Mehr Tierwohl durch hofnahe Schlachtung

Mehr Tierwohl durch hofnahe Schlachtungen

Zu einer tierwohlgerechten Haltung gehört auch eine möglichst stressfreie Schlachtung. Eine Schlachtung auf dem Hof kann den Stress für die Tiere erheblich reduzieren. Im vergangenen Jahr wurden die Rechtsvorschriften angepasst, um das Schlachten im Herkunftsbetrieb zu erleichtern.

Viele Tierhalterinnen und -halter möchten ihre Tiere nicht nur möglichst art- und wesensgerecht halten, sondern auch bis zu deren Tod verantwortungsbewusst begleiten. Die stressärmere Tötung ohne lange und anstrengende Transportwege hat zudem auch eine bessere Fleischqualität zur Folge, da die Tiere keinem unnötigen Stress ausgesetzt werden. Somit wird weniger Adrenalin freigesetzt, wodurch weniger in den Muskelzellen gespeicherte Glukose in Energie umgewandelt und im Fleisch eingelagert wird. Es steht demnach genügend Glykogen für die Fleischreifung zur Verfügung. Für verarbeitende Betriebe entstehen daher durch diese Art der Schlachtung Chancen, das Fleisch hochpreisiger zu vermarkten. Rechtliche Neuerungen tragen dazu bei, diese Art der Schlachtung zu erleichtern.

Voll- und teilmobile Schlachtung

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen einer vollmobilen und einer teilmobilen Schlachtung. Beide Verfahren haben das gemeinsame Ziel, den Tieren Transportstress zu ersparen.

Bei der vollmobilen Schlachtung werden alle Teilschritte des Schlachtprozesses am Hof durchgeführt, wie Lea Trampenau, Expertin für Schlachtsysteme, erklärt. Das bedeutet, Betäubung, Entblutung, Enthäutung, Ausnehmen und Grobzerlegung erfolgen in einem Truck oder Anhänger. Dieser muss daher über eine Einrichtung zur Fixierung der Tiere zur Betäubung verfügen. Darüber hinaus ist ein Kühlungsmodul integriert. Der Truck oder Anhänger fungiert somit wie eine Art "fahrbarer Schlachthof" und kann von Betrieb zu Betrieb fahren. Er ist damit ein externer Teil der Schlachtstätten und muss entsprechend zertifiziert und zugelassen sein.

Bei der teilmobilen Schlachtung werden laut Trampenau lediglich die ersten Teilschritte des Schlachtprozesses, also die Betäubung und Entblutung der Tiere, vor Ort durchgeführt. Das Schlachtunternehmen oder der Fleischer oder die Fleischerin kommt mit einer mobilen Schlachteinheit auf den Betrieb. Die Tiere werden an Ort und Stelle fixiert, betäubt und getötet. Das Tier muss nach der Betäubung innerhalb von 60 Sekunden in die Schlachtbox zum Ausbluten. Das Blut muss aufgefangen und das tote Tier danach zügig in der mobilen Schlachteinheit zum Schlachthof gebracht werden. Dort finden die weiteren Schritte wie Enthäuten, Ausnehmen und Zerlegen statt. Die mobile Schlachteinheit ist dabei ebenfalls ein externer Teil der Schlachtstätten und somit zulassungspflichtig.

Hofnahe Schlachtungen als teilmobile Lösung

Die Schlachtung auf der Weide oder auf dem Hof unterscheiden sich durch die Art und den Ort der Betäubung und der Entblutung. Die Hoftötung eignet sich laut Trampenau für Rinder, die saisonal im Stall leben. Der Bolzenschuss wird am Hof beziehungsweise im Stall durchgeführt, eine Kopffixierung ist notwendig und vorgeschrieben. Die Tötung erfolgt durch Blutentzug. Die Weideschlachtung hingegen eignet sich für Rinder, die ganzjährig im Freien leben. Die Betäubung erfolgt auf der Weide durch Kugelschuss mit dem Gewehr. Auch hier bewirkt der Blutentzug die Tötung.

Rechtserleichterung für hofnahe Schlachtungen

Als Alternative zur herkömmlichen Schlachtung im Schlachtbetrieb ist in Deutschland seit 2011 die Weideschlachtung erlaubt – bislang nur für im Freien lebende Rinder. Um hofnahe Schlachtungen zu erleichtern, trat im September 2021 das neu im EU-Hygienerecht eingeführte Kapitel VI a in Anhang III der EU-Verordnung 853/2004 zur "Schlachtung im Haltungsbetrieb" in Kraft. Die bislang gemäß § 12 Absatz 2 der Tier-Lebensmittelhygiene-Verordnung genehmigungsfähige Schlachtung ganzjährig im Freiland gehaltener Rinder wird durch die geänderte Verordnung Nr. 583/2004 überlagert. Durch diese Rechtsänderung dürfen nun insbesondere Hausrinder und -schweine unabhängig von der Haltungsform unter Nutzung einer mobilen Schlachteinheit im Herkunftsbetrieb geschlachtet werden. Vorher galt diese Regelung ausschließlich bei ganzjährig im Freien gehaltenen Rindern.

Änderungen im Schlachtrecht

Chancen für Verarbeiterinnen und Verarbeiter

Besonders für verarbeitende Betriebe bedeutet die hohe Fleischqualität dank der stressärmeren Tötung, dass sie das Fleisch hochpreisiger vermarkten können. Durch den engen Kontakt zu den Landwirtinnen und Landwirten können oftmals höhere Gewinnmargen erzielt werden. Neben der hohen Qualität sollte für die zahlungsbereite und auf Tierwohl achtende Kundschaft auch die genaue Herkunft des Fleisches hervorgehoben werden. Kurze Transportwege und die Regionalität des Fleisches können entsprechend transparent nachgewiesen werden. Das bei Verbraucherinnen und Verbrauchern beliebte Kriterium der Regionalität kann daher optimal erfüllt werden.

In vielen ländlichen Gegenden fehlen bereits seit Längerem kleinere Schlachtbetriebe oder schlachtende Metzgereien und entsprechende Verarbeiterinnen und Verarbeiter. Die nächstgelegenen Schlachthöfe gehören oft großen Unternehmen an und sind einige Fahrtstunden entfernt. Verarbeitende Betriebe stoßen in solchen ländlichen Regionen auf große Nachfrage seitens der Landwirtinnen und Landwirte. Somit können auch sie dazu beitragen, kleine und mittelständische Landwirtschafts- und Handwerksbetriebe zu unterstützen. Der Aufbau von regionalen Wertschöpfungsketten unterstützt daher Erzeugerinnen und Erzeuger sowie verarbeitende Betriebe. Auch die zahlungskräftigere Kundschaft ist bereit, weitere Strecken auf sich zu nehmen und dafür genau über die Herkunft des gekauften Fleisches Bescheid zu wissen und es regional zu beziehen.

Aus der Praxis

Auch Bio-Landwirt Günther Rauch ist großer Verfechter der Tötung durch Weideschuss. Als Gesellschafter der Weideschuss.Bio GmbH hat er sich die würdevolle und ethisch korrekte Schlachtung seiner Tiere auf die Fahne geschrieben. Die Tötung erfolgt per Weideschuss, das Fleisch wird durch den Bio-Spitzenkoch Alfred Fahr zu hochwertigen, küchenfertigen Gerichten verarbeitet. "Unsere Gerichte sprechen nicht nur alle Sinne an, sondern sind dank regionaler Rohstoffe und Wertschätzungsketten das Ergebnis einer fairen Zusammenarbeit aller Beteiligten. Das steigert die Wertschätzung der Region und unserer Fleischprodukte und zahlt sich aus", so Mitgesellschafter Franz Berchtold.


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Letzte Aktualisierung 06.10.2022

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