 40 Prozent in Schulen angekommen. Besonders stolz sind wir auf den Bio-Anteil von 20 Prozent in Krankenhäusern. Hier gibt es eine direkte Kooperation zwischen dem städtischen Klinikverbund und einer örtlichen Bio-Molkerei. Das ist unser Paradebeispiel für eine direkte Wertschöpfungskette.
Sichtbar wird die Bio-Stadt aber auch durch Aktionen von zahlreichen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie die Biobackstube, Gemeinsames Gärtnern und Bauernhofausflüge. Außerdem veranstalten wir jedes Jahr ein Bio-Marktfest. Und auch einige etablierte Pioniere der Bio-Branche haben ihren Sitz in Bremen. Bio ist bei uns ein Wirtschaftsfaktor.
Oekolandbau.de: Wie können sich die Bürgerinnen und Bürger einbringen?
Mücella Demir: Dazu haben wir verschiedene Formate geschaffen. Einmal jährlich gibt es ein Dialogforum "Bio-Stadt für alle" mit verschiedenen Workshops rund um nachhaltige Ernährung. Sechsmal jährlich trifft sich die AG Bio-Stadt. Darin sitzen ganz viele NGOs, die sich mit Ernährung befassen. Der Beirat Bio-Stadt bringt Ideen ein und prüft, ob unser Aktionsplan und seine Ziele noch aktuell sind. Dann haben wir ein Forum Küche im Wandel mit vielen Fortbildungen für Köchinnen und Köche. Außerdem versuchen wir viele Akteurinnen und Akteure zusammenzubringen. Zum Beispiel Bio-Betriebe mit Cateringunternehmen zu vernetzen.
Oekolandbau.de: Wo liegen die Hürden für Bremen und andere Bio-Städte?
Mücella Demir: Direkte Widerstände gibt es bei uns nicht. Die größte Herausforderung ist immer das Geld. Aktuell haben sowohl Verbraucherinnen und Verbraucher als auch Köchinnen und Köche mehr denn je Angst vor Preissteigerungen. Wer Angst hat, möchte nichts verändern, also auch nicht auf Bio umstellen. Das macht unsere Kommunikation momentan sehr schwierig.
Selbst wenn wir zeigen, wie sich die Bio-Verpflegung ohne Mehrkosten realisieren lässt, brauchen die Einrichtungen eine passende Infrastruktur. Ist beispielsweise eine Kitaküche zu klein, kann das Personal dort nicht viel lagern und alles frisch zubereiten. Stattdessen muss es auf teurere Convenience-Produkte zurückgreifen. Außerdem kostet frisch kochen mehr Zeit. Unsere Botschaft lautet daher immer: gute und gesunde Lebensmittel müssen uns viel Wert sein.