Schweinepatenschaften als Chance für Bio-Betriebe?

Schweinepatenschaften als Chance für Bio-Betriebe?

Schweinepatenschaften bieten Landwirtinnen und Landwirten die Chance, ihre Tiere ganzheitlicher zu verwerten.  Durch die Patenschaften lernen Verbraucherinnen und Verbrauchern gleichzeitig mehr über artgerechte Tierhaltung. Das ermöglicht den Betrieben den Aufbau neuer Vermarktungsformen.

Die Forderung von Verbraucherinnen und Verbrauchern nach mehr Tierwohl wird immer lauter. Auch im Hinblick auf die Klimakrise wird es wichtiger, Tiere nicht nur artgerecht, sondern auch nachhaltiger zu halten. Darüber hinaus muss auch das Fleisch nachhaltiger, sprich ganzheitlich verwertet werden. Oftmals fehlt Verbraucherinnen und Verbraucher jedoch das Wissen darüber. Ihnen muss vermittelt werden, dass Nutztiere nicht nur aus Edelteilen bestehen, sondern "from nose to tail", also quasi "vom Rüssel bis zum Ringelschwanz", verwertet werden sollten.  

Wie funktionieren Schweinepatenschaften?

Für schweinehaltende Betriebe besteht durch sogenannte Schweinepatenschaften oder Schweineleasing die Chance, ihre Tiere ganzheitlich zu verwerten und gleichzeitig Konsumentinnen und Konsumenten die artgerechte Schweinehaltung zu vermitteln. Dabei sind die Patenschaften nicht mit Tierpatenschaften für Haustiere zu vergleichen. Schweinepatenschaften bedeuten oftmals einmalige oder monatliche Zahlungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern an die schweinehaltenden Betriebe. Das Tier wächst meist in artgerechter Freilandhaltung auf, die Patinnen und Paten werden dabei häufig über deren Entwicklung informiert. Für den bezahlten Betrag erhalten Patinnen und Paten in der Regel Fleisch von "ihrem Patenschwein" beziehungsweise Schweinen des Hofes. Erst wenn sich ausreichend Abnehmerinnen und Abnehmer für das Fleisch eines Schweines gefunden haben und es sein Schlachtgewicht erreicht hat, wird das Schwein geschlachtet. Neben robusten Schweinerassen wie dem Duroc-Schwein kommen oft "Alte Rassen" zum Einsatz, was zur Erhaltung dieser beiträgt. 

Besseres Fleisch dank Freilandhaltung 

Besonders die ganzjährige Freilandhaltung von Schweinen bietet – richtig geplant und umge-setzt – höchstes Tierwohl, ohne die Umwelt zu stark zu belasten. Sowohl Mastschweine als auch Sauen können im Freiland mit geringen Investitionskosten gehalten werden. Verbraucherinnen und Verbraucher schätzen neben der artgerechten Haltung auch das qualitativ hochwertige Fleisch. Dank des großzügigen Auslaufs haben die Schweine viel Bewegung, was eine feine Marmorierung sowie zartes, saftiges und aromatisches Fleisch zur Folge hat.

Ganzheitliche Verwertung durch Fleischpakete

Das Fleisch, das Patinnen und Paten erhalten, wird in Fleischpakete zusammengefasst. Es besteht aus verschiedenen Teilstücken des gesamten Schweines. Die Fleischpakete beinhalten in der Regel bestimmte Mengen an verschiedenen Fleischprodukten, oftmals von Hackfleisch über Dosenwurst bis hin zu Braten. Aus einem Schwein können mehrere Fleischpakete gewonnen werden und es können sich auch mehrere Patinnen und Paten ein Schwein teilen. Schweinepatenschaften eignen sich so nicht nur für Großfamilien oder größere Abnehmer, sondern bieten Haushalten unterschiedlichster Größe die Möglichkeit, qualitativ hochwertiges Fleisch aus artgerechter Schweinehaltung zu kaufen. Konsumentinnen und Konsumenten werden dabei nicht nur für die Verwertung aller Fleischteile sensibilisiert, sondern verfolgen das Tier beim Aufwachsen und erhalten einen direkten Bezug zu artgerechter Schweinehaltung. 

Schweinepatenschaften als Chance

Für Schweinehalterinnen und -halter bietet sich so die Chance, ihren Schweinen ein artgerechtes Leben zu ermöglichen und gleichzeitig Aufklärungsarbeit zu leisten, die sich für sie auszahlt. Die Preise für Schweinepatenschaften übersteigen zwar die Kosten für vergleichbares Fleisch im Lebensmitteleinzelhandel, verdeutlichen Verbraucherinnen und Verbrauchern aber auch, dass eine artgerechte Haltung sowohl für Konsumentinnen und Konsumenten als auch für Landwirtinnen und Landwirte aufwendiger und teurer ist. Im Gegenzug für den Mehrpreis erhalten Patinnen und Paten hochwertigeres Fleisch mit besserem Geschmack. Landwirtinnen und Landwirte können ihr Schweinefleisch hochpreisiger vermarkten und neue Vermarktungswege sowie regionale Wertschöpfungsketten und Partnerschaften aufbauen. Es besteht neben der Online- oder Direktvermarktung des Fleisches auch die Möglichkeit, Kooperationen mit Betrieben der Außer-Haus-Verpflegung als Fleischabnehmer einzugehen. Hinzu kommt der Werbeaspekt, denn mit den Patenschaften können Landwirtinnen und Landwirte einen ganz neuen kommunikativen Weg gehen. Dieser wirkt langfristig und trägt zur Imagepflege des Betriebes bei.

Praxistipps zur Vermarktung 

  • Vermittlung der Freilandhaltung als natürlichste Art der Schweinehaltung.
  • Besonderheiten wie natürliches, betriebseigenes Futter, das Ausleben von arttypischen Eigenschaften, kein Einsatz von Antibiotikum sowie den besseren Geschmack betonen.
  • Patinnen und Paten regelmäßig mit Informationen und Fotos zu ihrem Patenschwein versorgen oder die Möglichkeit zu angekündigten Hofbesuchen bieten.
  • Teilstücke küchenfertig für Verbraucherinnen und Verbraucher vorbereiten und ent-sprechend beschriften.
  • Den Fleischpaketen Rezepte zur Verwertung aller Teilstücke beilegen oder wenn gewünscht auch Kochkurse anbieten.

Herausforderungen durch politische Rahmenbedingungen

Familie Röger bietet seit 2014 Schweinepatenschaften von Tieren im Freiland an. Mit jährlich über 100 Paten wurden ihre Vorstellungen weit übertroffen. Bei der Freilandhaltung müssen sie jedoch viele Hygiene- und Dokumentationsvorschriften einhalten. "Leider ist es nicht ganz so einfach mit dieser Haltungsform. Manchmal fragen wir uns, ob die Politik Tierwohl wirklich fördern will – bei so vielen Steinen, die einem in den Weg gelegt werden.", so Rögers. Eine weitere Herausforderung sei das Fehlen verarbeitender Betriebe in der Region für die Schlachtung und Fleischzerlegung und -verarbeitung. Mittlerweile können Rögers einen kostendeckenden Preis erwirtschaften, auch die Kundschaft sei ein großer "Mutmacher" und wissen das Angebot sehr zu schätzen. "Genau das ist unsere Aufgabe als Landwirte, wir müssen Verbraucher wieder zurück zum Ursprung führen und ihn aufklären", so Familie Röger. 

Patenschaften versus individuelle Fleischpakete

Monika Sieber vom Sieber Hof hat sich bewusst gegen den Weg Schweinepatenschaften entschieden. Denn die ganzheitliche Verwertung muss auf das Kundenspektrum abgestimmt sein. "Bei uns kauft nicht nur die Großfamilie ein, sondern auch die alleinstehende Oma. Mit individuellen Fleischpaketen erreichen wir ein noch breiteres Kundenspektrum." Es gibt zwar Kundinnen und Kunden, die halbe Schweine kaufen, als reine Vermarktungsform könne sie sich das allerdings nicht vorstellen, so Monika Sieber. Auch ohne Patenschaften legt Sieber Wert darauf, das ganze Schwein zu verwerten: "Übrige Fleischstücke räuchern wir oder verarbeiten sie zu Wurst im Glas."

Innovativ und ganzheitlich

Daher ist das A und O für Landwirtinnen und Landwirte: Vorab muss die potenzielle Kundschaft und deren Wünsche und Bedürfnisse definiert sein, um für sich das richtige Vermarktungskonzept zu finden. Ein besonderer Vorteil der Patenschaften liegt in der Solidarität der Kundinnen und Kunden im Vorfeld. Diese bezahlen dann, wenn die Kosten anfallen. Landwirtinnen und Landwirte müssen so nicht in Vorleistung gehen und wissen bereits beim Einstallen, dass die Tiere verkauft sind. Landwirtinnen und Landwirte können den Trend zu Regionalität und den höheren Stellenwert von Tierwohl gewinnbringend nutzen. Bei der Planung gilt es, über die Zielgruppe hinaus, Risiken der Freilandhaltung sowie die Verbreitung der Afrikanischen Schweinepest zu berücksichtigen.


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Letzte Aktualisierung 01.02.2023

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