Bio in der Ausbildung für mehr Fachkräfte im Bio-Lebensmittelhandwerk

Wie viel Bio steckt in der Ausbildung im Lebensmittelhandwerk?

Die Praxis des Bio-Lebensmittelhandwerks unterscheidet sich von der konventionellen Wirtschaftsweise – doch werden diese Unterschiede in den Berufsschulen der Handwerksausbildungen auch gelehrt? Inwiefern ist Bio überhaupt Teil des Berufsschulunterrichts? Die "Bildungsoffensive Ökolandbau" aus Bayern setzt sich dafür ein und zwei Berufsschulen in Nürnberg machen es vor.

Mit den Begriffen "Bio" oder "Öko" verbinden viele zuerst die ökologische Landwirtschaft. Doch das Thema "Bio" ist für weitaus mehr Berufsgruppen relevant, wie zum Beispiel auch solche in der Verarbeitung, im Fachverkauf oder in der Außer-Haus-Verpflegung. Bio-Unternehmen lehren ihren Auszubildenden auf freiwilliger Basis die Besonderheiten und Unterschiede zur konventionellen Lebensmittelbranche in der Praxis. Wie sieht es aber in allen anderen Betrieben aus?

Bio-Lebensmittelhandwerk in Ausbildungsverordnungen und Lehrpläne

In Ausbildungsbereichen aus nicht-landwirtschaftlichen Bereichen wie zum Beispiel Metzgerei, Bäckerei, Gastronomie, Lebensmitteltechnik aber auch Fachverkauf im Lebensmittelhandwerk, fällt recht schnell auf, dass weder in den Ausbildungsverordnungen noch in den Rahmen- beziehungsweise Landeslehrplänen für Berufsschulen Bio-Inhalte verankert sind.

Lediglich in der neuen Ausbildungsverordnung für Köchinnen und Köche von 2022 wurde der Nachhaltigkeitsgedanke mehr in den Fokus gerückt und auch auf die Berücksichtigung von Zertifikaten und Siegeln hingewiesen im Hinblick auf die Lebensmittelauswahl. Alle weiteren Ausbildungsverordnungen und Lehrpläne aus dem Lebensmittelhandwerk weisen erhebliche Lücken in Bezug auf die ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft auf und benötigen eine zeitgemäße und zukunftsfähige Überarbeitung.

Bio-Strategie 2030
Ziel der Bundesregierung ist es, in Deutschland bis zum Jahr 2030 die ökologisch bewirtschaftete Fläche auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche zu erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung die Bio-Strategie 2030 entwickelt. 30 Maßnahmen sollen die ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft stärken. Eine dieser Maßnahmen soll die Bildung zu Erzeugung und Verarbeitung von Bio-Lebensmitteln entlang der Wertschöpfungskette verstärken.
Mehr Infos zur Bio-Strategie

Warum es Bio-Inhalte in der Berufsausbildung braucht

Gerade in parallelproduzierenden Unternehmen ist es entscheidend, dass die Mitarbeitenden die ökologische Produktion von der konventionellen unterscheiden können. Aufgrund fehlender Angebote bieten sich jedoch wenige Möglichkeiten, Auszubildende für Bio zu begeistern. Es fehlt somit an Fachkräften speziell für die Bio-Branche. Diese Wissenslücken müssen während bzw. nach der Ausbildung von den Bio-Unternehmen zum Beispiel in Form von Fortbildungen oder Schulungen gefüllt werden, was wiederum zeitliche und finanzielle Kapazitäten bindet. Mit einer Implementierung von Bio-Inhalten in den Rahmenlehrplänen würde dies die Fachkompetenz der Arbeitnehmenden in der Lebensmittelbranche stark erhöhen. Somit hätten Unternehmen die Möglichkeit, mehr biospezifische Fachkräfte für sich zu gewinnen.

Dass sich durch gesetzliche Regulierungen der praktische Alltag von der konventionellen Branche stark unterscheidet, ist für Bio-Unternehmen klar. Doch sind diese Themen oftmals nicht Teil des Berufsschulunterrichts, da sie nicht in den Lehrplänen integriert und somit nicht verpflichtend sind. Die Vermittlung dieser Inhalte findet deshalb nur durch Freiwilligkeit der Berufsschullehrenden statt.

Bio-Inhalte in der Berufsschule integrieren

Einige Bundesländer starteten aus diesem Grund Initiativen, um diese Wissenslücken zu füllen. Doch beziehen sich bisher bereits bestehende Initiativen und Projekte mehr auf den landwirtschaftlichen Bereich als auf die nachgelagerten Sektoren. Dadurch werden Besonderheiten, wie zum Beispiel die Warenbeschaffung, Lagerung als auch die Produktion, Kennzeichnung und der Verkauf oftmals nicht berücksichtigt.

Die Initiative BioRegio Bayern 2030 nahm sich allerdings dieser Themengebiete an. Eine Maßnahme dieser Initiative: die "Bildungsoffensive Ökolandbau" wieder aufzunehmen und auszuweiten. Dies hat zum Ziel, sowohl in den grünen Berufen als auch lebensmittelverarbeitenden Berufsausbildungen die ökologische Wirtschaftsweise in der Aus- und Weiterbildung zu integrieren.

"Bildungsoffensive Ökolandbau" – erste Erfolge

Sabine Bovensiepen, Projektverantwortliche der "Bildungsoffensive Ökolandbau", arbeitet seit über zwei Jahren daran, Bio-Themen in die Berufsaus- und -weiterbildungen des Lebensmittelhandwerks zu verankern. Unterstützt wird das Projekt von Anfang an maßgeblich durch die Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern e.V. (LVÖ). So konnte beispielsweise ein Öko-Modul konzipiert werden, das angehenden Bäckermeisterinnen und -meistern der Bäckerakademie in Locham und der Handwerkskammer Oberfranken neben theoretischen Inhalten auch im Rahmen von Exkursionen praktische Einblicke gewährt. Diese bieten einen großen Lerneffekt. Doch stellen sie für die Institutionen oftmals eine Hürde dar, da sie diese finanziell selbst tragen müssen. Hier benötigt es eine nachhaltige Unterstützung.

"Besonders wichtig ist, durch Exkursionen und Austausch mit Praktikerinnen und Praktikern das Thema ‚Bio‘ im Unterricht lebendig und anschaulich zu machen. Hier springt dann auch schnell der Funke über, und die Schülerinnen und Schüler sehen die Begeisterung, die hinter der ökologischen Verarbeitung steckt." – Sabine Bovensiepen

Mithilfe der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen (ALP Dillingen) entstanden auch entsprechende Fortbildungsangebote für Berufsschullehrende.

Bio-zertifizierte Berufsschule in Nürnberg

Seit Oktober 2023 gibt es die erste und bisher einzige bio-zertifizierte Berufsschule in ganz Deutschland: Die Berufsschule 3 in Nürnberg. Als Kompetenzzentrum für Ernährung bietet sie ihren Schülerinnen und Schülern eine fachbegleitende Aufklärung rund um die Bio-Thematik sowie darüber hinaus im Sinne der Nachhaltigkeit mit Bezug zu Ernährung und Lebensmitteln. Mit dem Bezug und Einsatz ökologisch erzeugter Lebensmittel im Praxisunterricht, konnte sich die Schule letztendlich bio-zertifizieren lassen.

Initiatoren waren hierbei Peter Noventa als Vorsitzender des Fördervereins der Schule sowie Ludwig Englert, der damalige Schuldirektor. Finanziert wird diese Idee unter anderem von der Stadt Nürnberg. Die Zertifizierung übernimmt die Schule mittels eigenen Budgets. Die gegenwärtige Schuldirektorin Dr. Andrea Roth führt diese Veränderung mit Stolz fort und betont, wie wichtig es ist, schon junge Menschen mit dem Thema "Bio" in Berührung zu bringen.

Projekt "Bio in Topf und Kopf"

Ziel des Projektes war Auszubildende und Studierende ernährungsbezogener Berufsfelder, wie z. B. des Koch-, Bäcker- oder Metzgerhandwerks, über regionale Wertschöpfungsketten im ökologischen Landbau von der Erzeugung bis zum Konsum zu informieren. Übergeordnet sollte dies zum Abbau von möglichen Vorurteilen und zu einem gesteigerten Bewusstsein für ihre eigene Rolle in der Wertschöpfungskette führen, damit vermehrt Bio-Lebensmittel im künftigen Arbeitsumfeld eingesetzt werden.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurden 36 Workshops für Auszubildende, Studierende und deren Lehrkräfte durchgeführt. In den Workshops wurden Qualitätsmerkmale von Bio-Lebensmitteln sowie Informationen und Hintergrundwissen über regionale Bio-Wertschöpfungsketten vom Acker bis zum Teller neutral und verbandsunabhängig vermittelt. Die fachlichen Inhalte und der Bezug zu regionalen Bio-Wertschöpfungsketten wurden an die Fachrichtung der jeweiligen Teilnehmenden angepasst. Je nach Zielgruppe bestanden die Workshops aus einem theoretischen Teil zum ökologischen Landbau und der Verarbeitung seiner Erzeugnisse mit Vortrag, Gruppenarbeit und Fragerunde. Hinzu kam ein Praxisteil mit externen Referierenden und praktischen Arbeiten der Bio-Lebensmittelherstellung und -zubereitung, auch unter Berücksichtigung saisonaler und regionaler Aspekte.

Damit die Erfahrungen und Inhalte der Workshops interessierten Fachlehrkräften verfügbar bleiben, wurde zum Ende des Projektes ein Leitfaden erstellt. Dabei wurden die Inhalte so aufbereitet, dass das Konzept für weitere Workshops zu regionalen Bio-Wertschöpfungsketten für Berufsschulen und Akademien übernommen und weiterhin auch über das Projekt hinaus Workshops angeboten werden können.

Das Projekt "Bio in Topf und Kopf" wurde im Rahmen der Richtlinie über die Förderung von Projekten zur Information von Verbraucherinnen und Verbrauchern über regionale Wertschöpfungsketten zur Erzeugung von Bio-Produkten sowie zur Umsetzung von begleitenden pädagogischen Angeboten (RIGE) durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags im Rahmen des Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) gefördert und im Zeitraum von August 2021 bis August 2024 durchgeführt. Die Verbundpartnerinnen, die BioStädte Nürnberg und München, haben Bioland e.V. mit der Durchführung beauftragt.

Nachahmung erwünscht

Viele verschiedene Wege sind möglich, um ähnliche Projekte und Vorhaben umzusetzen, so Dr. Andrea Roth. Sie empfiehlt, in den intensiven Austausch mit der Stadt zu gehen, um diese finanziell zu ermöglichen. Hier betont sie auch, dass die Stadt Nürnberg einen großen Wert darauflegt, den Bio-Anteil stetig zu erhöhen, was die Umsetzung der Bio-Zertifizierung vereinfachte.

Darüber hinaus ist es besonders wichtig, alle Beteiligten mit ins Boot zu holen. Mittels Fortbildungen und ausgiebigen Gesprächen mit Fachleuten, konnten die Initiatoren die Kollegschaft für die Idee begeistern und sie schließlich realisieren. Für die Beschaffung der Bio-Lebensmittel aus der Region, benötigt es ein ausgeprägtes Netzwerk und intensive Kommunikation und stellt aufgrund der geringen Bezugsmengen die Schulen hin und wieder vor eine Herausforderung, die aber durch die gemeinschaftliche Überzeugung der Kollegschaft, erfolgreich gemeistert werden.

Letzte Aktualisierung 18.09.2024

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