Diskussionsrunde: Wie kann der Öko-Landbau vorangebracht werden?

Diskussionsrunde: Wie kann der Öko-Landbau vorangebracht werden?

Wie können Bio-Betriebe auf die aktuellen Herausforderungen reagieren? Welche Rolle spielen Politik, Forschung und Gesellschaft dabei? Was sind die Stärken des Öko-Landbaus und wo besteht Bedarf zur Weiterentwicklung? Antworten und Lösungen für diese und weitere Fragen diskutierten Betriebsleiterinnen und -leiter von 30 Bio-Betrieben, die in den letzten 22 Jahren zu den Siegern des Bundeswettbewerbs Ökologischer Landbau gehörten.

Mit dabei waren Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Forschung. Die Veranstaltung fand Ende April 2023 im Thünen-Institut für Ökologischen Landbau in Trenthorst bei Lübeck statt. Eingeladen hatte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), das über das Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) den Bundeswettbewerb Ökologischer Landbau organisiert.

Jürgen Heß, Professor in Ruhestand von der Universität Kassel Witzenhausen, hob als Vorsitzender der Jury des Bundeswettbewerbs die große Bedeutung der Preisträgerbetriebe für die Bio-Branche hervor. "Sie sind als Vorbild und Innovationsmotor für den Öko-Landbau enorm wichtig", sagte Heß.

Direkter Austausch zwischen Praxis, Politik und Forschung

Zudem verwies er darauf, dass der Öko-Landbau viele gesellschaftliche Leistungen erfüllt, etwa für die Biodiversität, den Grundwasserschutz und für das Klima. Aber man könne sich nicht auf diesen Leistungen ausruhen. Für die notwendige Weiterentwicklung des Öko-Landbaus sei es wichtig, gemeinsam mit der Politik und Forschung nach Synergien zu suchen. Jürgen Heß: "Der Austausch mit besonders innovativen Betrieben wie den Preisträgern spielt dabei eine wichtige Rolle, weil sie zum Teil schon Lösungen entwickelt haben." Das mache auch Formate wie diese Veranstaltung sehr wertvoll.

Die Preisträger-Betriebe brachten zahlreiche Anregungen zur Stärkung der ökologischen Erzeugung ein. Ulrich Schumacher, Leiter des Gut Wilhelmsdorf bei Bielefeld, plädierte für eine Entschlackung des Ordnungsrechts. "Wir müssen viele Regeln der Düngeverordnung einhalten, die für einen Bio-Betrieb fachlich überhaupt keinen Sinn machen. Man würde den Öko-Landbau fördern, indem man Bio-Betriebe von solchen Vorgaben befreit", sagte Schumacher und erhielt dafür eine breite Zustimmung der anwesenden Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter.

Mehrwerte des Öko-Landbaus stärker kommunizieren

Ein weiteres zentrales Thema für die teilnehmenden Betriebe war die Kommunikation der Mehrwerte des Öko-Landbaus für Umwelt und Gesellschaft. Nur mit Bio und Verbandslogo zu werben, reiche heute nicht mehr aus, um sich als direktvermarktender Betrieb von den Bio-Angeboten großer Discounter ausreichend abzuheben. Jeder Betrieb müsse seine individuellen Besonderheiten in der Erzeugung herausarbeiten und gezielt kommunizieren. Um die damit verbundenen Kosten und den Zeitaufwand überschaubar zu halten, müssten sich Bio-Betriebe stärker vernetzen und gemeinsam regionale Konzepte für die Kommunikation und Vermarktung entwickeln.

Auch das Thema Schulbauernhof wurde intensiv diskutiert. Viele Bio-Betriebe bieten Führungen für Kindergärten und Schulklassen an. Allerdings fehle es in fast allen Bundesländern an einer durchgehenden und ausreichenden Förderung durch die Kultusministerien. Während die Schulen die Führungen meist selbst finanzieren müssten, sei es für die Betriebe in der Regel sehr aufwendig, genügend Fördermittel einzuwerben. Dabei seien Führungen auf Bio-Betrieben für alle Altersstufen enorm wichtig, um zukünftige Generationen für die Zusammenhänge der landwirtschaftlichen Erzeugung zu sensibilisieren und eine Verbindung zwischen Stadt und Land herzustellen.

Mehr Naturschutz im Öko-Landbau

Gerd Kämmer, Leiter des Betriebs Bunde Wischen eG in Schleswig, brachte den Vorschlag ein, die Leistungen des Öko-Landbaus für den Naturschutz stärker herauszustellen und zusätzliche Umweltleistungen zu honorieren. Kämmer: "Der Bioland-Verband hat dafür Biodiversitäts-Richtlinien erarbeitet, verbunden mit einem Punktesystem. Warum sollte so etwas nicht im bundesweiten Maßstab möglich sein?"

Er plädierte dafür, Mindeststandards zu setzen und durch eine gezielte Förderung Anreizsysteme für zusätzliche Naturschutzmaßnahmen zu schaffen. Dabei verwies Kämmer auf eine Gemeinwohlprämie der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU, die Umwelt-, Naturschutz- und Klimaleistungen honoriert. Der Ansatz sei bereits erfolgreich in einzelnen Bundesländern geprüft worden und könnte Bio-Betrieben Vorteile bringen.

Um die Akzeptanz von Bio-Lebensmitteln zu steigern, wurde angeregt, den Anteil von Bio-Lebensmitteln in der Außer-Haus-Verpflegung (AHV) zu erhöhen, etwa in Schulen, Betriebskantinen und Krankenhäusern. Zudem wurde vorgeschlagen, dass die Bundesregierung sich für die Einführung sogenannter wahrer Kosten (True Cost Accounting) einsetzt, die alle entstehenden Kosten bei der landwirtschaftlichen Erzeugung berücksichtigen.

Neue Zukunftsstrategie ökologischer Landbau

Dr. Karl Kempkens, Leiter des Referats Ökologische Lebensmittelwirtschaft im BMEL, erklärte in einem Kurzvortrag, dass ein Teil der genannten Vorschläge bereits in der aktuell weiterentwickelten Zukunftsstrategie ökologischer Landbau (ZöL) des BMEL berücksichtigt ist. So sei etwa die Ausweitung von Bio-Produkten in der AHV ein zentrales Thema. "Wir streben an, den Bio-Anteil in Bundeskantinen auf 30 Prozent zu erhöhen", sagte Kempkens. In einem aktuellen Pilotvorhaben werde in mehreren Bundeskantinen sogar ein Bio-Anteil von 50 Prozent angestrebt. Zudem verwies er darauf, dass mit der vom Bundeskabinett verabschiedeten Außer-Haus-Verpflegungs-Verordnung bereits der rechtliche Rahmen für den Ausbau des Bio-Anteils in der AHV gesetzt sei.

Zudem sollen über die neue ZöL regelmäßig Fragestellungen zur Öko-Forschung und -Züchtung in allen Forschungsprogrammen des BMEL berücksichtigt werden. Um Verbraucherinnen und Verbrauchern die Mehrwerte der ökologischen Erzeugung zu vermitteln, kündigte Kempkens für den Herbst 2023 eine bundesweite Informationskampagne des BMEL an.

Tina Andres, Vorstandsvorsitzende beim Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), betonte in ihrem Statement ebenfalls die Bedeutung der Preisträger-Betriebe für die weitere Entwicklung des Öko-Landbaus. "Die Innovationskraft der Sieger-Betriebe, aber auch vieler weiterer Bio-Betriebe, hat den Öko-Landbau schon immer ausgemacht und über schwierige Phasen hinweggeholfen", sagte Andres. "Wir haben mit der Transformation der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft Großes zu stemmen. Aber gemeinsam haben wir auch die visionäre Kraft dazu."


Letzte Aktualisierung 28.04.2023

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