Was machen eigentlich Bio-Zertifiziererinnen und Bio-Zertifizierer?

Was machen eigentlich Bio-Zertifiziererinnen und Bio-Zertifizierer?

Damit Verbraucherinnen und Verbraucher Bio-Produkte mit gutem Gewissen genießen können, sorgt ein komplexes Bio-Kontrollsystem für die Einhaltung der strengen Richtlinien der EU-Bio-Verordnung. Neben den Auditorinnen und Auditoren treten im Kontrollverfahren Zertifiziererinnen und Zertifizierer auf. Welche Aufgaben übernehmen sie? Wir haben mit zwei Expertinnen gesprochen, um einen Einblick in ihre wichtige Arbeit zu erhalten.

Als Zertifiziererin sieht sich Karin Wittmann von der Kontrollstelle Ecocert als letztes Glied in der Kette des Bio-Kontrollverfahrens.

Ich bin diejenige, die am Ende entscheidet, ob ein Bio- Unternehmen sein Zertifikat erhält. Ich bin das zweite Augenpaar im Kontrollverfahren," beschreibt sie ihre Aufgabe.

Dr. Jennifer Ritzenthaler, Teamleiterin für Bewertung & Zertifizierung bei Ecocert, erklärt, warum es neben der Auditorin und dem Auditor noch eine weitere Funktion im Kontrollsystem gibt:

Jede Bio-Kontrollstelle ist nach der DIN EN ISO/IEC 17065 akkreditiert. Diese Norm ist international anerkannt und enthält Grundsätze für die Zertifizierung von Produkten, Prozessen und Dienstleistungen. Sie fordert, dass der Evaluierer, also der Datenaufnehmer beziehungsweise der Auditor, nicht zugleich bewerten und zertifizieren darf. Es braucht also eine weitere Person. Man spricht hier vom Vier-Augen-Prinzip."

Bei jeder Bio-Kontrolle erfasst das Auditpersonal sämtliche relevanten Fakten und erstellt anschließend einen Kontrollbericht. Dieser Bericht dokumentiert alle Prüfpunkte – von der Dokumentenprüfung über den Betriebsrundgang, die Probenahmen und Risikoanalysen bis hin zur Rückverfolgbarkeit sowie deren Ergebnisse.

Im nächsten Schritt wird der Kontrollbericht auf Vollständigkeit und die Einhaltung der Vorgaben des Bio-Rechts geprüft und bewertet. Um die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit im Zertifizierungsprozess sicherzustellen, werden diese beiden Schritte von unterschiedlichen Personen durchgeführt.

Das zertifizierende Unternehmen steht im Gegensatz zu den Auditorinnen und Auditoren nicht im persönlichen Kontakt mit der Kundin oder dem Kunden und kann daher unvoreingenommen entscheiden“, erläutert Dr. Jennifer Ritzenthaler den Hintergrund des Verfahrens.

Zwei Frauen bei einer Etikettenprüfung während eines Audits.

15.11.2024Bio-Zertifizierung

Was machen eigentlich Auditorinnen und Auditoren?

Auditoren und Auditorinnen spielen eine zentrale Rolle im Öko-Kontrollsystem. Ihre Aufgabe ist es, zu prüfen, ob die Betriebe, die Bio-Produkte anbauen, verarbeiten oder verkaufen, die strengen ökologischen Standards einhalten. Durch regelmäßige Inspektionen vor Ort tragen sie dazu bei, die Glaubwürdigkeit des Bio-Siegels zu wahren.

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Der Arbeitsalltag: Prüfungen und Entscheidungen

Meine Aufgaben ist es, den Auditbericht – ob von Vor-Ort- oder Remote-Kontrollen – zu prüfen, zu bewerten und anhand der Informationen zu einem Ergebnis zu kommen, ob ein Zertifikat ausgestellt werden kann oder nicht," berichtet Karin Wittmann.

Ein zentrales Element dieser Arbeit ist die Bewertung von Verstößen gegen die EU-Bio-Verordnung. "Als reine Schreibtischtäter bewerten wir die Verstöße, die das Auditteam vor Ort aufgenommen hat," sagt Dr. Jennifer Ritzenthaler. "Die Auditorinnen und Auditoren sind unsere Augen und Ohren. Was sie vor Ort nicht sehen, können wir aus dem Büro heraus auch nicht sehen,“ ergänzt sie.

Verantwortung für Bio-Integrität und Verbraucherschutz

Wenn das Auditpersonal einen Verstoß feststellt, hat der Betrieb mehrere Tage Zeit, Stellung zu beziehen und einen Maßnahmenplan zu erarbeiten. "Dieser muss enthalten, was der Kunde oder die Kundin gedenkt zu unternehmen, um diesen Verstoß abzustellen und zu verhindern, dass er in Zukunft wieder auftreten wird," erläutert Dr. Jennifer Ritzenthaler.

Die Zertifizierer und Zertifiziererinnen im Büro ordnen dann den festgestellten Verstoß zusammen mit der Stellungnahme des Betriebes ein und entscheiden über die weiteren Maßnahmen.

Das ist nicht immer einfach, berichtet Dr. Jennifer Ritzenthaler: "Jede Bewertung eines erheblichen und kritischen Verstoßes ist eine Einzelfallentscheidung. In Anbetracht der Gesamtlage müssen wir entscheiden, ob der Öko-Status erhalten bleiben kann oder nicht. Hierzu zählen Punkte wie: Welche Menge an Ware ist vom Verstoß betroffen? Welche finanzielle Auswirkung hat die Maßnahme auf den Betrieb? Wie reagiert der Betrieb? Ist er einsichtig? Legt er einen realistischen Maßnahmenplan vor?"

Als Grundlage für die Bewertung wird der nationale Maßnahmenkatalog herangezogen. Die Anlage 3 der Öko-Landbaugesetz-Durchführungs-Verordnung regelt welcher Verstoß zu welcher Verstoßkategorie führt.

Je nach unserer Beurteilung kann ein Verstoß anders eingestuft werden als von der Auditorin oder dem Auditor vorgeschlagen. Der Verstoß kann sogar geschlossen werden. Ist der Verstoß geringfügig, hat das zumeist keine großen Folgen. Die Bio-Integrität des Produktes ist nicht beeinträchtigt. Beispiele hierfür sind formale Mängel in der Dokumentation, sowie Kennzeichnungsfehler (z. B. fehlende Codenummer unter dem EU-Bio-Logo). Bei erheblichen oder kritischen Verstößen ist die Bio-Integrität in Frage gestellt. Ein Beispiel wäre der Einsatz nicht zugelassener Stoffe und Erzeugnisse oder auch die Nichteinhaltung des Tierwohls. Bei diesen Verstößen müssen wir als Kontrollstelle unserer Mitteilungspflicht an die Behörde nachkommen. Je nach Regelung des Bundeslandes wird die Behörde lediglich informiert oder aber die Behörde hat zu entscheiden, wie mit dem Verstoß umzugehen ist und welche Maßnahmen auf das Bio-Unternehmen zukommen", sagt Dr. Jennifer Ritzenthaler

Die Entscheidung über den Entzug des Öko-Status von einzelnen Produkten obliegt der zuständigen Landesbehörde. Diese kann diese Aufgabe an die Kontrollstelle beleihen oder aber selbst wahrnehmen.

Der Werdegang einer Zertifiziererin

Den klassischen Werdegang für Zertifiziererinnen und Zertifizierer gibt es nicht. Die Anforderungen sind dieselben wie für das Auditpersonal: Alle müssen eine für den Kontrollbereich spezifische Ausbildung sowie eine zweijährige Praxiserfahrungen mitbringen. In der Kontrollstelle wird dann eine intensive Einarbeitungszeit durchlaufen. Unter anderem müssen Kontrollen bei Betrieben begleitet werden sowie eigenständig Kontrollen durchgeführt werden. Erst wenn das alles erfüllt ist, erfolgt eine Zulassung für einzelne Kontrollbereiche durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).

Auch Karin Wittmann bringt bereits praktische Erfahrung mit: "Ich komme aus der Praxis, bin gelernte Bio-Gärtnerin und habe einige Jahre in verschiedenen Bio-Gärtnereien gearbeitet und einige Jahre in Bioläden Erfahrungen gesammelt." Auf die Frage nach den Herausforderungen ihrer Arbeit scherzt Karin Wittmann: "Kunden-Erreichbarkeit."

Sie schätzt die Vielfältigkeit ihres Berufs: "Da jeder Betrieb anders ist und immer wieder neue Fälle, Fragen und fachliche Recherchen aufkommen, ist es eigentlich immer interessant, und man lernt stetig dazu. Es ist für mich wichtig, in der Bio-Branche zu arbeiten und einen kleinen Beitrag zum ökologischen Landbau und somit zur Umwelt und Nachhaltigkeit zu leisten. Daher ist dieser Beruf für mich sinnvoll."

Text: Ecocert, Dr. Ines Hensler


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Letzte Aktualisierung 11.12.2024

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