Was machen eigentlich Auditorinnen und Auditoren?

Nah dran am Bio-Betrieb: Was machen eigentlich Auditorinnen und Auditoren?

Auditorinnen und Auditoren spielen eine zentrale Rolle im Öko-Kontrollsystem. Ihre Aufgabe ist es, zu prüfen, ob die Betriebe, die Bio-Produkte anbauen, verarbeiten oder verkaufen, die strengen ökologischen Standards einhalten. Durch regelmäßige Inspektionen vor Ort tragen sie dazu bei, die Glaubwürdigkeit des Bio-Siegels zu wahren.

In der Regel besuchen Auditorinnen und Auditoren die Bio-Betriebe einmal pro Jahr zur Kontrolle. Warum reicht das aus? Wie gehen sie vor? Welche Voraussetzungen müssen sie erfüllen? Diesen Fragen sind wir in Interviews mit Lena von der ÖkoP Zertifizierungs GmbH, einer Auditorin für landwirtschaftliche Betriebe, und Stefan von der Ecocert Deutschland GmbH, einem Auditor für Verarbeitungsbetriebe, nachgegangen.

Der Arbeitsalltag einer Auditorin

Wir haben Lena befragt, wie ihre Tätigkeit für die Kontrollstelle aussieht.

Mein Arbeitsalltag ist alles andere als eintönig. Ich beginne häufig im Homeoffice, wo ich die Kontrollvor- und -nachbereitung durchführe. Dabei bereite ich mich auf die Besuche der verschiedenen Betriebe vor: Welche Schwerpunkte möchte ich setzen, welche Kontrollaufträge gibt es und welche Dokumente fehlen noch? Anschließend kontaktiere ich die Betriebe und fordere gegebenenfalls zusätzliche Unterlagen an."

Die eigentliche Kontrolle vor Ort (siehe Kasten) umfasst verschiedene Schritte und kann je nach Größe und Komplexität zwischen einer Stunde und auch mehrere Tage dauern.

Zuerst überprüfe ich gemeinsam mit den Betriebsleitern die Betriebsunterlagen und die Buchhaltung, um sicherzustellen, dass alle verwendeten Betriebsmittel den Bio-Richtlinien entsprechen. Danach folgt die Besichtigung des Betriebsgeländes, der Lagerstätten, der Flächen sowie der Tierhaltung."

Ablauf einer Kontrolle spielerisch durchlaufen

Sie wollen im Detail wissen, wie eine Kontrolle in der Landwirtschaft aussieht? Das Interaktive Lernmodul zeigt den genauen Ablauf anschaulich und spielerisch – vom Start des Auditprozesses bis hin zur eigentlichen Zertifizierung.

Genau hinschauen und Risiken erkennen – mit Fingerspitzengefühl

Die Auditoren und Auditorinnen sehen sich also die Betriebe vor Ort an. Das bedingt viel Reisen und Hotelübernachtungen, denn meist überwacht das Auditpersonal einer Kontrollstellenfirma große Einsatzgebiete wie beispielsweise Ost- und Norddeutschland.

Besonders wichtig ist mir dabei der sogenannte "Bio-Filter": Ich überprüfe, ob Auffälligkeiten bestehen, die auf Abweichungen von den Bio-Vorgaben hindeuten könnten, wie zum Beispiel der Einsatz unzulässiger Mittel oder Probleme im Bereich des Tierwohls. Auch die Trennung von ökologischer und konventioneller Ware wird genau unter die Lupe genommen“, betont Lena.

Da kann es sein, dass ein allzu penibel gereinigter Düngerstreuer misstrauisch macht, oder auch ein quasi unkrautfreies Roggenfeld. 

Manchmal wartet eben auch eine Überraschung, wenn man auf einen Betrieb fährt. Da steht dann plötzlich eine neu gepflanzte Streuobstwiese. Auf Nachfrage erfahre ich dann, dass der Pächter die Bäume als konventionelles Pflanzgut ohne Ausnahmegenehmigung gepflanzt hat. So etwas wird dann erstmal mit dem ganzen Bericht an die Kontrollstelle gemeldet.“

Grundlage der Audit-Arbeit ist die Bio-Gesetzgebung

Die entscheidenden Anforderungen, die von der Bio-Gesetzgebung an die Bio-Betriebe gestellt werden, sind in den Checklisten der Kontrollstellen zusammengefasst, nach denen bei der Kontrolle geprüft wird. Es ist aber nicht möglich bei einem Besuch, die oft komplexen Bio-Betriebe umfassend zu durchleuchten. Es müssen Schwerpunkte gesetzt werden.

Der erfahrene Auditor für Verarbeitungsbetriebe Stefan ist sich sicher:

Ich weiß genau, wo ich hinschauen muss, ein Betrieb kann nicht viel verheimlichen. Ich frage mich grundsätzlich bei jedem Audit, ob der Betrieb die Bio-Verordnung ernst nimmt und verantwortungsvoll handelt.“

Das schreibt die Bio-Gesetzgebung auch so vor.

Die Vorsorgepflicht liegt bei den Bio-Betrieben

Mit der Neufassung der EU-Bio-Verordnung hat in erster Linie die Unternehmerin oder der Unternehmer für die Integrität der Bio-Produkte in seinem oder ihrem Verantwortungsbereich zu sorgen. Er oder sie muss das Risiko einer Kontamination mit nicht zugelassenen Stoffen oder Erzeugnissen minimieren.

Das Unternehmen muss sich bewusst sein, wo seine Risiken liegen, die den Bio-Status gefährden könnten. Die Betriebsleitung muss selbst ein Vorsorgekonzept und Vorsorgemaßnahmen haben, die an seine Gegebenheiten angepasst sind. Das wird auch im Audit besprochen. Ob das Prinzip Bio im Betrieb gelebt wird, sieht man schnell. Zum Beispiel, wenn Lieferscheine und Zertifikate von Lieferanten nicht geprüft werden, oder in der Lagerhaltung nicht klar zwischen konventionell und Bio getrennt wird“, betont Stefan.

Welche Mittel stehen der Auditorin und dem Auditor zur Verfügung?

Von der Verbraucherseite her kommt gelegentlich die Kritik, es werde ja nur einmal im Jahr kontrolliert, das würde doch nicht reichen.

Wir sind zwar nur an einem Tag vor Ort, aber wir schauen uns die gesamten Unterlagen eines Kontrolljahres an und was seit der letzten Jahreskontrolle geändert wurde. Sie sind somit in der Lage, zu beurteilen, ob ein Betrieb das System Bio kontinuierlich umsetzt und beherrscht, versichert Stefan.

Das Bio-Kontrollsystem stellt mehrere Tools bereit, um Verdachtsfälle aufzudecken:

  • In der Mengenbilanz wird nachgerechnet, ob das mengenmäßig Sinn macht, was der Betrieb einkauft, erzeugt und verkauft.
  • Durch Probenziehen und Rückstandsanalysen im Labor wird sichergestellt, dass keine in der Bio-Produktion verbotenen Stoffe eingesetzt werden.
  • Zusätzliche Cross Checks mit Behörden oder anderen in das Kontrollsystem involvierten Stellen zeigen im Austausch, ob das stimmt, was man gesehen hat.
  • Das Auditpersonal macht vor Ort eine Risikobewertung. Dabei spielen unter anderem Unternehmensgröße, Art der Bio-Tätigkeit, Sicherungssysteme und bisherige Verstöße eine Rolle. Das Risiko entscheidet darüber, ob weitere Maßnahmen, wie zum Beispiel unangekündigte Stichproben durchgeführt werden.

Wir führen zusätzlich zur Jahreskontrolle auch unangekündigte Stichproben durch, zum Beispiel, wenn besonders viele Verstöße festgestellt worden sind oder generell bei Risikobetrieben. Natürlich überprüfen wir auch bei anderen Betrieben die Tierhaltung und die vorhandenen Betriebsmittel. Im Prinzip versuchen wir, mehr als 10 Prozent unserer Betriebe ohne Ankündigung zu besuchen, um nach dem Rechten zu schauen, erläutert Lena die Herangehensweise bei unangekündigten Stichproben.

Aus meiner Erfahrung würde ich sagen: mindestens 95 bis 97 Prozent der kontrollierten Bio-Betriebe arbeiten mit viel Sachverstand und aus Überzeugung. Die Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter sind meist überzeugte Bios und haben selbst ein großes Interesse daran, dass alles regelkonform abläuft. Schließlich haben sie einen aufwendigen Prozess der Umstellung von konventioneller zu biologischer Produktion hinter sich, und damit einen Mehraufwand, der sich rechnen muss. Sie legen selbst Wert darauf, Ihr Zertifikat unbeschadet zu lassen, da einerseits die eigene Glaubwürdigkeit auf dem Spiel steht und andererseits jeder Verstoß zusätzliche Kosten verursachen kann, so Stefans Fazit.

Wenn beim Audit dennoch ein sogenannter Verstoß festgestellt wird, wird dieser im Kontrollbericht festgehalten.

Wenn es Auffälligkeiten gibt, werden die Verstöße zu Papier gebracht, sodass diese nach einer Prüfung im Büro der Kontrollstelle an die Behörden weitergeleitet werden können“, berichtet Stefan.

Für schwarze Schafe hält das Gesetz eine Vielzahl von Maßnahmen bereit, die von den Behörden verhängt werden können – von Bußgeldern bis hin zum dauerhaften Verbot, Bio-Tätigkeiten durchzuführen.

Welche formalen Voraussetzungen muss das Auditpersonal erfüllen?

Auditorinnen und Auditoren sind für eine private Kontrollstelle tätig. Diese muss bei der BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung) eine Zulassung für jeden Auditor und jede Auditorin im jeweiligen Kontrollbereich beantragen, bevor sie Kontrollen durchführen dürfen. Dafür wird neben der Fachausbildung in der Regel eine zweijährige einschlägige Berufserfahrung in der ökologischen Landwirtschaft oder der Lebensmittelverarbeitung vorausgesetzt. Außerdem müssen sie Audits begleiten und selbst von Fachpersonen begleitet werden. Ab 2025 wird es außerdem verpflichtend sein, dass dieses Personal den Lehrgang Öko-Kontrolle besucht hat.

Übrigens: Die Anzahl der Audits durch dieselbe Kontrollperson auf einem Betrieb ist begrenzt, um die Unabhängigkeit und Objektivität der Kontrollen zu gewährleisten.

Die Audit-Arbeit: Erfüllend und herausfordernd zugleich

Seitdem ich den ersten Kontakt mit der Bio-Landwirtschaft hatte, bin ich davon überzeugt. Das Kontrollwesen verbindet viele meiner Stärken – es fällt mir leicht, strukturiert und organisiert zu denken und auch gleichzeitig die Ruhe zu bewahren. Der Beruf ist abwechslungsreich und ich lerne viele schöne Orte in Deutschland kennen. Im Prinzip gehen Sinnhaftigkeit und Erfahrung dabei Hand in Hand. Meine Arbeit ist wichtig: Wir sind das neutrale Glied in der Kette. Wir überprüfen, ob die landwirtschaftlichen Betriebe, die Handels- und Verarbeitungsunternehmen sich an die Bio-Vorgaben halten“, bekräftigt Lena.

Für mich hat der Auditor eine Doppelrolle, aus der man eine Balance erzeugen muss. Zunächst hat man einen klaren Kontrollauftrag und muss vor Ort anschauen, ob alle Erfordernisse der Bio-Verordnung erfüllt werden. Andererseits gilt es, den Produzenten oder die Produzentin bei der Befähigung zu unterstützen, seine oder ihre Rolle als Bio-Betrieb ordnungsgemäß zu erfüllen. Der Betrieb muss verstanden haben, was der Auditor oder die Auditorin von ihm will, damit er es in Zukunft besser machen kann, resümiert Stefan.


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Zwei Frauen sitzen an einem Tisch und besprechen sich.

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Letzte Aktualisierung 15.11.2024

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