Glutenfreier Bio-Hafer – lohnt sich der Aufwand?

Glutenfreier Hafer – Lohnt sich der Anbau?

Hafer erobert den Markt als neues Trendgetreide. Auch für Bio-Landwirtinnen und -Landwirte ist der Anbau attraktiver geworden. Erfolgt der Anbau glutenfrei, können sogar höhere Preise erzielt werden. Aber lohnt sich der Anbau wirklich?

Hafer hat als Getreideart in den letzten Jahren an Attraktivität gewonnen. Grund dafür ist mitunter, dass der Markt für Lebensmittel auf Haferbasis – vor allem im Bio-Segment boomt. Die Gesamt-Anbaufläche von Hafer in Deutschland stieg laut Statistischem Bundesamt von 2020 bis 2021 um 13 Prozent auf über 177.300 Hektar, sank in den vergangenen beiden Jahren aber wieder leicht ab. Für 2023 wird eine Hafer-Anbaufläche von etwa 132.900 Hektar prognostiziert. 

Hafer als Trendgetreide

Auch durch den Trend der Konsumentinnen und Konsumenten zu mehr vegetarischer und veganer Ernährung gewinnt Hafer als Getreide an Bedeutung. Zahlreiche Produktinnovationen, Forschungsergebnisse zu gesundheitsfördernden Eigenschaften von Hafer sowie die Erschließung neuer, auch jüngerer Zielgruppen tragen erheblich zur Nachfrageerhöhung bei.  

Hafer bei Glutenunverträglichkeit

Hafer gilt als glutenfreies Getreide und ist daher für Menschen mit Glutenunverträglichkeit und der Krankheit Zöliakie besonders attraktiv. Allerdings muss bei der Spezialisierung auf glutenfreien Hafer garantiert werden, dass dieser nicht beim Anbau, der Ernte oder Lagerung mit glutenhaltigen Getreidesorten wie Weizen in Berührung kommt. 

Gibt es glutenfreie Haferprodukte?

Laut EU-Verordnung 828/2014 sind Lebensmittel, die mit dem Hinweis "glutenfrei" versehen sind, so hergestellt, zubereitet und/ oder verarbeitet, dass eine Kontamination durch glutenhaltige Getreidesorten ausgeschlossen werden kann. Es wird beim zertifiziertem "glutenfreiem Hafer" daher garantiert, dass der Hafer auf dem Feld sowie beim Transport und der Verarbeitung nicht mit glutenhaltigem Getreide in Kontakt gekommen ist und maximal 20 Milligramm pro Kilogramm Gluten enthält. 

Anbau von glutenfreiem Hafer bietet Potenzial für Betriebe

Für Landwirtinnen und Landwirte bedeutet dieser Grenzwert zwar größere Herausforderungen bei Anbau, Ernte, Transport und Lagerung, bietet aber auch neue Chancen, das steigende Marktpotenzial zu nutzen.

Landwirt Rolf Hach baut glutenfreien Hafer in Bio-Qualität an. Welche Herausforderungen sich dabei stellen und warum er sich dennoch dafür entscheiden hat, erklärt er im Interview.

Die größte Schwierigkeit liegt darin, sicherzustellen, dass Saatgut, Fruchtfolge, Maschinen und Lager nicht mit glutenhaltigem Getreide kontaminiert sind und das Lager relativ günstig ist, da sonst die Kosten zu hoch werden und der Aufschlag für den glutenfreien Hafer schnell weg ist.

Ökolandbau.de: Herr Hach, warum haben Sie sich dazu entschieden, glutenfreien Hafer anzubauen?

Rolf Hach: Ein befreundeter Landwirt baute damals schon glutenfreien Hafer an und brachte mich so auf die Idee, das auch auszuprobieren. Zufällig hatten wir eine neue Lagerhalle und Trocknung gebaut, die wir nur für glutenfreien Hafer nutzen. Unsere Fruchtfolge ist ein weiterer wichtiger Punkt. Wir bauen kein glutenhaltiges Getreide, dafür aber viel Gemüse wie Kohl, Möhren und Pflückerbsen an, sodass unser Hafer fruchtfolgetechnisch nicht verunreinigt werden kann. Der Anbau hat sich also bei uns durch mehrere glückliche Umstände so ergeben.  

Ökolandbau.de: Was sind die größten Herausforderungen bei der Erzeugung von glutenfreiem Hafer?

Rolf Hach: Die größte Schwierigkeit liegt darin, sicherzustellen, dass Saatgut, Fruchtfolge, Maschinen und Lager nicht mit glutenhaltigem Getreide kontaminiert sind und das Lager relativ günstig ist, da sonst die Kosten zu hoch werden und der Aufschlag für den glutenfreien Hafer schnell weg ist. Mit unseren Mähdreschern ernten wir nur unseren glutenfreien Hafer, den wir mit "sauberen" Lastwägen – immer mit einer Plane abgedeckt – zu unserer Lagerhalle bringen.  

Ökolandbau.de: Wie sind die Abnahmemöglichkeiten und Wertschöpfungsketten für glutenfreien Hafer?

Rolf Hach: Die Nachfrage und damit auch das Angebot und die Wertschöpfungsketten für glutenfreien Hafer stagnieren im Moment, aber ich denke es wird in den nächsten Jahren wieder mehr. Wir haben beim Hafer außerdem keinen so starken Einbruch erlebt wie beispielsweise beim Dinkelmarkt. Ich stelle auch fest, dass Hafer vom Bio-Laden immer mehr in den Lebensmitteleinzelhandel Einzug hält. Wir selbst sind Mitglied in der Vermarktungsgesellschaft Bioland Schleswig-Holstein. Das garantiert uns nicht nur faire Preise, sondern auch langjährige nachhaltige Lieferbeziehungen.  

Ökolandbau.de: Raten Sie anderen landwirtschaftlichen Betrieben ebenfalls zu dieser Spezialisierung auf glutenfreien Haferanbau?

Rolf Hach: Das ist immer von der eigenen Situation und den jeweiligen Umständen abhängig, das kann man nicht pauschal sagen. Als normaler biologischer Hafer-Anbaubetrieb ist der Aufwand durch Reinigung von Maschinen, Lager und Trocknung sowie Saatgutbeschaffung und Hygienemaßnahmen sehr hoch. Bei uns war das mit dem Neubau der Trocknung und Lager so geplant und hat sich eben praktischerweise so ergeben. Nur einen Teil auf glutenfreien Anbau umzustellen, halte ich für nicht sinnvoll. Wichtig ist es für uns auch, die Vermarktungsgesellschaft im Rücken zu haben. Das gibt uns große Sicherheit, unsere Ware zu verkaufen und ermöglicht uns ein nachhaltiges Verhältnis mit verarbeitenden Unternehmen. 

Auch für verarbeitende Betriebe steigt Hafer in seiner Bedeutung. Markus Zott aus Ustersbach bei Augsburg produziert einen regionalen Bio-Haferdrink. Das Familienunternehmen setzt dabei aber nicht auf "glutenfrei". Landwirtinnen und Landwirte sollten sich daher vorab Gedanken machen, wie und ob sie glutenfreien Hafer vermarkten können.

Bio, aber nicht glutenfrei ist der Haferdrink Bayernglück

Markus und Anton Zott aus Ustersbach bei Augsburg produzieren einen regionalen Haferdrink. Das Familienunternehmen setzt dabei aber nicht auf "glutenfrei", sondern legt den Fokus auf Regionalität.

Die Märkte für glutenfreie Produkte und Bio-Produkte sind unabhängig und uns war das Kriterium "bio" sehr wichtig. Eine glutenfreie Variante wäre aufgrund des großen Aufwands für uns nicht rentabel.

Ökolandbau.de: Herr Zott, warum haben Sie sich gegen die Verwendung von glutenfreiem Hafer für Ihre Haferdrinks entschieden?

Markus Zott: Wir waren mit "Bayernglück" der erste bayerische Haferdrink aus regionalem Anbau mit dem Geprüfte Qualität Bayern (GQB)-Siegel. Für uns liegt der Schwerpunkt für unsere Haferdrinks auf der Regionalität – das ist unser Alleinstellungsmerkmal. Wir haben uns deshalb gegen einen glutenfreien Drink entschieden: Wir müssten den Hafer vor dem Abfüllen in Tetra Paks beproben und könnten dann erst entscheiden, ob der Hafer wirklich glutenfrei beziehungsweise nicht kontaminiert ist. Das würde bedeuten, wir müssten eine glutenfreie und eine nicht glutenfreie Charge Haferdrink produzieren – je nachdem wozu der Hafer verarbeitet werden darf. Das ist für unserer aktuelle Unternehmensgröße zu aufwendig, auch hinsichtlich der Kosten-Nutzen-Relation.  

Ökolandbau.de: Sie haben verschiedene Varianten Ihres Haferdrinks, darunter auch einen Bio-Haferdrink. Warum haben Sie sich dazu entschieden, auch einen biologischen Drink zu produzieren?

Markus Zott: Wir wollten unbedingt auch einen regionalen Bio-Haferdrink anbieten, um unsere Produktpalette zu erweitern. Außerdem haben wir gesehen, dass die Nachfrage nach bio-regional besteht und wollten das sehr gerne bedienen, da uns beide Kriterien sehr am Herzen liegen. Und es hat sich gelohnt, unser Bio-Haferdrink aus Bayern kommt sehr gut an. 

Ökolandbau.de: Hat sich dabei auch die Frage gestellt, den Bio-Haferdrink aus glutenfreiem Hafer herzustellen?

Markus Zott: Nein, für uns nicht. Die Märkte für glutenfreie Produkte und Bio-Produkte sind unabhängig und uns war das Kriterium "bio" sehr wichtig. Eine glutenfreie Variante wäre aufgrund des großen Aufwands für uns nicht rentabel.

Ökolandbau.de: Sind die Anforderungen für landwirtschaftliche und/ oder verarbeitende Betriebe zu hoch?

Markus Zott: Für uns sind sie definitiv zu hoch. Man muss außerdem bedenken, dass auf einer Haferfläche möglicherweise Weizen als Vorfrucht stand und im nächsten Jahr dann vereinzelt Weizenpflanzen durchwachsen und meinen Haferbestand verunreinigen. Es könnte auch sein, dass von einer Nachbarfläche, auf der Weizen wächst, Körner auf meine Haferfläche gelangen.  

Ökolandbau.de: Sehen Sie auch Probleme bei der Beschaffung oder der Wertschöpfungskette?

Markus Zott: Derzeit arbeiten wir mit 52 Partnerlandwirten aus der Region zusammen, die für uns Hafer für unseren Haferdrink anbauen. Wir bräuchten daher Ernte- und Transportmaschinen, die nicht mit anderem Getreide kontaminiert sind, der Reinigungsaufwand wäre deshalb zu groß. Wenn ich alles selbst machen würde, also den kompletten Anbau und die Verarbeitung, wäre das vielleicht einfacher zu realisieren.


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Letzte Aktualisierung 11.09.2023

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