Oekolandbau.de: Wie geht es den brasilianischen Bio-Bäuerinnen?
Karina Gonçalves David: Frauen spielen in der brasilianischen Landwirtschaft eine Schlüsselrolle. Sie haben doppelt so viele Pflichten wie die Männer. Wenn sie mit der Farmarbeit fertig sind, beginnt ihr zweiter Arbeitstag mit Hausarbeit. Allerdings werden Frauen in unserer männlich dominierten Welt übersehen. Sie können nicht mitreden und keine Entscheidungen treffen oder werden gar mit häuslicher Gewalt zum Schweigen gebracht. Frauen mangelt es aber auch an Landbesitz. Ein Beispiel: Wenn eine Bauernfamilie zwei Söhne und eine Tochter hat, erbt die Frau bestimmt das schlechteste Stück Land, das ohne Zugang zum Wasser oder ohne Sonnenlicht. Bei uns herrscht zudem noch finanzielle Gewalt.
Oekolandbau.de: Was meinst du mit finanzieller Gewalt?
Karina Gonçalves David: Wenn du eine Farm aufmachen willst, musst du Land kaufen. Dazu fehlt Frauen das Kapital, weil sie schlechter als die Männer verdienen. Und wenn Frauen zur Bank gehen, werden sie nicht ernst genommen und bekommen keinen Kredit. Außerdem möchten viele Männer Frauen erst gar kein Land verkaufen. Auch haben Farmerinnen es viel schwerer, staatliche Unterstützung für ihre Farm zu erhalten oder an unterstützenden Programmen teilzunehmen.
Bio-Produkte müssen frei von Gewalt sein.
Oekolandbau.de: Und wie sieht die Rolle der Frauen im Öko-Landbau aus? Ist es dort besser?
Karina Gonçalves David: Frauen sind weitgehend für die Umstellung auf ökologischen Landbau verantwortlich. Viele Familien, die jetzt biologisch wirtschaften, sind von Frauen dazu ermutigt worden, die sich um die Gesundheit ihrer Familien und der Umwelt sorgten. Im biologischen Landbau respektieren und wertschätzen wir verschiedene Lebensstile. Wir sind nicht nur auf die Produktion fokussiert, sondern auf die ganze Farm und das Miteinander. In unserem PGS-Netzwerk können Frauen mitreden und mitentscheiden. Aber wir decken auch verschiedene Formen von Gewalt und Unterdrückung auf und bieten Gender-Workshops an. Denn selbst in den Bereichen Agrarökologie und ökologischer Landbau gibt es Gewalt. Wir sprechen hier von strukturellem Machismo. Nach unserer Auffassung muss ein Bio-Produkt frei von jeglicher Form von Gewalt sein. Sonst ist es kein echtes Bio-Produkt. Wenn auf einer Bio-Farm in unserem Netzwerk Gewalt ausgeübt wird, bekommt sie kein Zertifikat.