Mit Paludikultur Moorflächen schonend nutzen

Mit Paludikultur Moorflächen schonend nutzen

Deutschland ist Moorland: Doch 95 Prozent der wertvollen Öko-Systeme und CO2-Speicher sind längst entwässert. Erste Versuche und Erfahrungen zeigen: Mit Paludikultur lassen sich degenerierte Moorflächen nutzen, ohne weiter Kohlendioxid freizusetzen – ein Beitrag, um Klima und Landwirtschaft zu schützen.

Moore sind die besten Klimaschützer, da sie massenhaft Kohlendioxid speichern. Werden sie jedoch entwässert und abgetorft, heizen sie dem Klima ordentlich ein, wie folgende Zahlen zeigen:

  • Acht Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen in Deutschland setzen mehr als ein Drittel der in der Landwirtschaft entstehenden klimaschädlichen Gase frei. (Quelle: FNR e.V.)
  • Ein Hektar Moorgrünland emittiert jährlich bis zu 30 Tonnen CO2, das entspricht 145.000 gefahrenen Auto-Kilometern. (Quelle: FNR e.V.)
  • Der Anbau von Mais auf einer Ackerfläche im entwässerten Moor kann mehr als 90 Tonnen Treibhausgas-Emissionen pro Hektar und Jahr verursachen. (Quelle: Greenpeace)

Die beste Lösung fürs Klima wäre es, die Moorflächen wieder großflächig zu vernässen. Doch das würden viele landwirtschaftliche Betriebe ruinieren. Daher sind neue Formen der Landwirtschaft auf Moorböden gefragt – die Paludikultur.

Paludikultur nützt Natur und Landwirtschaft

Paludi stammt von Palus (Sumpf) und meint die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung auf nassen oder wiedervernässten Moorflächen. Das heißt: es geht nicht um intakte Moore in Naturschutzgebieten, sondern um degenerierte Flächen, deren restlicher Torf erhalten bleiben soll oder wo wieder Torf aufgebaut werden soll.

Alle Paludikulturen sind Dauerkulturen. Was auf den ehemaligen Mooren wächst, hängt vom Wasserstand und der Nutzung ab. Bei sommerlicher Mahd oder Beweidung entstehen vielfältige Nasswiesen oder Nassweiden. Es lassen sich aber auch Kulturen wie Erlen, Schilf und Rohrkolben gezielt entwickeln oder neu anbauen. Dazu müssen die Flächen jedoch ausreichend nass sein. Statt das Wasser mühsam zu einzelnen Flächen zu pumpen oder sie aufwendig einzustauen, ist es viel sinnvoller, größere Regionen wieder zu vernässen. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat daher ein Programm zur Instandsetzung von Stauanlagen aufgesetzt.

Auf Niedermooren Rohrkolben anbauen

Das Greifswalder Moor Centrum experimentiert mit dem Anbau von Rohrkolben (Typha). Diese als Lampenputzer bekannte Sumpfpflanze wächst bis zu drei Meter hoch. Damit sie gute Erträge bringt, muss das Wasser bis zu vierzig Zentimeter über dem Boden stehen. Ansonsten braucht das heimische Gewächs kaum Pflege. Die Bestände lassen sich bis zu zehn Jahre lang nutzen. Pro Hektar lassen sich fünf bis 20 Tonnen Trockenmasse ernten.

Die mit Luftkammern gefüllten Blätter eignen sich als Dämmmaterial. Die Kolben mit den zahlreichen Samen könnten als Daunenersatz dienen. Kleingehäckselte Rohrkolben können auch in Substraten für den Gartenbau oder in Blumenerden landen. Damit lassen sich nach ersten Erfahrungen eines von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. geförderten Projektes am Darmstädter Forschungsring im Gemüsebau bis zu 70 Prozent Torf ersetzen.

Paludi ist noch Neuland

Alternativ liefert Rohrkolben auch Bioenergie. Der ökologische Nutzen ist laut Dr. Uli Johannes König vom Forschungsring e.V. hoch: "Eine mit Rohrkolben bepflanze Moorfläche spart im Vergleich zu einem entwässerten Niedermoor pro Jahr circa 18 Tonnen CO2 je Hektar ein." Allerdings befinden sich die Paludikulturen noch im Versuchsstadium. Das heißt: Für Landwirtinnen und Landwirte gibt es noch keine etablierten Produktionsketten und Vertriebswege. Erst wenn die Absatzmärkte sicher sind oder staatliche Unterstützung garantiert ist, dürfte der Rohrkolbenanbau Boden gut machen. Bis es so weit ist, dominiert weiterhin die Rinderhaltung auf Moorböden.

Moor ist nicht gleich Moor

Niedermoore entstehen, wenn nährstoffreiche Gewässer verlanden. Pflanzen sterben ab und können sich im Wasser aufgrund von Sauerstoffmangel nicht zersetzen. Andere Pflanzen wachsen auf dem nicht oder kaum zersetzten Material heran. So entsteht eine immer dicker werdende Schicht aus organischem Material, die immer weiter in die Seefläche vordringt. Ein Niedermoor wird von Grundwasser durchströmt und ist meist nährstoffreich.

Hochmoore können aus Niedermooren hervorgehen, wenn sich Torfmoose (Sphagnen) ansiedeln. Die wachsen nach oben und sterben nach unten hin ab. Auf Dauer bildet sich eine immer mächtiger werdende Moosschicht. Hochmoore speisen sich nur noch aus Regenwasser. Sie sind nährstoffarm und sauer (niedriger ph-Wert). Die Torfmoose speichern das Wasser wie ein Schwamm.

Extensive Rinderhaltung in Mecklenburg-Vorpommern

Allein Mecklenburg-Vorpommern hat 180.000 Hektar landwirtschaftlich genutzte Moorflächen. Viele dieser Flächen werden naturnah mit Rindern genutzt: Fleischrinder wie die schwarzen Angusrinder grasen fast das ganze Jahr über auf den feuchten, artenreichen Weiden. Auf extrem nassen Flächen kommen neuerdings auch Wasserbüffel zum Einsatz. Mit ihren breiten Klauen können sie auf sumpfigem Boden gut laufen und weiden. Doch für das Fleisch von Wasserbüffeln fehlt es an Vermarktung.

Der Öko-Anbauverband Biopark plädiert dafür, ehemals trockengelegte Moore nur so weit anzustauen (etwa 30 Zentimeter unter Flur), dass dort weiterhin eine extensive Wiederkäuerhaltung möglich ist und gleichzeitig der Moorboden erhalten bleibt. "Bei einem Wasserstand von 30 Zentimeter unter Flur ist der Boden noch recht trocken", kommentiert Dr. König. Er empfiehlt die Weidenutzung vor allem für die Übergangszonen zwischen Paludikultur-Flächen und höher gelegenen, weniger nassen Flächen.

Torfmoose anbauen in Niedersachsen

Im Hankhauser Moor testet das Greifswalder Moor Centrum mit dem Torfwerk Moorkultur Ramsloh auf 19 Hektar ehemaligem Grünland den Anbau von Torfmoosen. Diese Sphagnum-Moose lassen sich alle vier Jahre ernten. Mit Mährobotern sogar öfter. "Das junge Torfmoos ist ein idealer Ersatz für Torf im Gartenbau. Wir ernten rund 400 Kubikmeter pro Jahr, bräuchten aber viel mehr", erläutert Gartenbauingenieurin Silke Kumar vom Torfwerk. Erst ab einer Rohstoffmenge von 200.000 Kubikmeter rechne sich der Anbau für die Substrathersteller.

Obwohl der Rohstoff Torfmoos heiß begehrt und eine ideale Folgenutzung auf abgetorften Hochmooren wäre, gebe es keine Förderung für den Anbau von Torfmoosen: Die EU und Mecklenburg-Vorpommern fördern zwar Paludikulturen in ihren Agrarumwelt- und Klimaprogrammen, nicht aber das hochmoorreiche Niedersachsen. "Für die Landwirtinnen und Landwirte lohnt es sich hier viel mehr, auf ihren Moorflächen PV-Anlagen oder Windräder aufzustellen", bedauert Kumar.

Regionale Lösungen gefragt

Trotz aller Schwierigkeiten hofft Agraringenieur König vom Forschungsring e.V. auf eine vielfältige Nutzung mit regional passenden Konzepten. "Jetzt haben wir die Böden und Landwirtschaft hundert Jahre heruntergewirtschaftet. Jetzt müssen wir sie zehn Jahre hochwirtschaften. Das bedeutet aber ein totales Umdenken, bei Landwirten, Politikern und allen Nutzern der Produkte!"


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Letzte Aktualisierung 08.09.2023

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