Wer seine Produkte direkt vermarktet, kann damit gutes Geld verdienen und den Fortbestand seines landwirtschaftlichen Betriebes sichern. Zwei BÖLN-geförderte Projekte sorgen für mehr Markttransparenz und geben direktvermarktenden Betrieben konkrete Tipps an die Hand.
Vielversprechende Ansätze für die Direktvermarktung hat die Studie "Innodirekt" entwickelt, die durch das das Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) gefördert wurde. Hierfür hat das Beratungsunternehmen Ecozept zusammen mit dem Projektbüro mareg (markt & region) 200 ökologisch und konventionell wirtschaftende Landwirtinnen und Landwirte mit Direktvermarktung, ein vierzigköpfiges Expertinnen- und Expertenteam sowie 670 Kundinnen und Kunden befragt.
Guter Gewinn, Spaß an der Arbeit und am Umgang mit Kundinnen und Kunden – all dies spornt viele landwirtschaftliche Direktvermarkter an. Entsprechend optimistisch blicken sie in die Zukunft, wie die Umfrage von Ecozept und mareg belegt. Mehr als die Hälfte der Befragten will die Direktvermarktung ausbauen: bei den Bio-Höfen sind es sogar 70 Prozent und bei den konventionellen Betrieben 47 Prozent. Gut jeder Dritte will den Ab-Hof-Verkauf wie gehabt fortsetzen. Und nur weniger als fünf Prozent erwägen, die Vermarktung an Endkunden ganz aufzugeben oder zu verkleinern. Dafür wurden folgende Gründe genannt:
Die 40 befragten Fachleute sehen die Direktvermarktung ebenfalls auf Wachstumskurs. Über zwei Drittel geht davon aus, dass in den nächsten zehn Jahren in ihrer Region eher mehr und keineswegs weniger Betriebe auf Direktvermarktung setzen werden. Dies begründeten sie mit der guten Nachfrage nach regionalen Qualitätsprodukten und der hohen Kundenzufriedenheit. Gut ein Drittel bewerten Einkommenskombinationen als eine Alternative zum allgemeinen Trend des "Wachsens oder Weichens". Außerdem geht ein Teil der Befragten davon aus, dass der Strukturwandel direktvermarktende Höfe weniger stark in Mitleidenschaft ziehen wird als andere landwirtschaftliche Betriebe.
Auch nach einer aktuellen Umfrage der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) geht die Tendenz bei den Bio-Höfen in Richtung Wachstum. In einer Studie hat sie 187 der insgesamt auf rund 2900 geschätzten Bio-Hofläden befragt. Ein Drittel der Befragten planen, einzelne Produktionszweige auszubauen oder um weitere zu ergänzen. Bei jedem sechsten Betrieb steht der Ausbau der betrieblichen Infrastruktur auf der Agenda. Je nach Betriebszweig geht es um den Bau einer hofeigenen Molkerei, Schlachterei oder gläsernen Imkerei oder ums Renovieren von Kühl- und Gefrieranlagen. Rund 15 Prozent der Betriebe wollen ihr Angebotsspektrum erweitern, etwa mit einem unverpackt-Sortiment, gastronomischen oder therapeutischen Angeboten oder einem Online-Shop. Und manche wollen mehr Produkte selber erzeugen, darunter Gemüse oder Geflügel.
Die Studie "Innodirekt" bestätigt die hohe Kundenzufriedenheit. In einer Umfrage waren über 95 Prozent der Kundinnen und Kunden von zehn Leuchtturmprojekten "sehr zufrieden" oder "eher zufrieden" mit der genutzten Einkaufsmöglichkeit. Dazu zählten neben Hofläden unter anderem Verkaufsautomaten, Marktschwärmereien oder selbst organisierte Food-Coops. Die meisten Befragten kaufen primär aus ökologischen Gründen Produkte aus Erzeugerhand – sprich wegen der Bio-Qualität, der kurzen Transportwege und der geringeren Verpackungsmenge. "Für die Verbraucher stehen Nachhaltigkeitsaspekte bei der Kaufentscheidung an erster Stelle", betont Michael Böhm von Ecozept.
Für andere Kundinnen und Kunden zählten vor allem die regionale Herkunft und die besondere Qualität der Produkte. Weitere Motive sind das Wohl der Tiere oder der soziale Austausch beim Einkauf. Die meisten möchten zukünftig noch mehr oder mindestens genauso viele Produkte vom Erzeugerbetrieb kaufen. Besonders hervorzuheben ist, dass lediglich fünf der insgesamt fast 700 Befragten die Preise zu hoch fanden. "Die befragten Kunden sind wenig preissensibel, was den Erzeugern eine relative große Freiheit bei der Preisgestaltung ermöglicht", so Böhm. Und neben einem fairen Verdienst für die landwirtschaftlichen Betriebe sei es vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern wichtig, die lokale Wirtschaft zu unterstützen.
Dennoch sehen die Kundinnen und Kunden noch Verbesserungspotential, und zwar beim Sortiment und Service sowie bei der Produktqualität. Teils wünschen sie sich mehr Auswahl, aber auch Spezialprodukte wie etwa gluten- oder laktosefreie Lebensmittel. Auch mit einem besseren Bestell- und Lieferservice und mehr Service beim Einkaufen oder Bezahlen könnten die Hofläden zusätzlich bei ihren Kundinnen und Kunden punkten.
Als besondere Stärke sehen 97 Prozent der befragten Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter die gute Qualität ihrer Produkte. Auch mit der Einhaltung der Hygieneanforderungen, den erlösten Verkaufspreisen und ihrer Kundenkommunikation zeigten sich jeweils mehr als 70 Prozent zufrieden. Dagegen beklagten viele die hohe Arbeitsbelastung der Familienarbeitskräfte. Zu schaffen machen ihnen neben den steigenden laufenden Ausgaben für Personal, Verkaufs- und Verpackungsmaterial auch die hohen Investitionskosten für Gebäude und Fahrzeuge. Weitere genannte Knackpunkte: Marketing und Bewusstseinsbildung bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern, aber auch die Kooperation mit anderen direktvermarktenden Betrieben und die mangelnde Transportlogistik. Oft kommt ein nicht ausreichendes Produktangebot hinzu – vor allem bei ökologisch wirtschaftenden Betrieben. Unterschiedlich bewerteten sie auch ihre finanzielle Situation: die bemängelten elf Prozent der ökologischen und nur zwei Prozent der konventionellen Betriebe.
Um sich langfristig behaupten zu können, brauchen Bio-Hofläden besonders engagierte Kundinnen und Kunden. Die müssten auch für ein überschaubares Sortiment weite Wege zum Hofladen und unvollkommene Lebensmittel wie zweibeinige Möhren oder krumme Gurken in Kauf nehmen. Außerdem müssen sie bereit sein, faire Preise zu zahlen.
Regionalität reicht den heutigen Kundinnen und Kunden nicht mehr aus. Nur wer mit weiteren Qualitätsmerkmalen bei Produkten und Herstellung punktet, ist aus Sicht der Kundschaft glaubwürdig. Besonders geschätzt wird ein nachhaltiges Engagement. Für einen echten Mehrwert würden die meisten mehr bezahlen und die landwirtlichen Höfe vor Ort unterstützen. Um als direktvermarktender Betrieb langfristig Erfolg zu haben, rät das Expertinnen- und Expertenteam von Ecozept und mareg, folgende Punkte zu beherzigen:
Wer heute Direktvermarktung betreibt, muss den Spagat zwischen Online-Vermarktung und direkten Kundenkontakt meistern. Eine klare Empfehlung ist nicht möglich, daher raten die Expertinnen und Experten von Ecozept und mareg dazu, beides zu kombinieren. Denn Kundennähe sei zwar bis zu einem gewissen Grad auch digital herstellbar, setze allerdings in den meisten Fällen voraus, dass man den Erzeugerbetrieb aus eigener Anschauung kennt und schon mal dort gewesen ist. Immer mehr Verbraucherinnen und Verbrauchern genüge das Wissen, dass er/sie den Erzeugerbetrieb jederzeit besuchen könne, damit dieser Wunsch nach Kundennähe erfüllt werde, so Böhm.
Wer mit anderen nahe gelegenen Erzeugerbetrieben oder dem Lebensmittelhandwerk kooperiert und bestimmte Dienstleistungen wie mobiles Schlachten, Käsen oder Obstpressen auslagert, kann davon profitieren. Synergieeffekte können bei der Lagerung, beim Personaleinsatz oder der Rohwarenbeschaffung entstehen. Vieles spricht aber auch für Kooperationen jenseits des Agrar- und Ernährungssektors, etwa mit Verbraucherinnen und Verbrauchern, externen Dienstleistungs- und Tourismusunternehmen, Bildungsträgern, Pflegeeinrichtungen oder der Gemeindeverwaltung. Hierfür kommen zum Beispiel Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften oder gemeinsam betriebene Dorfläden infrage. Für den Warentransport kann man mit öffentlichen Verkehrsunternehmen kooperieren, etwa nach dem Vorbild des kombiBUS-Prinzips im brandenburgischen Landkreis Uckermark. Dort führen die Linienbusse des öffentlichen Personennahverkehrs Fracht regionaler Anbieter mit. Die ohnehin vorhandenen Transportkapazitäten werden so besser ausgelastet.
Kooperationen im Rahmen von Franchise-Verträgen wollen gut überlegt sein: Denn wenn Produkte wie etwa Fertigmischungen für Bauernhofeis und Kommunikationsmittel vom Franchisegeber stammen, können Regionalität und Authentizität schnell verloren gehen.
Direktvermarktung lebt von Differenzierung und Vielfalt. Gefragt sind unverwechselbare Produkte, die es sonst nicht im Handel gibt. Das können Raritäten wie regionale Rassen, samenfeste Nutzpflanzensorten oder nach eigenen Rezepten verarbeitete Lebensmittel sein, aber auch lokale Besonderheiten. Diese Spezialitäten müssen nicht unbedingt hochpreisig sein. Meist reicht ein kleines exklusives Angebot. Doch überall dort, wo durch andere Geschäfte keine Grundversorgung der Dorfbewohner gewährleistet ist, kann ein möglichst breites Sortiment wirtschaftlich interessant sein.
Als Direktvermarkter ist man ganz nah dran an der Kundschaft. Im Gespräch mit Kundinnen und Kunden hilft es sehr, wenn man weiß, wie die Kundin oder der Kunde tickt. Dabei gilt es, ehrlich und in der Sprache der Kundschaft zu kommunizieren. Ehrliche Kommunikation hört allerdings nicht mit dem Verkaufsgespräch auf. Mindestens ebenso wichtige sind "ehrliche Produkte", die zur Betriebsphilosophie passen. Dazu gehören eine nachvollziehbare Herkunft der Produkte und Rohwaren sowie deren ehrliche Auslobung. Ziel muss es sein, sich von "Pseudo-Regio-Angeboten" in anderen Verkaufsstätten abzuheben. Besonders bei zugekauften Produkten ist Vorsicht geboten und deren Herkunft genau zu prüfen.
Die meisten Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter unterschätzen ihren tatsächlichen Produktionsaufwand. "Das Etikettieren, Konditionieren, Verpacken und der Transport laufen im Betrieb oft nebenher, ohne dass die Arbeitszeit erfasst wird", so Michael Böhm. Entscheidend sei es, die realen Produktionskosten konsequent in den Verkaufspreis einzurechnen und ehrliche Preise zu verlangen. Dazu gilt es, die eigenen psychologischen Hemmschwellen zu überwinden. Denn nur wenn die Verkaufspreise stimmen, kann ein Betrieb wirtschaftlich arbeiten und langfristig überleben. Wer versucht, sich gegenüber dem konkurrierenden Lebensmitteleinzel über den Preis zu profilieren, hat keine Chance. Statt auf Wachstum sollten die Betriebe primär auf Stabilität setzen und zunächst ihr Sortiment und die aktuellen Vermarktungswege stabilisieren.
Grundsätzlich gilt: Ob neuer Hofladen, Bistro oder Ladenausbau, für jedwede größere Planung und Investition empfehlen die Expertinnen und Experten eine SWOT-Analyse. Dabei geht es darum, vor allem die Chancen und Risiken wie etwa Konsumtrends, technische Fortschritte oder andere Entwicklungen im Markt oder Umfeld des Betriebs systematisch zu erfassen und zu bewerten.
Letzte Aktualisierung 30.04.2020