Mittlerweile gibt es in Deutschland über 200 unverpackt-Geschäfte – also in fast jeder größeren Stadt. Auch manche etablierten Biosupermärkte wie etwa basic, die Bio Company oder denn’s haben bereits auf diesen Trend reagiert und Abfüllstationen für ausgewählte Lebensmittel eingeführt. Dennoch ist für die Konsumforschung dieses Phänomen noch Neuland: Wer kauft heute eigentlich verpackungsfrei? Welche Hürden bestehen aus Sicht der Kundinnen und Kunden? Und welche Produkte werden unverpackt erworben?
Ein Forschungsteam der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) hat daher diese Kundengruppe ins Visier genommen. Finanziert wurde die Studie vom Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN). Zusammen mit der Praxis – insbesondere den "unverpackt"-Läden – wollten die Forscherinnen und Forscher herausfinden, wie das unverpackt-Konzept funktioniert und sich weiter optimieren und verstetigen lässt. Denn auch im klassischen Lebensmittelhandel und im Naturkostfachhandel ist es dringend erforderlich, den Verpackungsmüll zu reduzieren.
Tagebuch statt Umfrage
Im Gegensatz zu den meisten Konsumstudien basiert diese Studie nicht auf einer einmaligen retrospektiven Umfrage, sondern auf der sogenannten Tagebuchmethode, kombiniert mit einer Vorabbefragung. Der Grund: Ähnlich wie bei Erhebungen zu Fleischkonsum oder Bioeinkauf ist davon auszugehen, dass eine retrospektive Befragung das tatsächliche Konsumverhalten nicht widerspiegelt. "Denn nur einmalig befragt, ist es für Kunden sehr schwierig, im Rückblick exakt wiederzugeben, welche Einkäufe sie getätigt haben", erläutert Dr. Melanie Kröger, die verantwortliche Studienkoordinatorin an der HNEE.
An der ersten Befragung nahmen 165 Kundinnen und Kunden von zwei unverpackt-Läden in Hamburg und Münster teil, an der anschließenden Tagebuchstudie 48 Kundinnen und Kunden. Hinsichtlich Alter, Einkommen und Wohnsituation war die Stichprobe recht heterogen. Über einen Zeitraum von drei Wochen haben die Studienteilnehmenden im Detail erfasst, was genau sie wo gekauft haben. Dabei haben sie jede aufgesuchte Einkaufsstätte und jeden Einkauf über fünf Euro protokolliert und bewertet. Als zusätzliche Datenquelle dienten die Kassenbons zu den einzelnen Einkäufen. Die Zahl der dabei erfassten Einkäufe summierte sich auf 575, die der eingekauften Produkte auf 4.452. Das entsprach einem Einkaufsbudget von 11.234 Euro.
Wer kauft unverpackt?
Bei der Analyse der Tagebuchaufzeichnungen haben sich drei sehr unterschiedliche Käufertypen herauskristallisiert: die "Seltenkäufer mit niedrigem Budget", die "besserverdienenden Neukunden" und die "unverpackt-Intensivkunden". Alle nutzen regelmäßig einen unverpackt-Laden – aber in ganz unterschiedlichem Maße, erläutert Melanie Kröger: "Die Seltenkäufer kaufen dort in erster Linie Non-Food wie etwa Hygieneprodukte. Die Neukunden kombinieren unverpackt-Läden vor allem mit Supermärkten. Und die Intensivkunden gehen insgesamt seltener einkaufen als die anderen und versorgen sich tatsächlich primär im unverpackt-Laden."
Am häufigsten griffen die Studienteilnehmenden im unverpackt-Laden zu Molkereiprodukten und Gemüse, gefolgt von Süßwaren, Snacks sowie Flocken und Müsli. Hinzu kommen Nüsse und Saaten, Obst und Hygieneprodukte. Sie kauften dort auch Lebensmittel, die sie nur selten oder in kleinen Mengen benötigen: zum Beispiel Reis, Flocken, Nüsse und Trockenfrüchte. Zwar machen Milchprodukte und Gemüse – mit jeweils rund elf Prozent – einen relativ großen Anteil des unverpackt-Einkaufs aus. Dennoch werden diese beiden Warengruppen überwiegend anderswo gekauft. Nach Einschätzung des Forschungsteams hängt das sicherlich auch damit zusammen, dass das Angebot an Frischwaren in den meisten unverpackt-Läden eher kleiner ist. Auch Obst, Käse und Wurst sowie Getränke wie Bier und Saft besorgten unverpackt-Kundinnen und -Kunden eher in klassischen Geschäften. Denn solche Lebensmittel sind dort in großer Auswahl und häufig auch als lose Ware oder in Mehrwegverpackungen erhältlich.