Transfermulch im Kartoffelanbau nutzen

Transfermulch im Kartoffelanbau nutzen

Der Einsatz von Transfermulch ist aufwendig, aber lohnend. Zu diesem Ergebnis kommt eine mehrjährige Studie der Universität Kassel. Wir haben Projektleiter Stephan Junge gefragt, wo die Vorteile des Systems liegen, wie der Einstieg in den Mulcheinsatz gelingt und warum Transfermulch auch wirtschaftliche Vorteile bietet.

Stephan Junge ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel. Er hat das vierjährige Projekt "Verbesserung Ökologischer Fruchtfolgen mit Transfermulch für ein Regeneratives Angepasstes Nährstoffmanagement" betreut, das vom Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) finanziert wurde.

Oekolandbau.de: Herr Junge, in dem von Ihnen betreuten Projekt haben Sie viele positive Wirkungen von Transfermulch nachweisen können. Welches Ergebnis ist aus Ihrer Sicht für Praxis-Betriebe besonders überzeugend, das System auszuprobieren?

Stephan Junge: Für landwirtschaftliche Betriebe ist am spannendsten, dass Mulch eine Anpassung an die Folgen der Klimakrise ermöglicht. Denn Mulch bietet Schutz vor Erosion, Austrocknung und hohen Bodentemperaturen. Das führt nicht unbedingt zu höheren Erträgen, aber es ermöglicht eine höhere Ertragsstabilität und weniger Qualitätseinbußen bei Dürre. Für viehlose Betriebe ist es zudem eine gute Möglichkeit, Nährstoffkreisläufe ohne Düngerzukauf zu schließen. So kann Transfermulch zum Beispiel Haarmehlpellets in der Düngewirkung 1:1 ersetzen.

Oekolandbau.de: Sie haben das System an mehreren Standorten getestet. Werden die positiven Effekte des Mulchs auf jedem Standort wirksam?

Stephan Junge: Im Grunde gibt es kaum Ausnahmen. Aber man muss das System auf jeden Standort immer etwas anpassen, damit es optimal funktioniert. Schwierigkeiten kann es auf schweren Böden mit höheren Tonanteilen geben, die sich im Frühjahr nur langsam erwärmen. Aber ich kenne Praxisbetriebe, die auch auf solchen Flächen erfolgreich mit Transfermulch arbeiten.

Oekolandbau.de: Ist Transfermulch grundsätzlich nur für reine Ackerbaubetriebe sinnvoll?

Stephan Junge: Viehhaltende Betriebe benötigen den Aufwuchs in der Regel als Futter für ihre Tiere. Zudem können sie den anfallenden Wirtschaftsdünger gezielt zur Nährstoffversorgung im Ackerbau einsetzen. Dennoch haben viehhaltende Betriebe besonders gute Voraussetzungen für den Mulcheinsatz, weil sie über die technische Ausstattung zur Werbung der Grünmasse verfügen. Bei ausreichender Flächenausstattung macht es deshalb auch für viehhaltende Betriebe Sinn, die Vorteile von Transfermulch zu nutzen. Allerdings müssen sie verstärkt auf mögliche Nährstoffüberhänge achten.

Transfermulch in der Praxis

Oekolandbau.de: Wie viele Betriebe setzen Transfermulch bereits in der Praxis ein?

Stephan Junge: Schon im Jahr 2014 haben wir ein Netzwerktreffen Mulch im Gemüsebau mit Praxisbetrieben, Beratung und Forschung initiiert, an dem regelmäßig Acker- und Gemüsebaubetriebe teilnehmen. Anfangs war das noch eine Nische. Seitdem die Folgen der Klimakrise immer deutlicher werden, haben die Anfragen stark zugenommen. Genaue Zahlen sind nicht bekannt. Aber unter ökologisch wirtschaftenden Betrieben ist der Mulcheinsatz keine Seltenheit mehr. Das Spektrum reicht vom Marktgärtner bis zu spezialisierten Betrieben, die bis zu 40 Hektar Kartoffeln mit Transfermulch düngen.

Oekolandbau.de: Dafür werden sehr große Mengen an Grünmasse benötigt. Wie viel "Geberfläche" braucht man für einen Hektar Kartoffeln?

Stephan Junge: Im Ackerbau haben wir mit rund 50 Tonnen Wick-Triticale-Frischmasse pro Hektar (t FM/ha) die besten Ergebnisse erzielt. Das entspricht dem Nährstoffgehalt von etwa 100 Kilogramm Stickstoff pro Hektar. Im Gemüsebau wird zum Teil das Dreifache dieser Menge benötigt. Wie groß die Geberfläche sein muss, hängt vom Ertragspotenzial und der Witterung ab. In unseren Versuchen waren es im Schnitt drei Hektar Aufwuchsfläche für einen Hektar Kartoffeln.

Bei Frühjahrstrockenheit ist der Aufwuchs oft schwächer. Deshalb raten wir zum Einsatz von Silage, auch wenn der Arbeitsaufwand hier größer ist. Wichtig ist es, die Ausbringung genau zu kontrollieren und die ausgebrachten Stickstofffrachten zu berechnen. Denn Transfermulch fällt wie alle Dünger unter die Düngeverordnung.

Oekolandbau.de: Gibt es Unterschiede bei der Wirkung von Silage und Frischmasse?

Stephan Junge: Da man bei Kleegrassilage drei Aufwüchse im Jahr nutzen und einsilieren kann, verbessert sich das Verhältnis von Geber- und Kartoffelfläche auf 1:1. Zudem hat Silage eine höhere Nährstoffkonzentration und unterdrückt Unkräuter besonders gut. Die Ausbringungsmenge kann auf 40 t/ha reduziert werden. Weniger Material sollte es aber nicht sein, damit der Boden vollständig bedeckt ist. Bei der Nutzung von Frischmasse hat sich Wick-Triticale mit einem Wickenanteil von 40 Prozent bewährt. Im Vergleich zu Kleegras hat Wick-Triticale mehr Lignin und damit einen höheren Strukturanteil, der den Erosionsschutz verbessert. Bei Kleegras haben wir zudem einen stärkeren Schneckenfraß beobachtet.

Voraussetzungen für den Einstieg ins Mulchen

Oekolandbau.de: Welche Voraussetzungen sollte ein Betrieb mitbringen, um in die Mulchwirtschaft einzusteigen?

Stephan Junge: Ein wichtiger Punkt ist die Einstellung der Betriebsleitung. Das hat eine Befragung im Rahmen unserer Studie ergeben. Man sollte offen sein für Innovationen und mit Rückschlägen umgehen können. Denn bei der Einführung eines Transfermulchsystems zahlt jeder Betrieb anfangs etwas Lehrgeld. Ich rate dazu, mit der vorhandenen Technik auf kleiner Fläche anzufangen und dann zu optimieren. Wenn dabei etwas schief geht, sind die Folgen gering.

Oekolandbau.de: Was ist noch wichtig für den Einstieg?

Stephan Junge: Optimal ist eine gute Vernetzung mit anderen Betrieben, die bereits Erfahrungen mit Transfermulch gesammelt haben und über die benötigte Technik verfügen. Für die Werbung der Grünmasse braucht ein Betrieb wie bei der klassischen Graswerbung Schneidwerk, Wender und Schwader. Zur Aufnahme der angewelkten Frischmasse oder Silage empfiehlt sich ein umgebauter Ladewagen oder kleinen Miststreuer, mit dem das Material beetweise ausgebracht wird. Eine Haube hinter den Streuwalzen, die das Material abprallen lässt, sorgt für eine sehr gleichmäßige Verteilung.

Für große Flächen ab zwei Hektar sind Mist- oder Kompoststreuer gut geeignet. Sie haben eine größere Arbeitsbreite als Ladewagen. Das ermöglicht eine höhere Flächenleistung, verursacht aber auch Fahrspuren, die im Kartoffelanbau problematisch sind.

Oekolandbau.de: Muss die Fruchtfolge angepasst werden?

Stephan Junge: Grundsätzlich kommt es durch den Einsatz von Transfermulch zu einer Intensivierung der Nährstoffzufuhr, von der auch die Folgekultur profitiert. Wir haben gute Erfahrungen mit Weizen vor Kartoffeln mit Transfermulch gemacht, gefolgt von Mais. Das hat sich als sehr rentabel erwiesen.

Allerdings muss die Fruchtfolge beim Mulcheinsatz immer flexibel an die Wetterbedingungen im Anbaujahr angepasst werden. So verringert eine anhaltende Trockenheit bei Mulch – wie bei allen Düngern – sehr stark die Mineralisierung und Aufnahme von Nährstoffen. In diesem Fall sollte auf die Kartoffel eine Zwischenfrucht folgen, um die großen Mengen an Reststickstoff im Boden vor der Auswaschung zu schützen.

In feuchten Jahren kann Transfermulch sehr hohe Erträge ermöglichen. Die N-Vorräte im Boden sind dann nach der Ernte meist komplett aufgebraucht, weshalb in diesen Fällen eine Leguminose als Folgefrucht zu empfehlen ist.

Wirtschaftliche Vorteile

Oekolandbau.de: Sie haben im Projekt auch die Wirtschaftlichkeit des Mulcheinsatzes untersucht. Wann profitieren Betriebe ökonomisch von der Mulchdüngung?

Stephan Junge: Wir haben festgestellt, dass Transfermulch vor allem auf kleineren Anbauflächen bis zwei Hektar sehr rentabel ist. Je nach Schlaggröße, Mulch-Verfahrenskette und betrieblichem Management lagen die Hektarerlöse im Schnitt 1.200 bis 1.800 Euro höher als bei den üblichen Anbauverfahren, bedingt durch bessere Qualitäten und Markterträge. Um die Verfahrenskosten niedrig zu halten, sollte die Geberfläche so dicht wie möglich an der vorgesehenen Kartoffelfläche liegen, das heißt maximal einen Kilometer entfernt. Für Pflanzguterzeuger bringt auch die bessere Qualität der geernteten Kartoffeln ökonomische Vorteile. So ist die Erzeugung von virusfreier Ware einfacher, weil Überträger wie Blattläuse die Pflanzen auf Mulchflächen nicht anfliegen. Mulch wirkt hier besser als jedes Insektenbekämpfungsmittel.

Oekolandbau.de: Führt Mulch zu einem stärkeren Besatz mit Mäusen und Wurzelunkräutern?

Stephan Junge: Mäuse gibt es vor allem dann, wenn man mit Stroh düngt. Denn die Körner locken die Tiere an. Ansonsten gibt es kaum Unterschiede zur üblichen Düngung. Anders verhält es sich mit Wurzelunkräutern. Diese können durch Mulch wegen ihrer Speicherorgane genauso gefördert werden wie Kartoffeln. Flächen mit hohem Wurzelunkrautbesatz, vor allem Distel, sind zu meiden. Diese sollten zuallererst über die Fruchtfolge und konkurrenzstarken Zwischenfrüchten bekämpft werden.

Oekolandbau.de: Welches Potenzial sehen Sie zukünftig für den Mulcheinsatz? Hat das System Potenzial für eine breite Anwendung?

Stephan Junge: Ich denke, dass der Leidensdruck durch die zunehmenden klimatischen Extreme darüber entscheiden wird, ob sich der Mulcheinsatz in der Breite durchsetzt. Der einfachste Einstieg in das System ist für mich der Zwischenfruchtanbau, auf den viele Kartoffelbetriebe aus Angst vor Rhizoctonia verzichten. Durch das Mulchen und flache Einarbeiten der Zwischenfrucht bekommt der Boden so viel Struktur, dass das Erosionsrisiko deutlich zurückgeht. Das haben wir auf einer Praxisfläche beobachtet, auf dem sich die Dämme nach 70 Millimeter Niederschlag in kurzer Zeit null bewegt haben.


Letzte Aktualisierung 15.04.2024

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