Grundlagen der Öko-Aquakultur

Ökologische Aquakultur

Angesichts sinkender Fischbestände in den Weltmeeren und den großen Flusssystemen gewinnt die Zucht von Fischen in künstlich angelegten Teichen, Gehegen und Tanks seit 1990 zunehmend an Bedeutung. Mittlerweile kommt ein gutes Drittel aller konsumierten oder verarbeiteten Fische und andere Wassertiere aus Aquakultur-Betrieben; das waren laut Bericht der Food and Agriculture Organization (FAO, Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen) im Jahr 2012 rund 66,6 Millionen Tonnen.

Seit Mitte der 90er Jahre stagnieren die Erträge aus der Fischerei beziehungsweise sind sogar rückläufig. Seitdem nimmt der prozentuale Anteil der bis an die Grenzen befischten und überfischten Bestände an der Gesamtzahl aller fischereiwirtschaftlich wichtigen Bestände kontinuierlich zu. Im Jahr 2006 betrug er rund 79 Prozent, im Jahr 2008 lag er bei 85 Prozent. Laut FAO-Statistiken lag der Fischerei-Weltertrag im Jahr 1995 bei 93 Millionen Tonnen, 2000 bei 96 Millionen Tonnen, 2004 bei 92,4 Millionen, 2006 bei 89,7 Millionen, 2009 bei 90 Millionen und 2012 bei 91,3 Millionen Tonnen. Von diesen Mengen sind aktuell etwa 20 Millionen Tonnen Kleinfische, die zu Fischmehl verarbeitet werden. Aus diesem wiederum werden Futtermittel produziert - hauptsächlich für die Aquakultur. Vor 10 Jahren betrug diese Menge noch etwa 30 Millionen Tonnen. Die scheinbar positive Differenz der direkt als Speisefisch genutzten Menge resultiert aus dem Umstand, dass immer tiefere Meeresbereiche als Fischgründe erschlossen wurden. Alle diese Zahlen und Fakten können dem aktuellen FAO-Bericht "The State of World Fisheries and Aquaculture 2014" (pdf-Datei) entnommen werden, der frei im Internet verfügbar ist.

Schattenseite der konventionellen Aquakultur: Umweltschäden

Mit der massiven weltweiten Expansion der konventionellen Aquakultur sind schwerwiegende Umweltschäden und erhebliche Nachteile für Mensch und Tier verbunden. Besonders die marine Aquakultur steht in der Kritik, mit der Massenhaltung von Fischen in Netzgehegen Küstenabschnitte optisch zu verschandeln und Meeresböden zu zerstören.

Immer wieder kommt es wetterbedingt zu Havarien von Netzgehegen, die Ausbrüche von zehntausenden oder hunderttausenden Fischen zur Folge haben. Dies ist vor allem im Hinblick auf den möglichen Einzug der Gentechnik in die Fischzucht ein ernsthaftes Problem, denn bei der Freisetzung von gentechnisch veränderten Fischen droht deren Einkreuzung in die Wildbestände. Ebenfalls problematische Auswirkungen bringt die Shrimpsindustrie mit sich, die die Mangrovenwälder ganzer Küstenabschnitte abholzt, um ihren immensen Flächenbedarf zu decken.

Nahezu paradox ist auch die Tatsache, dass für die Fütterung von 10 bis 15 Millionen Tonnen Raubfischen, die weltweit gezüchtet werden, nahezu 30 Millionen Tonnen Kleinfische gefangen und zu Fischmehl verarbeitet werden. Die Fischmehlindustrie versichert zwar die Nachhaltigkeit ihrer Fischereiaktivitäten und betont die Nichteignung dieser Fische für den menschlichen Konsum. Die kontinuierliche Entnahme solch kolossaler Biomassen aus dem Ökosystem Ozean kann aber nicht ohne langfristige Folgen bleiben.

Ökologische Aquakultur als Alternative

Die ökologische Aquakultur ist ein recht junges Segment der Biobranche. Ihre Entwicklung begann Anfang der 90er Jahre zunächst auf der Basis von privaten Richtlinien einiger Anbauverbände wie Naturland (Deutschland) oder Soil Association (Großbritannien). Sie basiert auf den Prinzipien der extensiven Tierzucht und implementiert Umweltschutz, Tiergerechtigkeit und Sozialkriterien. Dabei wird die Wirtschaftlichkeit jedoch nicht außer Acht gelassen. Einige EU-Staaten wie Frankreich, Dänemark und Irland führten im Laufe der Jahre eine nationale Gesetzgebung zur ökologischen Aquakultur ein. 

Mittlerweile gibt es in Europa etwa 20 verschiedene Standards zur ökologischen Aquakultur, die sich allerdings zum Teil erheblich hinsichtlich Strenge sowie Qualität der resultierenden Produkte unterscheiden. Die seit Januar 2009 geltende Neufassung der EG-Rechtsvorschriften zum ökologischen Landbau hat die Grundlage für EU-weite einheitliche und verbindliche Richtlinien zur Ökoaquakultur gelegt: Die Aquakultur fällt in den Geltungsbereich der EG-Öko-Basisverordnung 834/2007. Die Durchführungsbestimmungen zur Ökoaquakultur sind mit der Kommissionsverordnung 710/2009 am 5. August 2009 verabschiedet worden und mittlerweile als Kapitel zur Ökoaquakultur in die Durchführungsverordnung (889/2008) integriert.

Die Aquakulturvorschriften in der Durchführungsverordnung schließen neben Fisch auch die Produktion von Muscheln, Schnecken- und Krebstieren sowie Stachelhäutern ein. Damit gibt es auch Vorgaben für Aquakulturarten, die in der Ökoaquakultur in Europa bislang nicht von Bedeutung sind, wie beispielweise Shrimps oder Pangasius. Die Produktion dieser Erzeugnisse für den Export ist eine wichtige Einkommensquelle für die Betriebe in Entwicklungs- oder Schwellenländern. In Europa sind es vor allem Tiere wie Lachs, Forelle, Karpfen etc. aber auch Austern, die in der Ökoaquakultur eine größere Bedeutung haben. 

Forschungsbedarf in der Ökofischzucht

Eines der wichtigsten Forschungsfelder für die Ökoaquakultur ist die Suche nach Alternativen zu chemischen Anti-Parasitika. Ein weiteres Forschungsthema ist das Fischwohl beziehungsweise die tiergerechte Haltung der Fische. So herrscht unter den Experten Uneinigkeit bei der Frage, wie dicht Fische in künstlichen Gewässern oder Gehegen gehalten werden können, ohne die Ansprüche an Artgerechtigkeit zu verletzen. 

Außerdem ist unklar, wie wichtig für Fische eine natürliche oder naturnahe Umgebung ist und ob beispielsweise geschlossene Kreislaufanlagen ökologisch zertifizierbar sind. Die Mehrzahl der aktuellen Richtlinien sowie die Rechtsvorschriften zum ökologischen Landbau verbieten eine Ökozertifizierung von Fisch aus derartigen Anlagen. 

Weiterhin mangelt es nach wie vor an weltweit erfassten Daten zur Produktion und Wirtschaftlichkeit ökozertifizierter Betriebe, sowie zu den Faktoren, die diese Wirtschaftlichkeit beeinflussen.


Aus der Forschung - für die Praxis

Im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) werden zahlreiche Forschungsprojekte durchgeführt.

Wirtschaftlichkeit von Aquakulturbetrieben (2010)

In Deutschland besteht eine hohe Nachfrage nach Produkten aus ökologischer Aquakultur. Durch inländische Produzenten kann diese bislang nicht gedeckt werden. Wichtige Voraussetzungen für eine zielgerichtete Förderung der Umstellung auf ökologische Aquakultur sind konkrete Zahlen zur Wirtschaftlichkeit von konventionellen und ökologischen Aquakulturen und das Wissen um mögliche Schwachstellen in der gesamten Wertschöpfungskette. In einem Forschungsprojekt hat die Landwirtschaftsberatung Mecklenburg-Vorpommern/Schleswig-Holstein GmbH (LMS) eine Bestandsaufnahme von Produktions- und Marktbedingungen der Aquakultur aus Produzentensicht erstellt. Um potenzielle Schwachstellen in der Wertschöpfungskette herausfinden zu können, bezog die Erhebung neben zertifizierten Betrieben auch solche ein, die aus verschiedenen Gründen ihre Zertifizierung nicht weiterführten.

Betriebzweigauswertung ökologisch und konventionell wirtschaftende Aquakultur-Betriebe

Marktanalyse für ökologische Aquakulturerzeugnisse (2010)

In den vergangenen Jahren hat der Umsatz mit Ökolebensmitteln in Deutschland einen enormen Aufschwung verzeichnet. Inwiefern konnten auch deutsche Aquakulturbetriebe von diesem "Bio-Boom" profitieren? Eine Marktanalyse der Uni Kassel sollte allen Marktbeteiligten Informationen für eine gezielte Planung von Produktion bzw. Einkauf und Absatz ökologischer Aquakultur-Erzeugnisse liefern.

Die Studie ergab, dass Deutschland weltweit der wichtigste Abnehmer für ökologische Aquakultur-Erzeugnisse ist. Beim Wareneinkauf durch Handel und Verarbeitung dominiert der Import. Allgemein werden dem noch sehr kleinen Markt mittelfristig hohe Wachstumsraten zugeschrieben. Dabei gingen die Unternehmen von einer stärker als das Angebot wachsenden Nachfrage aus; das geringe heimische, aber auch das nicht ausreichende ausländische Angebot hemme die Entwicklung des Marktes. Mit der Einführung der "Durchführungsvorschriften für die Produktion von Tieren und Meeresalgen in ökologischer/biologischer Aquakultur" (Verordnung (EG) Nr. 710/2009) haben die Marktakteure sowohl Hoffnungen auf eine Standardisierung der Kennzeichnung verbunden als auch Befürchtungen, dass diese zu Wettbewerbsnachteilen für Hersteller führen könnten, die nach privaten Richtlinien zertifiziert sind. Für Forellen wurden im Gegensatz zum Karpfen sehr gute Marktchancen festgestellt. In Österreich wurden drei Erfolgsfaktoren für die Partizipation heimischer Produkte am Markt identifiziert: die enge Vernetzung der Erzeuger, die eigene Teilstückvermarktung der Erzeugnisse (auch beim Karpfen) und die staatliche Förderung einer extensiven Teichwirtschaft.

Marktanalyse für ökologische Aquakulturerzeugnisse


Lesetipps

  • Bergleiter, S., Berner, N., Censkowski, U., Julia-Camprodon, G. (2009): Organic Aquaculture 2009 - Production and Markets. ISBN: 978-3-00-026707-9. PDF-Datei zum Download.
  • Schmidt, H. (2009): Die neue EG-Verordnung Ökologischer Landbau - Eine einführende Erläuterung mit Beispielen. 2. Auflage September 2009. PDF-Datei zum Download.
  • Stamer, A. (2009): Aspekte nachhaltiger Fischzucht; Ökologische Aquakultur als Alternative. Ökologie und Landbau 151, S. 18–21.
  • Stamer, A. (2009): Alternative tierische Proteine im Fischfutter. Ökologie und Landbau 151, S. 30–32.

Letzte Aktualisierung 01.07.2015

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