Wasserschutz durch Öko-Landbau im Mangfalltal

Wasserschutz durch Öko-Landbau im Mangfalltal

Seit 1992 arbeiten die Stadtwerke München mit Bio-Landwirtinnen und -Landwirten aus dem Mangfalltal zusammen, um das Münchner Trinkwasser zu schützen. Gemeinsam mit dem Netzwerk Unser Land e.V. haben sie in der Region eine Wertschöpfungskette geschaffen, die Stadt und Land über regionale Milchprodukte und Wasserschutz verbindet.

Das Mangfalltal bei Miesbach, südlich von München, ist das größte Trinkwassergewinnungsgebiet der Stadtwerke München (SWM) und liefert den Münchnerinnen und Münchnern etwa 2.800 Liter Wasser – pro Sekunde! Bereits 1883 wurde die erste Hangquelle erschlossen, 1902 die erste Grundwasserfassung. Wie der Leiter der Wassergewinnung der SWM Rainer List betont, wird München als einzige deutsche Großstadt naturrein versorgt, also ohne Wasseraufbereitung. "Wie liefern das Trinkwasser so, wie wir es im Mangfalltal gewinnen, direkt an die Bürgerinnen und Bürger", erklärt List. "Es führt aber auch dazu, dass wir die Gewinnungsgebiete gut im Blick haben müssen. Ich sag es einmal ganz vereinfacht: Wenn die Welt oben in Ordnung ist, dann kommt am Ende reines Wasser aus der Leitung."

Damit die Welt im Mangfalltal, wo bis zu 80 Prozent des Münchner Trinkwassers herkommen, in Ordnung und die Qualität des Trinkwassers weiterhin gewährleistet ist, haben sich die Stadtwerke München Anfang der 1990er Jahren damit auseinandergesetzt, wie sie den steigenden Nitratwerten im Trinkwasser entgegenwirken können: Die Landwirtinnen und Landwirte im Mangfalltal sollten im Zuge der Initiative "Ökobauern" ermutigt werden, auf ökologische Landwirtschaft umzustellen, um durch flächengebundene Tierhaltung, den Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und eine reduzierte Düngung das Grundwasser zu schützen. Das Ergebnis lässt sich sehen: Heute ist das Mangfalltal mit einer Fläche von rund 4.400 Hektar das größte zusammenhängende Gebiet in ganz Deutschland, das ökologisch bewirtschaftet wird.

Großer Widerstand – und großer Erfolg

Die Initiative stieß zunächst jedoch auf heftigen Widerstand von Seiten der Landwirtinnen und Landwirte. "Der Aufschrei war damals sensationell", erinnert sich List. "Jetzt kommen die von der großen Landeshauptstadt München und wollen uns sagen, wie wir hier wirtschaften sollen. 'Ökologisch, damisch!' war sozusagen noch das netteste, was wir gehört haben." Angedacht war ein Umstellungsgebiet, das über ein Wasserschutzgebiet hinausgeht und somit aus hydrogeologischer Sicht einen Einfluss auf die Gewinnungslagen der SWM hat. Die Mehrkosten der Umstellung von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft sollten die Landwirtinnen und Landwirte selbst tragen.

Der Erfolg des ersten Aufschlags blieb aus, sodass die SWM gemeinsam mit dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und dem Bayerischen Bauernverband eine Aufstellung der monetären Mehraufwendungen einer Betriebsumstellung vornahmen: 500 Mark pro Hektar und Jahr sollten die Landwirtinnen und Landwirte für die Umstellung erhalten. Zudem holten die Stadtwerke die Bio-Verbände Naturland, Bioland und Demeter mit ins Boot, um weitere Überzeugungsarbeit zu leisten. Damit konnten 1993 23 Landwirtinnen und Landwirte überzeugt werden, die Umstellung zu wagen. Aus der ursprünglich angedachten Anstoßfinanzierung über sechs Jahre wurde ein Programm mit einer Laufzeit von 18 Jahren, das 2010 erfolgreich abgeschlossen wurde.

Das Programm war in der Region mittlerweile aber so sehr gefragt, dass die SWM die Initiative "Ökobauern" 2010 noch einmal komplett neu konzipierten. Sie teilten das ursprüngliche Umstellungsgebiet in drei Teilgebiete ein:

  • ein Schutzgebiet,
  • ein Umstellungsgebiet
  • und ein regionales Erweiterungsgebiet.

Die Höhe der Fördergelder für die (angehenden) Öko-Bäuerinnen und -Bauern wird seit 2010 nach der Lage ihrer Bewirtschaftungsflächen bestimmt. Im Schutzgebiet wird aktuell mit 310 Euro pro Hektar und Jahr die höchste Förderung gezahlt, da dort die größte Gefährdung für das Grundwasser vorliegt. Mit der Anrechnung des Lebenshaltungskosten-Index beträgt der aktuelle Auszahlungsbetrag 417 Euro pro Hektar und Jahr.

Zurzeit (Stand Januar 2024) beteiligen sich 185 Landwirtinnen und Landwirte an der Initiative. "Grundsätzlich hat die Landeshauptstadt München einen großen Vorteil davon, die Trinkwasserqualität zu erhalten. Die Landwirtinnen und Landwirte bekommen Geld, damit sie ökologisch wirtschaften. So haben beide was davon", fasst List den Erfolg der Initiative zusammen. Die Nitratwerte im Trinkwasser aus dem Mangfalltal sind von 16 Milligramm pro Liter, die sich Anfang der 1990er Jahre nachweisen ließen, auf durchschnittlich 7 Milligramm pro Liter gesunken.

Gelungene Kooperation mit dem Netzwerk Unser Land e.V.

Als weiteren Erfolg der Initiative lässt sich die Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Unser Land e.V. verzeichnen, die eine regionale Verarbeitungs- und Vermarktungskette für die Bio-Produkte aus dem Mangfalltal geschaffen hat. Adriane Schua, die erste Vorsitzende des Netzwerks, beschreibt den Beginn der Zusammenarbeit im Jahr 2007 als glückliche Fügung: "Als unsere damalige Molkerei auf bio umstellte, kamen wir mit den Stadtwerken zusammen. Die Initiative 'Ökobauern' wollte mit einem besonderen Produkt auf die Trinkwassergewinnung im Mangfalltal aufmerksam machen. So entstand die Idee der 'Unser Land Bio-Milch'."

Heute liefern über 100 Milchbäuerinnen und -bauern aus dem Landkreis Miesbach die Milch für das gemeinsame Projekt von Unser Land e.V. und den SWM. Verarbeitet und abgefüllt wird die Milch in der Molkerei Gropper  in Bissingen. Neben den Richtlinien der EU-Öko-Verordnung müssen sich die Erzeugerinnen und Erzeuger – ebenso wie die Molkerei – an die Vorgaben des Bayerischen Bio-Siegels und von Unser Land e.V. halten, die noch einmal strengere Vorgaben hinsichtlich der Regionalität der Produkte (z.B. für den Futtermittelbezug) beinhalten. Auf der Verpackung der "Unser Land Bio-Milch" wird die regionale Wertschöpfung und der Wasserschutz durch Öko-Landbau im Mangfalltal für die Verbraucherinnen und Verbraucher besonders sichtbar gemacht.

Wie Schua betont, setzt sich das Netzwerk mit seinen zwei Säulen – den Solidargemeinschaften sowie der Vermarktungsgesellschaft als GmbH – vor allem für eine faire Preisgestaltung seiner Bio-Produkte ein. Faire Preise seien wichtig, um die Zukunft der familiär geführten Landwirtschafts- und Verarbeitungsbetriebe im Miesbacher Land zu sichern. Die zehn Solidargemeinschaften, in denen sich die Mitglieder ehrenamtlich engagieren können, organisieren zum Thema Wasserschutz beispielsweise gemeinsam mit den SWM Informationsveranstaltungen in Form von Wanderungen zum Wasserschloss Thalham oder die Klimaschutztage im Tierpark Hellabrunn. Laut Schua geht es in der Arbeit der Solidargemeinschaften vor allem darum, ein Bewusstsein für die Ressource Wasser zu schaffen und die Stadt-Land-Partnerschaft zwischen München und dem Mangfalltal zu stärken.

Die Vermarktungsgesellschaft dient als Verbindungsglied zwischen den Erzeugerinnen und Erzeugern, den Verarbeitungsbetrieben und dem Lebensmitteleinzelhandel. Zu ihren Aufgaben gehören Koordination, Preis- und Produktionspolitik, Vermarktung, Marketing und Logistik.


Virtual Reality-Film "Das Land, wo Milch und Wasser fließen!" von Unser Land e.V.


Wie geht es mit dem Wasserschutz im Mangfalltal weiter?

Was die Zukunft der Initiative "Ökobauern" und die Zusammenarbeit zwischen den Stadtwerken und Unser Land e.V. angeht, sind sich List und Schua einig: Das erfolgreiche Projekt zum Grundwasserschutz im Mangfalltal durch ökologische Landwirtschaft soll in jedem Fall fortgeführt werden. Durch die Inflation, die allgemeinen Teuerungen und das daraus resultierende veränderte Kaufverhalten stehen die Initiative und das Netzwerk laut Schua jedoch vor großen Herausforderungen. "Mit den Krisenzeiten verzeichnen wir schon einen gewissen Bruch in den Verkaufszahlen der Unser-Land-Produkte, weil viele Leute einfach aufs Geld schauen müssen. Und dann nimmt man nicht die teuerste Milch im Regal, sondern vielleicht eine billigere", erklärt List.

Schua nennt zudem die zusätzlichen Zertifizierungsauflagen seitens des Lebensmitteleinzelhandels, den "Dschungel an Verordnungen, durch den die Politik die Erzeugerinnen und Erzeuger schickt" und aktuelle Gesetzesänderungen als weitere Probleme, mit denen sich die Vermarktungsgesellschaft auseinandersetzen muss. "Die aktuellen Schwierigkeiten sind wie Stolpersteine auf unserem Weg", bekräftigt Schua "Aber wir machen weiter, setzen unser Bestes ein und sind zuversichtlich, dass wir mit vereinten Kräften eine positive Veränderung bewirken können und es uns gelingt, dass unsere Lebensmittel den Wert erhalten, den sie verdienen."


Letzte Aktualisierung 20.03.2024

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