Virosen in der Aquakultur

Was tun gegen Virosen in der Aquakultur

Mit der zunehmenden Verbreitung der Aquakultur wächst auch das Risiko, dass sich virusbedingte Fischseuchen mehr und mehr ausbreiten. Auch bei uns sind immer mehr Teichwirtschaftsbetriebe von Virosen wie etwa der Infektion mit dem Koi-Herpesvirus (KHV) oder dem Viralen Hämorrhagischen Septikämie Virus (VHSV) betroffen. Das VHSV ist in der Forellenzucht, das KHV in der Karpfenzucht besonders gefürchtet, weil beide zu immensen Verlusten führen können. Nach einem Ausbruch ist es deshalb zwingend erforderlich, die betroffenen Teichanlagen wirksam zu desinfizieren, um einen erneuten Krankheitsausbruch zu verhindern. Besonders herausfordernd ist das Desinfizieren der Teichböden. Denn zum einen gibt es viele großflächige Teiche. Zudem ist der Teichboden ein sehr komplexer Lebensraum. Zum anderen können von Region zu Region die natürlichen Gegebenheiten der Teichanlagen stark variieren. Das gilt besonders für den pH-Wert der Teichböden. Und selbst innerhalb eines Erdteiches sind oftmals Teichschlamm und Unterboden unterschiedlich zusammengesetzt, etwa hinsichtlich des Humusgehaltes, des Phosphat- und Stickstoffgehaltes, der Korngröße und der Bodenart.

Das alles macht es so schwer, wirksame Desinfektionsmaßnahmen für Erdteiche zu entwickeln. Deshalb förderte das Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) ein vierjähriges, zunächst für drei Jahre bewilligtes Forschungsvorhaben des Institutes für Fischerei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. An dem interdisziplinären Projekt war auch ein Forscherteam der Tierärztlichen Hochschule Hannover, der Universität Erlangen-Nürnberg und des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit beteiligt. Ziel der Studie war es, verschiedene – auch für ökologisch bewirtschaftete Teichanlagen zugelassene – Desinfektionsverfahren zu testen. Dazu zählte der Einsatz gebräuchlicher Mittel wie Branntkalk und Peressigsäure.

Proteasen gegen Virusbefall

In Laborversuchen haben sich mehrere Ansätze als vielversprechend erwiesen: Mittels Branntkalk und Peressigsäure ist es gelungen, die beiden Virusarten vollständig zu inaktivieren. Wirksam war hier eine Mindestkonzentration von zehn mmol/Liter oder 0,1 Volumenprozent. Auch mit einer handelsüblichen Protease (Neutrase®) ließ sich bei einer Konzentration von acht U/Liter eine zuverlässige Virusdesinfektion erzielen. Die inaktivierende Wirkung dieses proteinspaltenden Enzyms beruht vermutlich darauf, dass es die Hüllenproteine dieser Viren abbaut, wodurch das Eindringen des Virus in eine Fischzelle verhindert wird.

Darüber hinaus ist es gelungen, das VHSV ab einer Temperatur von 28 Grad Celsius innerhalb von 24 Stunden und das KHV ab 35 Grad Celsius innerhalb von 48 Stunden zu inaktivieren. Diese Desinfektionsmethode erwies sich auch bei adsorbierten Viren als wirksam. Neben der Temperatur spielte aber auch der pH-Wert eine entscheidende Rolle. In den Laborversuchen zeigte sich, dass das VHS-Virus und das KH-Virus bei pH-Werten unter 4,5 und über 12 nicht mehr infektiös sind.

Messen des pH-Wertes

Nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bieten die Laborversuche interessante Ansatzpunkte für die Praxis. Um das passende Mittel und die geeignete Aufwandsmenge auswählen zu können, ist es erforderlich, vorab den pH-Wert des Teichbodens zu bestimmen. Dazu muss man wissen, dass sich die pH-Werte der Böden in einer großen Bandbreite bewegen, allein bei den 87 untersuchten Teichen in Bayern lagen sie zwischen 4,8 und 7,8.

Bei einem pH-Wert von 7,4 und einer Trockenmasse des Teichbodens von 35 Prozent empfehlen die Forscherinnen und Forscher, den Teichboden mit 372 Kilogramm pro Hektar Branntkalk zu behandeln, um den pH-Wert für eine Desinfektion wirksam zu erhöhen. Je nach Höhe der pH-Werte des Sedimentes sollten die Teichwirtinnen und -wirte die Aufwandsmengen entsprechend anpassen: Je saurer der pH-Wert des Teichbodens, umso mehr Branntkalk ist erforderlich (je pH-Wert-Einheit Erhöhung um den Faktor fünf). Bei einem pH-Wert von 6,4 sind dies 1860 Kilogramm pro Hektar Branntkalk, bei einem pH-Wert von 5,4 eine Aufwandsmenge von 9300 Kilogramm pro Hektar. Die Kosten für die Branntkalk-Behandlung belaufen sich auf 67 Euro Hektar bei pH 7,4, 335 Euro pro Hektar bei pH 6,4 und 1675 Euro pro Hektar bei pH 5,4.

Bei einer Desinfektion mit Peressigsäure verringert sich mit abnehmendem pH-Wert die benötigte Menge an Peressigsäure, um den Boden ausreichend anzusäuern (je pH-Wert-Einheit Verringerung um den Faktor zehn): Bei einem pH Wert von 7,4 sind 1550 Liter (18300 Euro), bei einem pH-Wert von 6,4 155 Liter (1830 Euro) und bei einem pH-Wert von 5,4 von nur noch 16 Liter (183 Euro) vonnöten. Bei pH-Werten des Teichbodens höher als sechs ist daher die Desinfektion mittels pH-Erhöhung durch Ausbringen von Branntkalk anzuraten. Dagegen ist es bei einem pH-Wert unter sechs ratsam, den pH-Wert des Teichbodens mittels Peressigsäure zu senken.

Temperatur ist ein wichtiger Faktor

Nach bisherigen Erkenntnissen dürfte es bei sehr hohen Temperaturen des Teichsediments reichen, den erkrankten Fischbesatz zu entfernen und den Teich zeitweise trockenzulegen. Dabei kommt den Teichwirtschaftsbetrieben zugute, dass sich im Sommer der Teichboden durch die Sonneneinstrahlung mitunter auf deutlich mehr als 30 Grad Celsius erwärmen kann. Vieles spricht auch dafür, dass ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren desinfizierend wirkt – von der Wärmeeinwirkung und der UV-Strahlung bis hin zur teicheigenen Mikroflora mit den darin enthaltenen Proteasen. Wichtig dabei ist allerdings, auch vorhandene Muscheln oder Kleinfische aus dem Teich zu entfernen, da diese einen neuen Besatz infizieren könnten.

Die in der Arbeit untersuchten Desinfektionsmittel, so das Fazit des Forschungsvorhabens, eignen sich grundsätzlich zur Desinfektion von Teichen. Bis zur Praxisreife seien allerdings noch weitere Studien notwendig, um die in Laborversuchen beobachtete Wirkung in dem komplexen Ökosystem Teich zu bestätigen. Dazu gehören auch vertiefende Untersuchungen der natürlichen Einflussfaktoren, darunter Temperatur, UV-Strahlung sowie die natürlicherweise im Teich vorkommende proteasenbildende Mikroflora.


Letzte Aktualisierung 15.08.2018

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