Guido Pusch möchte möglichst viele Nachahmende finden. Dazu hat er das Projekt Zukunft Pflegebauernhof gegründet. Landauf landab berät er interessierte Bauernhöfe. Bis Anfang 2024 soll es bundesweit zehn Pflegebauernhöfe geben, die Mehrzahl davon Bio-Betriebe. Allerdings reicht der Bedarf für tausende.
Warum sollten wir unseren Lebensabend ausgerechnet auf einem Bauernhof verbringen?
Guido Pusch: Auf einem Pflegebauernhof werden die Menschen nicht künstlich bespaßt, sondern beschäftigen sich sinnvoll. Am liebsten mit den Tieren. Ein Bauernhof strahlt eine viel lebendigere Atmosphäre aus als ein von Investoren erbautes, seelenloses Altenheim. Hier kommt der Bauer als dritte Säule zu Bewohnern und Pflegekräften hinzu. Natürlich ist das Leben auf dem Bauernhof kein Allheilmittel, eine Demenz verschwindet nicht, aber gerade Demenzbetroffene können bei uns mehr erleben und sich freier bewegen. Dabei achten die fitteren Seniorinnen und Senioren auf die Hilfsbedürftigen. Schon allein deshalb, weil sie selbst später auch mehr Hilfe brauchen.
Oekolandbau.de: Was bringt das Konzept für die Landwirtinnen und Landwirte?
Pusch: Gerade wenn die neue Generation den Hof übernimmt, überlegt sie, wie es weitergehen kann. Bisher ging es immer um Wachstum, statt 100 Kühe 200 Kühe anzuschaffen, statt 100 Hektar 200 Hektar zu bewirtschaften. Doch das funktioniert heutzutage nicht mehr. Es gibt nicht genügend Ackerland und die Preise für Lebensmittel reichen nicht aus. Wer einen Pflegebauernhof aufmacht, muss seinen landwirtschaftlichen Betriebszweig nicht aufgeben, kann ihn aber entschleunigen, also weniger Tiere zu besseren Bedingungen halten.
Ein solches Angebot unterstützt gleichzeitig die Bauersfamilie: auch deren pflegebedürftige Familienmitglieder können bleiben. Besonders Bäuerinnen bekommen Unterstützung von den Pflegekräften oder lassen sich selbst sozialversicherungspflichtig anstellen.
Oekolandbau.de: Wie hoch ist die Nachfrage nach Pflegeplätzen auf dem Bauernhof?
Pusch: Mich rufen wöchentlich bestimmt 20 Leute an, die bei uns oder woanders auf dem Bauernhof leben möchten. Darunter Menschen aller Schichten, aus der Stadt und aus dem ländlichen Raum.
Die vielen Anfragen kann ich leider nicht bedienen. Einer sagte sogar, er wolle sich lieber umbringen als in ein Altenheim zu gehen. Das ist für mich sehr belastend, aber treibt mich an, andere Höfe zu motivieren und zu beraten, auch einen Pflegebauernhof einzurichten – so wie ich in Marienrachdorf.
Oekolandbau.de: Wie geht es denn weiter?
Pusch: Das gesellschaftliche Potenzial ist riesig. Nicht umsonst hat unser Projekt Zukunft Pflegebauernhof gerade den Deutschen Demografiepreis gewonnen und ist als Finalist in der Kategorie "Local Heroes" für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert. Nach meinen Informationen soll sich im Bundestag derzeit eine Arbeitsgruppe Innovatives Wohnen und Pflegebauernhof bilden! Das Thema ist hochaktuell.
Wenn wir von unseren 230.000 landwirtschaftlichen Betrieben nur jeden hundertsten gewinnen können, wären das immerhin 2.300 Höfe mit sechzig- bis siebzigtausend Pflegeplätzen. Das ist dann immer noch nur ein Bruchteil aller benötigter Pflegeplätze. Aber vielleicht bringen die Pflegehöfe auch andere Institutionen weiter. Auf jeden Fall möchten und werden wir den Pflegemarkt verändern.