We Care – ein neuer Standard für die Lebensmittelbranche

We Care – ein neuer Standard für die Lebensmittelbranche

Soziales, nachhaltiges und faires Handeln: Mit dem We Care-Standard können Unternehmen der Lebensmittelbranche ihr Nachhaltigkeitsmanagement prüfen und zertifizieren lassen. Besonderer Fokus liegt auf der Lieferkette – vom Anbau in den Ursprungsländern bis hin zum Unternehmensstandort.

Hält ein Unternehmen in der Lebensmittelbranche im Hinblick auf seine Lieferkette oder seine Arbeitsweise das ein, was es den Kundinnen und Kunden verspricht? Sind die Bedingungen wirklich fair und nachhaltig? Mit We Care, dem neuen Nachhaltigkeitsstandard für Lebensmittelunternehmen, kann dies nun anhand von Abläufen und Dokumenten geprüft und zertifiziert werden. Das Managementsystem geht dabei weiter als andere Systeme und schließt das Unternehmen als Ganzes und nicht nur einzelne Produktketten in die Betrachtung ein. Der Schwerpunkt liegt auf dem nachhaltigen Handeln entlang der Lieferkette – vom Ursprungsland bis ins Regal. Anhand von vier Handlungsfeldern prüft der We-Care-Standard die nachhaltige Arbeitsweise eines Unternehmens mit Hilfe von 164 Kriterien. Nachfolgend sind einige Punkte genannt:

  1. Unternehmensführung (30 Prozent):
    Unternehmensgrundsätze, Prozessintegration, Notfall- und Krisenmanagement, Sortimentspolitik und Produktentwicklung, Mitarbeiterqualifikation, interne Audits, Compliance, Unternehmenskommunikation
  2. Lieferkettenmanagement (30 Prozent):
    Vertragsgestaltung und faire Partnerschaften, Risiken in der Lieferkette (Sozial, Umwelt, Tierwohl), Operative Beschaffung
  3. Mitarbeiterverantwortung (20 Prozent):
    Arbeitsverträge und Beschäftigungsbedingungen, Entlohnung und Sozialleistungen, Arbeitszeiten, Aus- und Weiterbildung, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Gleichberechtigung und Vermeidung von Diskriminierung, Ausschluss von Kinder- und Zwangsarbeit
  4. Umweltmanagement (20 Prozent):
    Klimaschutz, Abfall-, Wasser-, Bodenmanagement, Biodiversität, Tierwohl. Umgang mit Chemikalien/Gefahrstoffen. Mitarbeitermobilität, Logistik

Unabhängig vom Lieferkettengesetz ist We Care am 17. Februar 2021 vorgestellt worden. Initiator ist das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) Deutschland e.V. Dort liegen sowohl die Rechte am Standard als auch am zugehörigen We-Care-Siegel. Die Zertifizierung wird aktuell durch die Kiwa Deutschland GmbH durchgeführt, ab 2023 werden weitere Zertifizierer zugelassen. Um mit We-Care-zertifizierten Unternehmen zusammenarbeiten zu können, müssen sich Lieferantinnen und Lieferanten beziehungsweise Partnerinnen und Partner ebenfalls nachweislich We-Care-konform verhalten. Auch dies wird im Audit geprüft.

Auf der Webseite von We Care sind bisher die Alnatura Produktions- und Handels GmbH, die Peter Riegel Weinimport GmbH, die stick & lembke GmbH und die Tradin Organic Agriculture B.V. als teilnehmende Handelsunternehmen gelistet. Daneben werden die Barnhouse Naturprodukte GmbH, die Bohlsener Mühle GmbH & Co. KG, die Mani Bläuel GmbH, die Midsona Deutschland GmbH, die Walter Lang GmbH, Lebensbaum sowie die PrimaVera Naturkorn GmbH als teilnehmende Hersteller aufgelistet.

Kann jedes Unternehmen an We Care teilnehmen?

Prinzipiell können sich alle Lebensmittelunternehmen, die selbst Lebensmittel importieren, verarbeiten oder herstellen, zertifizieren lassen. Genau wie Unternehmen, die Lebensmittel auch oder ausschließlich bei anderen Unternehmen herstellen lassen und die gegebenenfalls ihre Rohware oder Fertigprodukte als Groß- oder Einzelhändler vertreiben. Auch ein Nicht-Bio-Unternehmen kann an We Care teilnehmen, wenn die Standardkriterien eingehalten werden. Bei einer Zertifizierung auf dem Basis-Level darf in der Unternehmenskommunikation auf We Care Bezug genommen werden. Mit dem We-Care-Siegel dürfen allerdings nur bio-zertifizierte Lebensmittel eines auf höherem Level zertifizierten Unternehmens ausgezeichnet werden. Hierfür ist ein Bio-Anteil von mindestens 80 Prozent erforderlich.

Sowohl We Care als auch das Lieferkettengesetz verfolgen, wenngleich sie unabhängig voneinander entstanden sind, vergleichbare Ziele: Die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards entlang der gesamten Lieferkette zum Wohle von Mensch und Umwelt.

 

Was besagt das Lieferkettengesetz?

Am 11. Juni 2021 hat der Bundestag den Entwurf für das Lieferkettengesetz, offiziell Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkGS), beschlossen, der Bundesrat hat das Gesetz am 25. Juni desselben Jahres gebilligt. Es tritt ab dem 1. Januar 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden in Kraft, ab dem 1. Januar 2024 dann auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden. "Ziel ist es, den Schutz grundlegender Menschenrechte zu verbessern und insbesondere das Verbot von Kinderarbeit durchzusetzen. Auch Umweltbelange sind relevant, wenn sie zu Menschenrechtsverletzungen führen oder dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen", so das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Weiter heißt es: "Das Gesetz legt klare und umsetzbare Anforderungen für die Sorgfaltspflichten von Unternehmen fest und schafft so Rechtssicherheit für Unternehmen und Betroffene." Die Einhaltung des Gesetzes wird vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle überprüft. Bei Versäumnissen oder Verstößen können entsprechend Bußgelder verhängt oder Unternehmen bis zu drei Jahre von der öffentlichen Beschaffung ausgeschlossen werden. Die Sorgfaltspflicht der Unternehmen erstreckt sich dabei über die gesamte Lieferkette – vom Rohstoff bis zum Verkaufsprodukt.

Vier Fragen an Axel Wirz, Koordinator des We-Care-Siegels

Oekolandbau.de: In Deutschland gibt es eine Vielzahl an Bio-Siegeln, mit denen Produkte und Lebensmittel gekennzeichnet werden, die nach den Rechtsvorschriften der EU-Öko-Verordnung produziert und kontrolliert werden. Braucht es da noch ein zusätzliches Siegel?

Axel Wirz: Vorweg: Der We-Care-Standard ist ein Nachhaltigkeitsstandard für das Managementsystem eines Unternehmens und nicht für ein einzelnes Produkt. Kontrolliert und zertifiziert werden die Nachhaltigkeitsaktivitäten des gesamten Unternehmens sowohl im Bereich Unternehmensführung, Lieferkettenmanagement, Umweltmanagement und Mitarbeiterverantwortung. Damit ist der Standard mit seinen 164 Kriterien umfassender als beispielsweise ein EU-Bio-Siegel oder manches Verbandszeichen. Denn nicht alle Bio-Verbände haben klare Kriterien zum Thema Soziale Bedingungen oder die Gestaltung von nachhaltigen Lieferketten.

Der We-Care-Standard ist mit Teilnehmenden aus der Bio-Branche entstanden, weil man auf der Suche nach einem gemeinsamen Zeichen für die vielen Einzelsiegel war, die meistens nur einen Nachhaltigkeitsaspekt wie Fair, Bio oder Tierwohl betrachten.

Aber zurück zur Frage: Ja, es braucht ein neues Zeichen, das umfassend ist, alle Dimensionen der Nachhaltigkeit und nicht nur ein einzelnes Produkt oder Leuchtturmprojekt betrachtet, sondern das ganze Unternehmen und seine Handlungen bewertet und konform mit dem deutschen Lieferkettengesetz ist.

Oekolandbau.de: Wie lange hat es von der Idee bis zur Umsetzung des We-Care-Siegels gedauert?

Axel Wirz: Die Diskussion um einen solchen Standard, der mehrere Nachhaltigkeitsaspekte betrachtet, gibt es schon lange. Die Entwicklung bis zur Veröffentlichung am 17. Februar 2021 hat rund zwei Jahre gedauert. Seit diesem Februar sind schon elf Bio-Unternehmen zertifiziert oder in der Zertifizierung. Von der Registrierung bis zur Zertifizierung vergehen aus den ersten Erfahrungen circa drei bis sechs Monate.

Oekolandbau.de: Was sind die Vorteile für teilnehmende Unternehmen?

Axel Wirz: Der We-Care-Standard ist explizit für die Lebensmittelbranche entwickelt worden. Der Standard bietet für die teilnehmenden Bio-Unternehmen mindestens drei große Vorteile: So kann er auf der einen Seite ein Leitfaden für eine faire, soziale und nachhaltige Gestaltung eines Managementsystems sein, zum Beispiel als Vorlage und Vorbereitung zur Erfüllung der Vorgaben des Lieferkettengesetzes, von dem alle Lebensmittelunternehmen, ob groß oder klein, betroffen sein werden. Er ist aber auch ein Zertifizierungssystem und kann damit ein Instrument der kontinuierlichen Verbesserung im Unternehmen sein, da ein jährliches Überwachungsaudit stattfindet. Und letztendlich auch ein Siegel zur ganzheitlichen Kommunikation der Nachhaltigkeitsleistungen eines Unternehmens.

Oekolandbau.de: Welche Kosten entstehen den Siegelnehmern?

Axel Wirz: Die Kosten für die Teilnahme und Zertifizierung sind überschaubar. Es wird eine Registrierungsgebühr erhoben, die Kosten für die Kontrolle und Zertifizierung hängen von der Größe des Unternehmens ab und liegen nach den ersten Erfahrungen im vierstelligen Bereich. Die Lizenzgebühr für die Nutzung des We-Care-Siegels ist gestaffelt und wird nach dem Gesamtumsatz des Unternehmens berechnet und liegt im Durchschnitt auch im vierstelligen Bereich.


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Letzte Aktualisierung 06.10.2021

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