Vielfalt gut vernetzt

Vielfalt gut vernetzt

Über 60 eigene Gemüsekulturen, 17 Marktstände und mehr als 6.000 Artikel im Hofladen – die Direktvermarktung auf dem Biohof Bursch ist komplex. Betriebsleiter Heinz Bursch begegnet dieser Vielfalt mit digitalen Lösungen, die viele Abläufe erleichtern.

Vielfalt macht attraktiv

Wer den Biohof Bursch in Bornheim bei Bonn an einem ganz normalen Wochentag besucht, wundert sich ein wenig. Schon früh am Morgen ist der Kundenparkplatz gut gefüllt. Im hofeigenen Café genießen die ersten Besucherinnen und Besucher ihren Kaffee, lesen Zeitung oder schreiben ihren Einkaufszettel für den späteren Besuch im Hofladen nebenan.

Dass Kundinnen und Kunden aus Köln, Bonn oder Siegburg hierherkommen und dafür werktags bis zu 20 Kilometer weit fahren, sagt viel aus über die Attraktivität des Bio-Hofs. Mitten in den Anbauflächen gelegen bietet der Betrieb Innen- und Außengastronomie mit über 100 Plätzen. Neben Kaffee und Kuchen gibt es hier auch einen Mittagstisch mit traditionellen Gerichten aus der hofeigenen Küche und Bäckerei.

Der Hofladen ist im Grunde ein kleiner Bio-Supermarkt mit einem Vollsortiment aus über 6.000 Artikeln. Neben saisonalem Bio-Gemüse vom Hof gibt es hier auch eine Frischetheke für Käse und Fleisch. Sogar selbstgemachte saisonale Spezialitäten wie Linseneintopf, Kartoffelsuppe oder saure Gurken im Weckglas werden hier angeboten. Sie gehören laut Betriebsleiter Heinz Bursch zu den besonders gefragten Artikeln.

Ein weiteres Standbein der Direktvermarktung sind 17 Markstände, über die das Bio-Gemüse des Betriebs ein- bis zweimal wöchentlich auf Märkten im Umkreis von 50 Kilometern verkauft wird. Das Angebot ist stetig gewachsen. Inzwischen werden auf dem Betrieb über 60 eigene Kulturen angebaut, vom klassischen Kohl bis zu Ingwer, der ganz neu im Programm ist. Auch die selbstgemachten Spezialitäten gehören auf jedem Bursch-Stand dazu.

Für den Aufbau einer Stammkundschaft ist diese Vielfalt ideal. Umgekehrt lässt sich über die vielen Marktstände der Hofladen und das angeschlossene Bistro gut bewerben. Doch der Aufwand, den der Betrieb dafür leisten muss, ist enorm. Etwa 150 Mitarbeitende auf dem Feld, in Hofladen, Küche und Bistro und zur Betreuung der Marktstände machen das breite Angebot erst möglich. "Die Vielfalt des Betriebs zu kontrollieren und alle Bereiche miteinander zu vernetzen, das ist die große Aufgabe bei uns", sagt Bursch.

Digitale Lösungen für vielfältige Zwecke

Der Rheinländer hat früh erkannt, dass digitale Lösungen ein entscheidender Baustein für die gewünschte Kontrolle und Vernetzung sein können. Schon vor fünf Jahren hat er deshalb einen IT-Mitarbeiter fest eingestellt, der laut Bursch "richtig gut zu tun hat". Er hat ein eigenes, perfekt auf den Betrieb zugeschnittenes Warenwirtschaftssystem entwickelt und passt es laufend den neuen betrieblichen Herausforderungen an.

Mit dem System werden nicht nur die Artikel des Hofladens verwaltet, sondern auch die Beschickung der Wochenmarktstände. Für jeden der 17 Stände erhält der oder die Verantwortliche vor jedem Markttag eine Info per Smartphone, wenn etwas nachzupacken ist oder Preise sich kurzfristig geändert haben und neu hinterlegt werden müssen.

Die Ware für jeden Markt wird am Vortag auf Rollis bereitgestellt. Dafür berücksichtigt das System für jeden Marktstandort die Warenabflüsse der letzten Markttage und die aktuell verfügbaren Mengen an Saisongemüse. Auf Basis dieser Daten erstellt die Software eine Liste mit Artikeln, Mengen und Preisen für den nächsten Markttag. Die zuständige Standbetreuung kann das vorgegebene Sortiment aber noch individuell anpassen.

Für die Preisgestaltung werden sogar die Kosten für die Erzeugung berücksichtigt. Denn per Chip können leitende Mitarbeitende Zeitaufwand und Materialkosten für jeden Arbeitsschritt beim Anbau und bei der Zubereitung in der Küche und Bäckerei erfassen. Auch die Kosten für die eingesetzten Produktionsmittel wie Dünger, Pflanzgut oder Energie werden berücksichtigt.

Um den Aufwand für diese Erfassung bei über 60 Kulturen und vielen weiterverarbeiteten Artikeln überschaubar zu halten, werden die Daten einmalig erhoben. Erst wenn sich beim Anbau einer Kultur oder in der Verarbeitung etwas ändert, etwa durch neue Maschinen oder Methoden, erfassen die Mitarbeitenden die Daten zu den Produktionskosten nochmal neu.

"Unser Ziel ist es immer, Abläufe einfacher zu machen", betont Bursch. Als Beispiel nennt er die Arbeitszeiterfassung der Mitarbeitenden an den Marktständen. Das sei früher eine "furchtbare Zettelwirtschaft" gewesen. Heute meldet sich jeder Angestellte bei Arbeitsantritt vor Ort per Chip oder Smartphone an und alle Arbeitsstunden eines Monats werden automatisch elektronisch gespeichert. Auch der Urlaub wird über das System organisiert.

Transparenz für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Bei der Entwicklung des Systems legt die Betriebsleitung großen Wert auf eine möglichst einfache Bedienbarkeit. Heinz Bursch: "Sie können sich die schönsten Funktionen für ihre interne Software überlegen. Aber das bringt nichts, wenn die Mitarbeitenden es nicht bedienen können oder wollen, weil es zu kompliziert ist. Die Nutzung einfach zu gestalten, das ist unsere Stärke."

Als gute Idee erwies sich der Aufbau einer internen "Betriebs-Wikipedia." So nennt Bursch eine interne Datenbank, in der alle wichtigen Infos zu den vorhandenen Betriebsmitteln elektronisch hinterlegt sind und laufend aktualisiert werden, vom.  Akkuschrauber über den Gabelstapler bis zum Transport-Lkw. Hinterlegt sind zum Beispiel Informationen zum Kaufdatum, zu den Wartungsintervallen oder Kontakte zum Lieferanten für Ersatzteile. Alle Mitarbeitenden können jederzeit auf diese Infos zugreifen.

Auf diese Weise kann jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin kleinere Probleme selbst lösen und muss sich nicht an das Leitungspersonal wenden. Bursch berichtet, dass sich der Aufwand für das System lohnt. Die Datenbank wird gut genutzt und auftretende Probleme werden schneller gelöst.

Doch natürlich hat der Betriebsleiter nicht nur die internen Abläufe im Blick, sondern vor allem die Wünsche der Kundinnen und Kunden. Deshalb sind zum Beispiel alle 17 Marktstände mit elektronischen Kassenterminals ausgestattet, die ein kontaktloses Bezahlen per Karte, Smartphone oder Smartwatch ermöglichen. Die Entwicklung war getrieben durch die Corona-Pandemie, in der ein wachsender Teil der Kundschaft diesen Service nachfragte.

Das entspricht ganz der Philosophie des Betriebs. Bursch möchte Traditionelles und Bewährtes beibehalten und gleichzeitig offen bleiben für neue gesellschaftliche Entwicklungen und Technologien. "Wenn das selbstgemachte Sauerkraut am Marktstand mit der Smartwatch bezahlt wird, ist das genau das, was wir uns vorstellen", sagt Bursch.

Transparenz für die Kundschaft

Trotz der starken Präsenz auf Wochenmärkten spielt der Hofladen nach wie vor eine zentrale Rolle im Betriebskonzept der Familie Bursch. Er ist laut Bursch Ankerpunkt für Menschen, die regelmäßig an den Marktständen einkaufen und auch eine Art Schaufenster für den regionalen Bio-Gemüseanbau. "Wir wollen unsere Erzeugung hier transparent machen. Die Leute sollen sehen, wie wir arbeiten und woher das Gemüse kommt", sagt Bursch.

Dieser Transparenzgedanke steckt auch hinter den regelmäßig angebotenen Führungen, bei denen pro Saison etwa 1.000 Teilnehmende Einblicke in die Betriebsabläufe und die ökologischen Anbaumethoden erhalten. Weil die selbstgemachten Produkte des Betriebs so gut ankommen, werden auch Kurse zur Sauerkrautherstellung angeboten.

Für dieses Betriebskonzept wurde der Bio-Hof Bursch als einer von drei Siegern beim Bundeswettbewerb Ökologischer Landbau 2022 von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ausgezeichnet.

Doch Heinz Bursch und seine Familie ist weit davon entfernt, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Schon längst gibt es Pläne für die Weiterentwicklung des Betriebs zur weiteren Vernetzung der Erzeugung, zum Aufbau einer eigenen Rinderherde und zum Anbau eigener Sojabohnen. Selbst im Bereich der Sauerkrautherstellung werden die bestehenden Techniken immer weiter optimiert. Das wissen auch die treuen Kundinnen und Kunden des Betriebs zu schätzen.


Letzte Aktualisierung 19.12.2022

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