Weideschlachtung

Stressfrei schlachten: Weideschlachtung und Kugelschuss

Eine stress- und angstfreie Schlachtung ist eine zentrale Forderung des Tierschutzes. Das ist bei Bio-Tieren erwünscht, aber noch kein Muss. Doch jenseits der großen Schlachthöfe entwickeln Bio-Betriebe vermehrt tierfreundlichere Alternativen: Bei der Weideschlachtung oder dem Kugelschuss bleiben den Tieren Angst und Leid erspart.

Die Richtlinien der EU-Öko-Verordnung zum Schlachten von Tieren aus ökologischer Haltung unterscheiden sich kaum von den Vorgaben der konventionellen Schlachtung. Allerdings müssen die Schlachthöfe und Metzgerinnen und Metzger biozertifiziert sein. Damit kein Tier, Fleisch oder Blut vermischt oder verwechselt wird, muss das Schlachtunternehmen Bio-Tiere und konventionelle Tiere und Waren sauber voneinander trennen. Daher werden die Bio-Tiere meistens an bestimmten Tagen vor den konventionellen geschlachtet. Auch zur Dauer und Länge von Tiertransporten macht die EU-Öko-Verordnung kaum konkrete Vorschriften: Der Transport von Bio-Tieren darf genau wie bei ihren konventionellen Artgenossen bis zu acht Stunden dauern. Dagegen beschränken Bio-Verbände wie Bioland, Demeter oder Naturland die Transporte auf vier Stunden oder maximal 200 Kilometer.

Bio-Branche will stressfrei(er) schlachten

Das reicht überzeugten Bio-Tierhalterinnen und -Tierhaltern aber nicht aus. Sie möchten ihre Tiere möglichst stressfrei schlachten: bei der Metzgerin oder beim Metzger um die Ecke oder noch besser gleich auf dem Hof oder direkt auf der Weide. Denn eine angemessene Behandlung der Tiere beim Schlachten beginnt bereits ab ihrer Trennung von der Herde. Besonders extensiv gehaltene Rinder mit wenig Menschenkontakten geraten beim Verladen, Transport und Entladen leicht in Panik.

Sollten die Tiere zu einem Schlachthof transportiert werden, brauchen sie auf jeden Fall ein Transportfahrzeug mit rutschfestem Boden sowie einem Zugang zu Wasser. Bei der Betäubung und der Tötung sind Ruhe und Zeit gefragt. Elektrische Treibhilfen sind bei Bio-Tieren tabu. Wenn Tiere bei ihrem letzten Gang Stress haben, verschlechtert das auch die Schlachtkörper- und Fleischqualität. In Todesangst schütten sie viel Adrenalin und Milchsäure aus. Ein weiterer Grund neben dem Tierwohl, um stressfreie Schlachtungsmethoden zu entwickeln.

Weideschlachtung ohne Angst

Auf dem Biohof Land.Luft im niederbayrischen Landkreis Rottal Inn leben die Tiere das ganze Jahr im Freien – und sterben auch dort. So bleibt ihnen der angstauslösende Transport zum Schlachthof erspart. Auf den 45 Hektar Nutzflächen gibt es gut 500 Schweine, rund 80 Rinder sowie Bergschafe und Hühner. Die Tiere werden in einem mobilen Schlachtanhänger geschlachtet. Der Anhänger steht regelmäßig auf der Weide, sodass sich die Tiere daran gewöhnen.

Tierärztinnen und Tierärzte der Universität München wiesen in ihrer Untersuchung eine nahezu stressfreie Schlachtung der Schweine nach. Wichtige Voraussetzungen dafür seien geschultes Personal sowie eine frühzeitige Gewöhnung der Schweine an den Schlachtanhänger. Dazu bekommen die Weideschweine am Schlachtanhänger etwas Futter. Es werden tatsächlich nur diejenigen Tiere geschlachtet, die freiwillig in den Schlachtanhänger laufen. Nach der Schlachtung verarbeitet die hofeigene Metzgerei das Bio-Fleisch umgehend nach alten traditionellen Verfahren weiter.

Betäubung durch Weideschuss

Der Oberallgäuer Bio-Bauer Herbert Siegel betreibt Mutterkuhhaltung. Seine Fleischrinder tötet er nach einer von Ernst Hermann Maier mühsam erkämpften Methode: Betäubung in vertrauter Umgebung durch einen Weideschuss und Schlachtung in einer Mobilen Schlachtbox. Nach dem Schuss wird das Rind mit einer Winde in die Schlachtbox gehoben. Anschließend öffnet eine Metzgerin oder ein Metzger mit einem Stechmesser die beiden Halsschlagadern, sodass das Tier ausblutet und stirbt. Dann wird es in der geschlossenen Box zur stationären Schlachtstätte transportiert. Das darf maximal eine Stunde dauern. Für den Weideschuss brauchen Bio-Betriebe eine Ausnahmegenehmigung und einen Sachkundenachweis nach Tierschutz- und Waffenrecht. Zwischen Schuss und Stich in die Halsschlagader dürfen nicht mehr als 60 Sekunden vergehen, so die Vorgabe. Bei Bio-Landwirt Siegel sind bei jeder Schlachtung ein Tierarzt, ein Jäger und ein Metzger dabei – ein hoher Aufwand für das Tierwohl.


Letzte Aktualisierung 23.08.2022

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