Oekolandbau.de: In Deutschland gibt es eine Vielzahl an Bio-Siegeln, mit denen Produkte und Lebensmittel gekennzeichnet werden, die nach den Rechtsvorschriften der EU-Öko-Verordnung produziert und kontrolliert werden. Braucht es da noch ein zusätzliches Siegel?
Axel Wirz: Vorweg: Der We-Care-Standard ist ein Nachhaltigkeitsstandard für das Managementsystem eines Unternehmens und nicht für ein einzelnes Produkt. Kontrolliert und zertifiziert werden die Nachhaltigkeitsaktivitäten des gesamten Unternehmens sowohl im Bereich Unternehmensführung, Lieferkettenmanagement, Umweltmanagement und Mitarbeiterverantwortung. Damit ist der Standard mit seinen 164 Kriterien umfassender als beispielsweise ein EU-Bio-Siegel oder manches Verbandszeichen. Denn nicht alle Bio-Verbände haben klare Kriterien zum Thema Soziale Bedingungen oder die Gestaltung von nachhaltigen Lieferketten.
Der We-Care-Standard ist mit Teilnehmenden aus der Bio-Branche entstanden, weil man auf der Suche nach einem gemeinsamen Zeichen für die vielen Einzelsiegel war, die meistens nur einen Nachhaltigkeitsaspekt wie Fair, Bio oder Tierwohl betrachten.
Aber zurück zur Frage: Ja, es braucht ein neues Zeichen, das umfassend ist, alle Dimensionen der Nachhaltigkeit und nicht nur ein einzelnes Produkt oder Leuchtturmprojekt betrachtet, sondern das ganze Unternehmen und seine Handlungen bewertet und konform mit dem deutschen Lieferkettengesetz ist.
Oekolandbau.de: Wie lange hat es von der Idee bis zur Umsetzung des We-Care-Siegels gedauert?
Axel Wirz: Die Diskussion um einen solchen Standard, der mehrere Nachhaltigkeitsaspekte betrachtet, gibt es schon lange. Die Entwicklung bis zur Veröffentlichung am 17. Februar 2021 hat rund zwei Jahre gedauert. Seit diesem Februar sind schon elf Bio-Unternehmen zertifiziert oder in der Zertifizierung. Von der Registrierung bis zur Zertifizierung vergehen aus den ersten Erfahrungen circa drei bis sechs Monate.
Oekolandbau.de: Was sind die Vorteile für teilnehmende Unternehmen?
Axel Wirz: Der We-Care-Standard ist explizit für die Lebensmittelbranche entwickelt worden. Der Standard bietet für die teilnehmenden Bio-Unternehmen mindestens drei große Vorteile: So kann er auf der einen Seite ein Leitfaden für eine faire, soziale und nachhaltige Gestaltung eines Managementsystems sein, zum Beispiel als Vorlage und Vorbereitung zur Erfüllung der Vorgaben des Lieferkettengesetzes, von dem alle Lebensmittelunternehmen, ob groß oder klein, betroffen sein werden. Er ist aber auch ein Zertifizierungssystem und kann damit ein Instrument der kontinuierlichen Verbesserung im Unternehmen sein, da ein jährliches Überwachungsaudit stattfindet. Und letztendlich auch ein Siegel zur ganzheitlichen Kommunikation der Nachhaltigkeitsleistungen eines Unternehmens.
Oekolandbau.de: Welche Kosten entstehen den Siegelnehmern?
Axel Wirz: Die Kosten für die Teilnahme und Zertifizierung sind überschaubar. Es wird eine Registrierungsgebühr erhoben, die Kosten für die Kontrolle und Zertifizierung hängen von der Größe des Unternehmens ab und liegen nach den ersten Erfahrungen im vierstelligen Bereich. Die Lizenzgebühr für die Nutzung des We-Care-Siegels ist gestaffelt und wird nach dem Gesamtumsatz des Unternehmens berechnet und liegt im Durchschnitt auch im vierstelligen Bereich.