Saatgutbibliotheken

Saatgutbibliothek sorgt für Sortenvielfalt

In der Saatgutbibliothek erhalten Hobbygärtnerinnen und -gärtner einige Samen einer Sorte, säen diese auf ihrem Balkon oder in ihrem Garten aus und bauen die Pflanze über den Sommer an. Nach dem Ernten der reifen Früchte trocknen sie die Samenkörnchen, etwa auf einem beschrifteten Küchenpapier, und bringen sie wieder in die Bibliothek zurück. Wer die Sorte mag, kann natürlich einen Teil seines Saatguts selbst behalten. Wichtig ist nur, dass so viele Samen wie möglich wieder in die Saatgutbibliothek zurückfließen. Nur so können auch andere Gärtnerinnen und Gärtner diese Sorte im nächsten Jahr anbauen. Die Idee zur Saatgutbibliothek stammt aus den USA. Da es hier ganz viel gentechnisch verändertes Saatgut gibt, versuchen viele private und Umweltinitiativen mit Seedlibraries die alte Sortenvielfalt zu erhalten.

Welches Saatgut lässt sich verleihen?

Prinzipiell geht das mit allen Nutz- oder auch Zierpflanzen. Allerdings muss die Sorte samenfest sein. Das heißt: die aus dem Saatgut gewonnenen Pflanzen haben die gleichen Eigenschaften wie die Elternpflanzen. Zum Beispiel die gleiche Form, Größe oder den gleichen Geschmack. Samenfestes Saatgut lässt sich einfach selbst vermehren. Gezüchtetes Hybridsaatgut – zu erkennen an dem Zusatz "Hybrid" oder "F1" – eignet sich nicht. Denn hier besitzt nur die erste Generation der Nachkommen gleichförmige Eigenschaften. Die folgenden Generationen haben völlig andere Merkmale oder keimen erst gar nicht. Hybridsaatgut lässt sich nicht selbst stabil vermehren, sondern nur in Zuchtlabors professionell herstellen. Wer das nutzen will, muss es jedes Jahr wieder neu kaufen.

Wo gibt es solche Bibliotheken?

In Deutschland keimen solche Saatgut- oder Nutzpflanzenbibliotheken an verschiedenen Orten auf. Bei der Saatgutbibliothek des rheinland-pfälzischen Obst- und Gartenbauvereins Bengel zählen zum Saatgut alle Nachkömmlinge der Pflanzen, also auch Pflanzgut wie Knollen, Ausläufer, Stecklinge, Edelreiser, Zwiebeln und Sämlinge. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf Gemüse, aber auch Zierpflanzen sind willkommen. In der pflanzlichen Verleihstelle befinden sich regionale alte Gemüsesorten wie die "Bengeler Zuckererbse Simon", die bereits seit hundert Jahren in Familienbesitz ist. Rund um die Sammlung koordiniert der Verein verschiedene Projekte zur Saatgutgewinnung und zum Tauschen und Teilen: zum Beispiel jährliche Pflanzenbörsen und das Projekt "Solidarische Saat" zur gemeinschaftlichen Saatguterzeugung.

Arbeit und Ernte teilen

"Jeder der derzeit 40 beteiligten Hobbygärtner entscheidet selbst, wie viele Sorten er als Pate in seinem privaten oder öffentlichen Garten vermehrt. Am Ende der Saison schauen wir, wieviel Saatgut von den einzelnen Pflanzen verfügbar ist und teilen uns die Ernte. Eine Portion kommt in die Saatgutsammlung", erklärt Annette Fehrholz, die Vorsitzende des Vereins.

Die engagierten Gärtnerinnen und Gärtner aus der Region Mosel-Eifel-Hunsrück vermehren bereits über 100 verschiedene Sorten. Darunter Bauerngartenstauden wie das Mutterkraut, bekannte Gemüsesorten wie die Petersilie "Mooskrause" oder die Möhre "Lange Rote Stumpfe ohne Herz". Eine große Nachfrage besteht nach robusten Freiland-Tomatensorten. Wenn die Pflanzen jedes Jahr nachgezogen werden, passen sie sich den örtlichen Boden- und Klimaverhältnissen an. "So trotzen wir dem Klimawandel und züchten unsere eigenen Haus- und Hofsorten", freut sich Pflanzenfreundin Fehrholz.

Drei Fragen an Christiane Klei von der Esslinger Nutzpflanzenbibliothek

In der Transition Town Esslingen organisieren ehrenamtliche Aktionen für ein nachhaltigeres Leben. Ihre jüngste Idee, ist die Nutzpflanzenbibliothek. Hobbygärtnerin Christiane Klei erklärt ihr Projekt für mehr Sortenvielfalt.

Oekolandbau.de: Wie ist die Nutzpflanzenbibliothek entstanden?

Christiane Klei: Auf unseren Pflanzentauschbörsen haben Hobbygärtner immer wieder auch besondere Pflanzenarten und seltene Gemüsesorten mitgebracht. Diese Vielfalt wollten wir erhalten und ausbauen. Zunächst hatten wir die Idee einer Ausstellung von der Tomatenvielfalt, aber dann haben wir überlegt, wie wir die Vielfalt nachhaltig in unsere Arbeit integrieren könnten. So sind wir auf die Idee mit der Bibliothek gekommen. Zuerst sammeln wir Tomatensaatgut. Wir haben schon 35 verschiedene Sorten in der Bibliothek: von der Fleischtomate bis zur Cocktailtomate in allen möglichen Formen und Farben.

Oekolandbau.de: Vermischen sich die Sorten denn nicht bei der Bestäubung?

Christiane Klei: Bei Tomaten ist die Gefahr sehr gering. Ihre Blüten sind für Insekten unattraktiv. Nur bei Fleisch- und Wildtomaten kommen Bienen und Hummeln überhaupt an die Pollen heran. Tomaten sind bei der Bestäubung nicht auf Insekten angewiesen. Wer dennoch unsicher ist, ob seine Nachzucht dieselben Eigenschaften hat wie die Elternpflanzen, sollte die Sorte einfach zwei, drei Jahre lang anbauen und dann erst zur Bibliothek zurückbringen. Wir bemühen uns sehr um Sorgfalt, aber bieten keine hundertprozentige Garantie. Wir sind ja keine Saatzuchtanstalt, sondern ein Mitmachprojekt für Hobbygärtner.

Oekolandbau.de: Was raten Sie anderen Menschen, die auch eine Nutzpflanzenbibliothek gründen wollen?

Christiane Klei: Natürlich braucht man einen Grundstock an Samen. Wer nicht genug eigenes Saatgut hat, kann bei den örtlichen Gartenbauvereinen oder ökologischen Saatgutunternehmen um Spenden bitten.

Um schnell viele Hobbygärtner zu erreichen, ist es gut, die Bibliothek an eine Pflanzentauschbörse, Pflanzenmärkte oder öffentliche Veranstaltungen zu koppeln. Auf jeden Fall sollte die Bibliothek im zeitigen Frühjahr eröffnen. Dann haben die Hobbygärtner am meisten Lust und genug Zeit, um ihre Pflanzen vorzuziehen.


Letzte Aktualisierung 28.04.2023

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