Mulch-Direktpflanzung – Interview mit Johannes Storch

Mulch-Direktpflanzung – Interview mit Johannes Storch

Der Bio-Landwirt Johannes Storch und sein Team von live2give arbeiten seit 2011 auf ihrem Gemüsehof mit einem selbstentwickelten Mulchsystem, das den Einsatz von Transfermulch mit einer Mulch-Direktpflanzung kombiniert. Für das innovative System erhielt die Gemeinschaft 2022 den Bundespreis Ökologischer Landbau im Bereich Pflanzenbau.

Im Interview mit Oekolandbau.de stellt Johannes Storch die Besonderheiten der Mulch-Direktpflanzung heraus, erzählt von den bisherigen Erfahrungen des Mulch-Netzwerks und den Herausforderungen, die auf Landwirtinnen und Landwirte zukommen, wenn sie auf ihrem Betrieb ein Mulchsystem einführen möchten.

Oekolandbau.de: Sie arbeiten auf Ihrem Hof mit Mulch-Direktpflanzung. Was genau bedeutet das?

Johannes Storch: Zuerst sollte der Unterschied zwischen Mulch-Direktpflanzung und Transfermulch klar sein: Bei Transfermulch erntet man Mulchmaterial auf einer Geberfläche und transferiert das Material auf eine andere Fläche – die Nehmerfläche.

Bei Mulch-Direktpflanzung pflanzen wir ohne Bodenbearbeitung direkt in eine Mulchschicht, die vor Ort gewachsen ist. Man spricht auch von "Insitu-Mulch". Das bedeutet: an Ort und Stelle gewachsen. Wir nutzen als Mulchmaterial in der Regel eine Zwischenfrucht, in den meisten Fällen ein Gemenge aus Roggen und Wicke, manchmal auch mit Erbse, die wir schlegeln. In die zurückbleibende Mulchschicht pflanzen wir dann direkt, ohne Bodenbearbeitung.

Dann gibt es noch eine Mischform, die wir Kombi-Mulch nennen: Da machen wir alles so, wie bei der Direktpflanzung. Nur ergänzen wir noch extra Transfermulch, damit die Mulchschicht dick genug ist. Das ist üblich, wenn die Zwischenfrucht nicht genug Mulch bereitgestellt hat oder Unkräuter drin sind.

Oekolandbau.de: Mit welchem Mulchmaterial arbeiten Sie?

Johannes Storch: Bei uns ist mittlerweile eine Mischung aus 60 Prozent Roggen, 30 Prozent Wicke und 10 Prozent Erbse Standard geworden. Außerdem arbeiten wir mit Grünlandschnitt und Sudangras als Mulchmaterial.

Oekolandbau.de: Wie sieht Ihre Fruchtfolge aus? Was können Sie hinsichtlich der Fruchtfolge empfehlen?

Johannes Storch: Unsere Fruchtfolge ist komplex und im Moment speziell auf Biomasse ausgerichtet. Zudem ist sie nicht starr. Wir haben eine siebenjährige Fruchtfolge: fünf Jahre Gemüsebau und zwei Jahre Biomasseproduktion für Transfermulch. Wir haben jeden Winter eine überwinternde Zwischenfrucht, die uns Mulchmaterial für das folgende Jahr als Insitu-Mulch bereitstellt. Da das Mulchmaterial häufig nicht ausreicht, arbeiten wir mit Kombi-Mulch oder manchmal auch nur mit Transfermulch.

Den Wickroggen nutzen wir nur als Transfermulch. Und wir bauen auch Sudangras an, das wir im Herbst silieren und für das nächste Jahr bereitstellen.

Rein rechnerisch geht es dann ungefähr so auf, dass wir genügend Mulch für die anderen fünf Jahre haben. Allerdings läuft häufig nicht alles so wie geplant. Dafür haben wir dann weitere Grünlandflächen, die wir im Betrieb mitführen, um zusätzlichen Mulch bereitstellen zu können. Kleegras haben wir übrigens nicht mehr in der Fruchtfolge. Wir überlegen aber aktuell, andere Komponenten mit einzupflegen.

Oekolandbau.de: Viele Landwirtinnen und Landwirte haben das Problem, dass sie zusätzliche Fläche zum Mulchanbau brauchen, insbesondere bei Transfermulch. Braucht man bei Insitu-Mulch weniger Fläche?

Johannes Storch: Bei der Mulch-Direktpflanzung braucht man natürlich weniger Fläche, weil man auf einem Schlag unterschiedliche Wachstumszeiten nutzt. In der Zeit von Oktober bis Mai sind unsere Flächen belegt für die Biomasseproduktion. Danach kann man immer noch eine gute Hauptfrucht etablieren. Das muss man dynamisch sehen: Natürlich ist es im Gemüsebau so, dass eine sehr hohe Flächenbelegung da ist. Aber es gibt auch im intensiven Gemüsebau definitiv Zeiten oder Möglichkeiten, Biomasse zu produzieren.

Um mal Zahlen zu nennen: Wenn man zum Beispiel Wickroggen für Transfermulch anbaut, braucht man die 1,5-fache Geberfläche zur Nehmerfläche. Wenn man Kleegras oder Grünland mit einem Schnitt nutzt, braucht man ein Verhaltnis von 3:1 oder sogar 4:1 – vier Hektar Geber- zu einem Hektar Nehmerfläche. Wenn man das Grünland dreimal schneidet, sind es wahrscheinlich eher 1:1 oder 1,5:1.

Man muss sich ein System schaffen und schauen, wie man hinkommt. Der Flächenbedarf ist tatsächlich relativ hoch. Aber wenn man etwas für die Bodenfruchtbarkeit tun will, muss man auch etwas dafür bezahlen.

Oekolandbau.de: Sie haben Mulchtec-Maschinen entwickelt, die Sie auch an andere Landwirtinnen und Landwirte verkaufen. Welche Erfahrungen gibt es zum Beispiel in Bezug auf den Ertrag oder die Verunkrautung der Anbauflächen?

Johannes Storch: Die Erfahrungen sind sehr unterschiedlich. Man muss Mulchen lernen! Die bisherigen Erfahrungen würde ich so zusammenfassen: Der Mulch selber bringt keinen Ertragsverlust, er bringt tendenziell Ertragsgewinn, aus einem ganz einfachen Grund: Mulch ist ein zusätzliches Düngemittel. Wasser ist besser verfügbar und der Boden heizt sich nicht so stark auf, was auch ertragsrelevant sein kann. Das sind die Vorteile, die Mulch ganz objektiv mitbringt und weshalb er immer einen positiven Effekt auf den Boden hat.

Allerdings kann man viele Fehler machen, so wie in allen Anbausystemen. Es gibt zum Beispiel Streufehler, wenn der Mulch nicht gut vorbereitet ist. Wenn die Zwischenfrucht nicht ordentlich gewachsen ist, können Unkräuter ein Problem werden. Auf vielen Flächen sind oft noch Wurzelunkräuter vorhanden, die der Mulch nicht unterdrücken kann. Samenunkräuter werden dagegen ziemlich zuverlässig unterdrückt, weil sie nicht keimen können. Ich würde jeder und jedem empfehlen, die Fläche vorher ordentlich anzuschauen!

Außerdem kann es technische Probleme geben. Bei der Direktsaat von Kürbis in Mulch haben es die Kürbispflanzen zum Teil nicht durch den Mulch hindurch geschafft. Da wäre es besser gewesen, zu pflanzen statt zu säen oder den Mulch-Schlitz ein bisschen offenzulassen.

Allgemein gibt es einfach noch nicht so viel Erfahrungswissen wie im herkömmlichen Anbau, ob bio oder konventionell. Wir haben jedes Jahr ein Mulch-Netzwerktreffen, wo wir Erfahrungen austauschen und voneinander lernen. Und alle sind begeistert dabei und bleiben dran, weil sie die positiven Effekte sehen und wir uns einig sind, dass die Lernaufgaben zu bewältigen sind.

Oekolandbau.de: Gibt es neue Erfahrungen und Entwicklungen im Bereich Mulchen bei live2give selbst? 

Johannes Storch: Eine neue Entwicklung ist die Mulch-Direktsaat. Wir haben Möhren und Rote Bete dieses Jahr das erste Mal im Mulch getestet, mit ganz positiven Ergebnissen. Wir sind auch technisch weitergekommen, sodass wir auch Einzelkorn in Mulch-Auflagen säen können. Ansonsten arbeiten wir an der Streutechnik für präzises Streuen der Transfermulch-Auflagen und am RotoSeeder für die Mulch-Saat der Zwischenfrüchte.

Oekolandbau.de: Was können Sie Landwirtinnen und Landwirten empfehlen, die neu mit Mulch beginnen wollen?

Johannes Storch: Die wichtigste Voraussetzung ist, dass man das Mulchen wirklich ausprobieren will – und wenn es nur ein paar Schubkarren sind, die man auf zehn Quadratmetern ausbringt. Man kann auch verschiedene Mulchschicht-Dicken testen. Und dann muss man schauen, was in diesen Parzellen passiert und sich fragen, ob ich diesen Effekt möchte. Anschließend kann man das Mulchen vielleicht auf einen Hektar ausweiten.

Das Ausprobieren ist die eine Sache, die andere ist die Regulierung der Wurzelunkräuter: Man muss die Wurzelunkräuter auf dem Betrieb kennen und wissen, wie man damit umgehen kann. Man wird nicht immer alles perfekt bereinigen können, aber man kann durchaus vorarbeiten.

Als dritten wichtigen Punkt sollte man die möglichen Mulch-Quellen für den eigenen Betrieb erschließen.


Letzte Aktualisierung 19.04.2024

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