Bio-Stadt – was ist das?

Bio-Stadt – was ist das?

Lokal starten statt auf Brüssel warten: Nach diesem Motto handeln die deutschen und europäischen Bio-Städte. Jede Stadt versucht auf ihre Weise mehr Bio in die Kommune zu bringen. Fast alle erhöhen zunächst einmal die Bio-Anteile in Kita- und Schulküchen.

Mehr Bio-Lebensmittel braucht die Stadt. Bereits über 20 Städte in Deutschland möchten das umsetzen und haben sich per Stadtrats- oder Gemeinderatsbeschluss zur Bio-Stadt erklärt. Mit dabei sind Hamburg und Bremen im Norden, Augsburg und Landshut im Süden sowie Leipzig und Erfurt im Osten. Alle gemeinsam haben das Ziel, den regionalen Öko-Landbau, die Verarbeitung von Bio-Lebensmitteln und den Absatz von regionalen Bio-Produkten zu fördern.

Eine wichtige Rolle spielt dabei, den Bio-Anteil in der Gemeinschaftsverpflegung, also in öffentlichen Kantinen und städtischen Schul- und Kitaküchen, zu erhöhen. Beispielsweise möchte Darmstadt den Bio-Anteil in der Schulessen-Verpflegung auf 50 Prozent steigern. Bremen strebt sogar 100 Prozent in Schul- und Kitaküchen an.

Bio-Städte begeistern für Bio

Städte mit landwirtschaftlichen Flächen können ganz direkt den Öko-Landbau fördern. So bewirtschaftet die Stadt Leipzig ihren eigenen Landwirtschaftsbetrieb biologisch. Weitere wichtige Aufgabe ist, in der Bevölkerung Bündnisse für Bio zu schmieden und Jung und Alt für Bio zu begeistern. In Hamburg gibt es eine Bio-Brotbox für Schulanfänger. Regensburg hat Bayerns ersten reinen Bio-Wochenmarkt eingeführt. Im nordhessischen Witzenhausen, in der Bio-Szene bekannt für den Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel, keimen ständig neue Ideen: über sechzig Betriebe und Initiativen beschäftigen sich hier mit ökologischer Land- und Lebensmittelwirtschaft. Nürnberg hat zusammen mit der Region sogar eine Bio-Metropole gebildet.

Bio-Städte erreichen mehr zusammen

Um sich gegenseitig zu fördern, haben sich die deutschen Bio-Städte zu einem Netzwerk zusammengeschlossen. Netzwerkmitglied kann jede Kommune werden, die sich für mehr Bio engagieren will. Ein bestimmter Mindeststandard ist nicht erforderlich. Der Weg ist das Ziel.

Die Basis bildet eine Kooperationsvereinbarung, die alle Mitglieder unterschrieben haben. Im Vordergrund stehen Erfahrungsaustausch, gemeinsame Projekte sowie die Akquise von Fördermitteln und öffentlichkeitswirksame Aktionen.

In Europa arbeiten vor allem italienische, österreichische und deutsche Bio-Städte im "Organic Cities Network Europe" (OCNE) zusammen. Das Bündnis versucht, städtische Ernährungsinteressen und die nachhaltige Entwicklung des Ernährungssystems in die europäische Agrarpolitik einzubringen. Durch die verbindliche Zusammenarbeit können sich die Städte bei der EU in Brüssel mehr Gehör verschaffen.

Keine Angst vor mehr Bio

Bei Bio ist Bremen vorn: Die Hansestadt ist seit 2014 Mitglied im deutschen Netzwerk der Bio-Städte und hat 2022 die Präsidentschaft bei "Organic Cities Network Europe" übernommen. Projektleiterin Mücella Demir erklärt, was eine Bio-Stadt ihren Bürgerinnen und Bürgern nützt.

Oekolandbau.de: Wie merke ich überhaupt, dass ich in einer Bio-Stadt lebe?

Mücella Demir: Das ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Bei uns merken es die Bürgerinnen und Bürger vor allem bei der Gemeinschaftsverpflegung. Wir sind jetzt bei einem Bio-Anteil von 50 Prozent in der Kita und 40 Prozent in Schulen angekommen. Besonders stolz sind wir auf den Bio-Anteil von 20 Prozent in Krankenhäusern. Hier gibt es eine direkte Kooperation zwischen dem städtischen Klinikverbund und einer örtlichen Bio-Molkerei. Das ist unser Paradebeispiel für eine direkte Wertschöpfungskette.

Sichtbar wird die Bio-Stadt aber auch durch Aktionen von zahlreichen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie die Biobackstube, Gemeinsames Gärtnern und Bauernhofausflüge. Außerdem veranstalten wir jedes Jahr ein Bio-Marktfest. Und auch einige etablierte Pioniere der Bio-Branche haben ihren Sitz in Bremen. Bio ist bei uns ein Wirtschaftsfaktor.

Oekolandbau.de: Wie können sich die Bürgerinnen und Bürger einbringen?

Mücella Demir: Dazu haben wir verschiedene Formate geschaffen. Einmal jährlich gibt es ein Dialogforum "Bio-Stadt für alle" mit verschiedenen Workshops rund um nachhaltige Ernährung. Sechsmal jährlich trifft sich die AG Bio-Stadt. Darin sitzen ganz viele NGOs, die sich mit Ernährung befassen. Der Beirat Bio-Stadt bringt Ideen ein und prüft, ob unser Aktionsplan und seine Ziele noch aktuell sind. Dann haben wir ein Forum Küche im Wandel mit vielen Fortbildungen für Köchinnen und Köche. Außerdem versuchen wir viele Akteurinnen und Akteure zusammenzubringen. Zum Beispiel Bio-Betriebe mit Cateringunternehmen zu vernetzen.

Oekolandbau.de: Wo liegen die Hürden für Bremen und andere Bio-Städte?

Mücella Demir: Direkte Widerstände gibt es bei uns nicht. Die größte Herausforderung ist immer das Geld. Aktuell haben sowohl Verbraucherinnen und Verbraucher als auch Köchinnen und Köche mehr denn je Angst vor Preissteigerungen. Wer Angst hat, möchte nichts verändern, also auch nicht auf Bio umstellen. Das macht unsere Kommunikation momentan sehr schwierig.

Selbst wenn wir zeigen, wie sich die Bio-Verpflegung ohne Mehrkosten realisieren lässt, brauchen die Einrichtungen eine passende Infrastruktur. Ist beispielsweise eine Kitaküche zu klein, kann das Personal dort nicht viel lagern und alles frisch zubereiten. Stattdessen muss es auf teurere Convenience-Produkte zurückgreifen. Außerdem kostet frisch kochen mehr Zeit. Unsere Botschaft lautet daher immer: gute und gesunde Lebensmittel müssen uns viel Wert sein.


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Letzte Aktualisierung 31.08.2023

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