Bio-Fruchtjoghurts mit weniger Zucker?

Bio-Fruchtjoghurts mit weniger Zucker?

Egal ob bio-zertifiziert oder konventionell – Fruchtjoghurts sind meist stark gesüßt. Ziel eines Forschungsprojektes war es daher, in Joghurts und anderen vermeintlich gesunden Produkten den Anteil an raffiniertem Zucker zu verringern. Dr. Kirsten Buchecker erklärt im Interview, wie das funktionieren kann.

Das Projekt "ReformBIO: Reformulierungsstrategien für Bio-Lebensmittel" entwickelt Strategien, wie sich mit weniger Zucker Bio-Produkte ohne geschmackliche und optische Einbußen herstellen lassen. Das Verbundvorhaben wird über das Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) finanziert. Dr. Kirsten Buchecker forscht gemeinsam mit ihrer Arbeitsgruppe von der Hochschule Bremerhaven in dem Projekt an den sensorischen und technologischen Möglichkeiten, Zucker in Bio-Produkten zu reduzieren. Wie das funktioniert, erklärt sie uns im Interview.

Oekolandbau.de:  Worum genau geht es bei dem Projekt ReformBio?

Kirsten Buchecker: Mit unserer Arbeitsgruppe von der Hochschule Bremerhaven bearbeiten wir den sensorischen und technologischen Teil und wollen herausfinden, welche Reformulierungs- und Zuckerreduktionsansätze mit Blick auf Bio-Produkte möglich sind. Wir messen dann auch, wie unsere neu entwickelten Rezepturen bei Verbraucherinnen und Verbrauchern geschmacklich ankommen. Aber auch, wie sich die Zuckerreduktion auf die Textur auswirkt.

Außerdem arbeiten wir in dem Projekt mit der Universität Göttingen zusammen. Professor Dr. Achim Spiller von der Universität Göttingen ist auf Verbraucherstudien spezialisiert und hat mit seinem Team Verbraucherinnen und Verbraucher dazu befragt, was sie von Reformulierungsstrategien bei Bio-Produkten halten. Dabei zeigte sich, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher sehr positiv gegenüber einer Zuckerreduzierung eingestellt sind und sich auch für Bio-Produkte eine Nutri-Score-Kennzeichnung wünschen. Die Kaufbereitschaft von ungewöhnlichen Zutatenkombinationen wie Erdbeer-Kürbis bei Joghurt oder eine Zitronen-Fenchel-Limonade war vor allem bei Bio-Intensivkäufern und -käuferinnen in der Befragung höher.

Oekolandbau.de: Warum konzentrieren Sie sich besonders auf Bio-Produkte? Schließlich ist es vor allem der Reform- und Bio-Branche zu verdanken, dass natürliche Süßungsalternativen wie Fruchtdicksäfte oder Reisesirup heute wieder so populär sind.

Buchecker: Tatsächlich hat die Bio-Branche den Anspruch, möglichst keinen weißen Industriezucker einzusetzen. Schon immer werden in Bio-Produkten bevorzugt Vollrübenzucker, Vollrohrzucker oder Fruchtdicksäfte zum Süßen eingesetzt. Darum bin ich auf alternative Süßungsmittel eingegangen, weil sie neben dem puren Zucker auch Geschmacksstoffe und mehr nutritive Bestandteile liefern als reiner Industriezucker. Mit dem Zusatz von Fruchtdicksäften gebe ich Zucker in Form von Glucose und Fructose oder mit Reissüße, Reis- und Tapiokasirup in Form von Maltose in die Lebensmittel.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Bio-Branche ist zwar schon relativ weit, aber es gibt in puncto Zuckerreduzierung noch Luft nach oben. Dabei ist es nicht damit getan, den Zuckeranteil eins zu eins durch natürliche Süßungsmittel zu ersetzen. Denn technologisch haben diese oft nicht die gleiche Wirkung wie Industriezucker.

Oekolandbau.de: Wie aufgeschlossen sind die Bio-Herstellerinnen und Hersteller für eine Kooperation und für solche Produktinnovationen?

Buchecker: Seitens der Bio-Herstellerinnen und Hersteller, aber auch seitens des Bio-Handels ist das Interesse sehr groß. Zu jeder Produktgruppe haben wir von Anfang an eine Partnerin oder einen Partner aus der Praxis, so erfüllen wir unseren Anspruch, sehr praxisnah zu arbeiten. Bei den Fruchtjoghurts arbeiten wir intensiv mit der Molkerei Söbbeke und Agrana, dem führenden Lieferanten für Bio-Fruchtzubereitungen, zusammen und sind mit weiteren Bio-Molkereien im Austausch. Mit unserem Projektpartner Bundesverband Naturkost Naturwaren wurde gemeinsam die AG Nutri-Score ins Leben gerufen, um unsere Forschungsergebnisse und Reformulierungsstrategien breit in die Bio-Branche hineinzutragen. Insgesamt steckt eine sehr große Dynamik in dem Projekt und es ergeben sich laufend neue Forschungsfragen und Ideen. Das macht das Projekt so unglaublich spannend.

Oekolandbau.de: Warum fokussieren Sie sich in dem Projekt ReformBio auf Fruchtjoghurts, Knuspermüsli, Süßgebäck und Erfrischungsgetränke?

Buchecker: Wir knüpfen hier an die "Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten" des BMEL an, die 2018 beschlossen wurde. Im Fokus der Strategie sind Kinderprodukte wie Frühstückscerealien, Erfrischungsgetränke und eben auch gesüßte Milchprodukte. Bis 2025 wollen die Herstellerinnen und Hersteller beispielsweise den Zuckergehalt in Fruchtjoghurts um mindestens 15 Prozent senken. Langfristig ist eine Zuckerreduktion um 30 Prozent geplant.

Oekolandbau.de: Wie gehen Sie konkret vor, wenn Sie neue Rezepturen entwickeln? Reduzieren Sie einfach schrittweise den Zuckergehalt und ersetzen den Zucker zum gleichen Anteil durch alternative Süßungsmittel?

Buchecker: Als erstes führen wir eine Marktrecherche zu konventionellen Produkten und den Bio-Varianten durch und ermitteln die durchschnittlichen Zuckergehalte der Produktgruppen. Als wir gestartet sind, haben wir keine großen Unterschiede zwischen bio-zertifizierten und konventionellen Fruchtjoghurts festgestellt. Die Zuckermengen bewegten sich im Bereich von 9 bis 13,8 Gramm pro 100 Gramm Joghurt, wobei sich in den letzten 2,5 Jahren schon sehr viel am Markt getan hat. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den Zuckergehalt um 30 Prozent zu reduzieren. Mit dieser Zuckerreduktion kann man das Produkt als zuckerreduziert ausloben. Das gibt die Health-Claim-Verordnung vor. Um unser 30 Prozent-Ziel zu erreichen, schauen wir, wie weit wir mit der Zuckermenge bei den einzelnen Produkten jeweils heruntergehen müssen.

Oekolandbau.de: Insbesondere Fruchtjoghurts sind eine vielfältige und absatzstarke Produktgruppe mit vielen Herstellerinnen und Herstellern. Welche Sorten sind besonders beliebt?

Buchecker: Im Bio-Bereich sind Heidelbeer- und Mangojoghurt besonders gefragt. Im konventionellen Bereich ist der Erdbeerjoghurt der Top-Seller. Dies bestätigen auch unsere Verkostungen mit unseren Studierenden. Die drei getesteten konventionellen Erdbeerjoghurts schneiden dabei immer deutlich besser ab als die drei Bio-Varianten.

Oekolandbau.de: Warum ist das so?

Buchecker: Generell schmecken Bio-Erdbeerprodukte eher fade. Besonders herausfordernd und spannend ist für uns daher der Erdbeerjoghurt. Denn im Gegensatz zu konventionellen Molkereien setzen Bio-Molkereien kein Aroma ein, um die Süße und das Aroma der namensgebenden Fruchtkomponente zu verstärken. Deshalb geht es darum, den schwachen Eigengeschmack der Erdbeere so zu verstärken, dass der Erdbeerjoghurt auch ohne Zusatz von Aromen nach Erdbeeren schmeckt.

Oekolandbau.de: Welcher Ansatz hat sich für Erdbeerjoghurt als erfolgreich erwiesen? Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Buchecker: Bei den Fruchtzubereitungen bleibt man allein aus Preisgründen bei Zucker – sonst würde der Joghurt viel zu teuer werden. Daher haben wir den Zucker in der Erdbeer-Fruchtzubereitung in 5 Prozent-Schritten um bis zu 30 Prozent verringert. Ab einer Reduktion von 10 Prozent zeigte sich zu unserem Erstaunen eine intensivere Erdbeernote im Joghurt. Bei 15 und 20 Prozent hat sich ein optimales Süß-Säure-Verhältnis eingestellt. Die Note wurde sehr fruchtig und die Erdbeere kam durch. Dies ist für die Bio-Branche ein echtes Pfund.

Oekolandbau.de: Wie wirkt es sich aus, wenn Sie den Zucker im Fruchtjoghurt um 20 Prozent und mehr verringern?

Buchecker: Dann nimmt die Viskosität deutlich ab, der Joghurt wird dünnflüssiger. Sehr vielversprechend sind unsere ersten Versuche mit Zitronenfasern. Die stammen aus der weißen flauschigen Schicht zwischen der Schale und dem Fruchtfleisch der Zitrone. So haben wir festgestellt, dass die zugesetzten Zitronenfasern den Erdbeer-Joghurt cremiger machen und das Mundgefühl verbessern. Noch dazu verbessern die ballaststoffhaltigen Fasern den Nährwert des Joghurts.

Oekolandbau.de: Besonders interessant klingt das sogenannte Foodpairing-Konzept. Was kann man sich darunter vorstellen?

Buchecker: Bei diesem Ansatz werden ungewöhnliche Zutaten kombiniert, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen, aber gleiche Key-Aromen haben. Dadurch lassen sich Fehlaromen wie Bitternoten oder Säurenoten mildern oder gänzlich beseitigen und der Süßeindruck kann sogar gesteigert werden. Das erste Foodpairing überhaupt ist Kaviar mit weißer Schokolade, der Kaviar bekommt dadurch eine leichte Lakritznote. Für die Bio-Branche bietet Foodpairing die Chance, Nährstoffprofile von zusammengesetzten Lebensmitteln zu verbessern, ohne dass der Geschmack verloren geht.

Oekolandbau.de: Mit welchen Zutatenkombinationen konnten Sie bei Fruchtjoghurt eine überzeugende sensorische Qualität erreichen? Welches Foodpairing kam besonders gut an?

Buchecker: Die Kombination Mango-Kohlrabi kam bei Verkostungen auf der BioFach unglaublich gut an. Lässt man die Fruchtmischung einen Tag gut durchziehen, so verschwindet die Kohlnote des Kohlrabis. Der Kohlrabi bringt dann eine grüne Note in den Mangojoghurt, verstärkt den Mangogeschmack des Joghurts und macht ihn insgesamt leichter und frischer. Auch mit der Kombination Erdbeere mit Basilikum, Rosmarin und Orange haben wir bereits vielversprechende Ergebnisse erzielt und werden diesen Ansatz weiterverfolgen.

Oekolandbau.de: Haben Sie die neuen Rezepturen für Fruchtjoghurt bereits unter betrieblichen Praxisbedingungen getestet, also nicht nur im Labormaßstab?

Buchecker: Bei der Entwicklung der Fruchtjoghurtrezepturen sind wir in einem ständigen Austausch mit unseren Partnerinnen und Partnern. Im Gegensatz zum Crunchymüsli ist der Joghurt aber noch nicht auf einer Produktionsanlage gelaufen. Die Scale-up-Ergebnisse werden mit Spannung erwartet.

Oekolandbau.de: Wie sieht Ihre Prognose aus?  Werden zuckerreduzierte und zuckerfreie Produkten ein Nischenprodukt bleiben oder in Zukunft zum Standard werden?

Buchecker: Wir haben zwar die Möglichkeit, gute Produkte zu entwickeln, aber letztlich müssen die zuckerreduzierten Produkte natürlich gegen die Vollzucker-Varianten bestehen. Dabei steht uns die angeborene Präferenz der Menschen für Süßes im Weg. Anker

Daher braucht es zum einen dringend die Unterstützung von politischer Seite. Außerdem reicht es nicht aus, die Produkte mit weniger Zucker einfach ins Regal zu stellen. Um deren Kauf anzukurbeln, braucht es ein gutes Marketing und eine gute Kommunikation. Von der Gesundheitsseite her passt es, aber letztlich zählt, dass die Produkte gut schmecken, sonst kauft sie keiner. Immerhin gaben in Verbrauchertests die Testpersonen an, dass die Produkte mit dem reduzierten Zuckergehalt süß genug sind.


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Letzte Aktualisierung 29.11.2023

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