Öko lernen in der Öko-Klasse

Öko lernen in der Öko-Klasse

30 Prozent Öko-Landbau bis 2030 – um dieses Ziel zu erreichen braucht es genügend Landwirtinnen und Landwirte, die bereit sind, diesen Weg mitzugehen. Grundstein dafür ist nicht nur die Bereitschaft zur Umstellung, sondern auch eine fachgerechte berufliche Bildung. Ein Paradebeispiel für die erfolgreiche Vermittlung von Öko-Inhalten innerhalb der landwirtschaftlichen Berufsausbildung ist die Öko-Klasse der Justus-von-Liebig-Schule in Hannover.

Aktuell gibt es in Deutschland keinen spezifischen Berufsbildungsabschluss "Öko-Landwirt/in". Alle angehenden Landwirtinnen und Landwirte werden gemeinsam ausgebildet – egal ob sie auf einem konventionellen oder einem Öko-Betrieb lernen. Es liegt oft im Ermessen der Lehrkräfte, ob und wie viel Öko-Inhalte tatsächlich im Berufsschulunterricht gelehrt werden. Viele Lehrkräfte sind allerdings nicht in der Lage, Öko-Inhalte ausreichend zu vermitteln. Das liegt vor allem daran, dass es lange Zeit nur spärlich Weiterbildungsangebote sowie Unterrichtsmaterialien gab, um diese Lücke zu schließen.

Öko-Landbau in Theorie und Praxis

Ein Beispiel, wie die Vermittlung von Öko-Inhalten innerhalb der landwirtschaftlichen Berufsausbildung erfolgreich funktionieren kann, ist die Öko-Klasse der Justus-von-Liebig-Schule in Hannover. Die ersten zwei Jahre besuchen dort alle angehenden Landwirtinnen und Landwirte gemeinsam denselben Unterricht bis die Azubis der Bio-Betriebe dann im dritten Jahr die Möglichkeit haben, in die Öko-Klasse zu wechseln. In intensiven Blockunterrichtswochen bekommen die Schülerinnen und Schüler den Öko-Landbau mit Unterrichtseinheiten zu den Themen Tier- und Pflanzenproduktion, Bodenkunde, Politik sowie Betriebswirtschaftslehre theoretisch vermittelt. Exkursionen auf Öko-Betriebe oder auch Feldbegehungen runden den Theorieunterricht ab und geben einen Einblick in die Öko-Praxis.

Die Öko-Klasse ist eine feste Größe in der landwirtschaftlichen Ausbildung in Niedersachsen und das nicht erst seit ein paar Jahren. Bereits Ende der 1990er-Jahre wurde sie als Modellversuch gestartet und hat sich bis heute erfolgreich gehalten. Waren es früher noch rund zehn Schülerinnen und Schüler, die die Klasse besuchten, können heute 20 Auszubildende in die Öko-Klasse wechseln. Nachdem 2020 die staatliche Förderung wegfiel gründete sich ein Förderverein, um die Öko-Betriebe und ihre Azubis bei den zusätzlich anfallenden Kosten aufgrund des Internatbetriebs am Energie- und Umweltzentrum in Eldagsen finanziell zu unterstützen.

Öko-Landbau einen Raum in der Berufsschule geben

Wir wollten von Berufsschullehrerin Marion Kiene mehr über die Inhalte der Öko-Klasse wissen, wer die Schülerinnen und Schüler sind und bei welchen Inhalten rund um den Öko-Landbau aktuell besonders viel Bedarf ist. Marion Kiene bewirtschaftet zusammen mit ihrem Mann den elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb, der 2001 komplett auf Bio umgestellt wurde. Sie unterrichtet seit 2007 an der Justus-von-Liebig-Schule.

Oekolandbau.de: Sie sind Lehrerin der Öko-Klasse an der Justus-von-Liebig-Schule in Hannover. Können Sie kurz erklären, was diese beinhaltet und was dort gelehrt wird?

Marion Kiene: Bei allen Inhalten halten wir uns an den offiziellen Rahmenlehrplan der Kultusministerkonferenz. Wenn in diesem zum Beispiel Hackfrüchte thematisiert werden, dann gehen wir in der Öko-Klasse eben nicht auf den konventionellen Kartoffelanbau ein, sondern darauf, wie Öko-Kartoffeln erzeugt werden. Wir gucken zudem immer bei welchen Betrieben die Azubis arbeiten sowie welche Verbände dort vertreten sind und stellen dann die Verbandsrichtlinien der jeweiligen Verbände denen der EU-Öko-Verordnung gegenüber. Das ist ein großer Unterschied zum normalen, konventionellen Unterricht an der Berufsschule. Für die Azubis von konventionellen Betrieben ist dieser Vergleich nicht so wichtig, weshalb er auch kein Thema ist. In der Öko-Klasse haben wir zum Glück den Rahmen und die Möglichkeiten, auf solche Feinheiten einzugehen. 

Oekolandbau.de: Machen die Schülerinnen und Schüler der Öko-Klasse denselben Abschluss wie die der konventionellen Betriebe?

Marion Kiene: Ja, alle Azubis machen denselben Abschluss – ob konventionell oder bio. Es gibt ja bis heute keine eigene Berufsbezeichnung "Öko-Landwirt/in", sondern lediglich die 80 Stunden alternative Landbauformen, die im Rahmenlehrplan empfohlen werden. Als das Mitte der 1990er-Jahre eingeführt wurde, hat man in erster Linie Öko-Landbau drunter verstanden. Inzwischen interpretieren das manche Lehrkräfte leider anders und glauben auch, dass es ausreichend ist, wenn man beispielsweise nur auf das Thema Biogas eingeht.  Wenn daher in einer Klasse nur sehr wenige Interesse an Öko-Landbau haben, ist der Öko-Anteil natürlich auch geringer.

Oekolandbau.de: Wie viele nehmen an der Öko-Klasse teil und wer sind Ihre Schülerinnen und Schüler?

Marion Kiene: In der Regel sind das um die 18 bis 20 Teilnehmende. Von der Altersstruktur verteilt sich das irgendwo zwischen 18 und 40 Jahren. Wir haben auch immer wieder etwas "ältere" Schülerinnen und Schüler dabei, die vorher schon etwas Anderes gemacht haben und sich dann bewusst nochmal umorientieren und für eine Ausbildung auf einem Bio-Betrieb entscheiden. Aber tatsächlich kommt die Hälfte der Teilnehmenden wirklich von einem Betrieb.

Oekolandbau.de: Dürfte denn auch jemand, der eigentlich von einem konventionellen Betrieb kommt, sich für die Öko-Klasse anmelden?

Marion Kiene: Wir hatten durchaus schon Schülerinnen und Schüler, die ein Jahr auf einem konventionellen Betrieb gelernt haben und dann im dritten Lehrjahr auf einen Öko-Betrieb gewechselt sind. Ich glaube, dass es vor allem schwieriger ist, wenn jemand seine komplette Ausbildung nur auf einem konventionellen Betrieb macht. Es sind dann einfach gewisse Dinge weniger geübt und eben nicht Berufsalltag. Wichtig zu wissen ist, dass wir vor allem Schülerinnen und Schüler aus Niedersachsen aufnehmen.

Oekolandbau.de: Wie groß sehen Sie denn generell den Bedarf für ökologische Inhalte in der Ausbildung? Müsste man eigentlich noch mehr machen als das, was im Lehrplan empfohlen wird?

Marion Kiene: Der Bedarf ist groß, da viele Inhalte sonst nur Randthema sind. Wie ich schon angedeutet habe, es ist wirklich sehr unterschiedlich und stark abhängig von der Nachfrage seitens der Klasse sowie der Vorbildung und Erfahrung der Berufsschullehrerinnen und -lehrer. Wer als Lehrkraft nur wenig Berührungspunkte mit Öko-Landbau hat, für den ist es in Ordnung, wenn die Nachfrage nicht besonders groß ist. Daher ist es auch schon sehr lange in der Diskussion, dass der Lehrplan angepasst wird und die Vermittlung von Öko-Inhalten ein bisschen mehr konkretisiert wird. Vor allem die Öko-Anbauverbände wünschen sich, dass es ein eigenes Unterrichtsfach wird. Viele Lehrkräfte sowie Landwirtinnen und Landwirte möchten hingegen, dass es lieber bei diesem integrativen Ansatz bleibt. Was prinzipiell auch ok ist – wenn man die im Lehrplan empfohlenen Stunden einhält.

Oekolandbau.de: Was für Inhalte sind denn gerade besonders interessant für Ihre Schülerinnen und Schüler?

Marion Kiene: Im Bereich Pflanzenbau vor allen Dingen alles rund um die Unkrautregulierung. Interessant ist auch, was es denn noch für Kulturen im Ackerbau gibt als die, die üblicherweise im konventionellen Anbau Anwendung finden. Dazu gehören zum Beispiel Dinkel oder Hafer. Außerdem sind im Öko-Anbau oft die Fruchtfolgen viel weiter, sodass es normal ist, wenn Zwiebeln oder zum Beispiel Möhren angebaut werden. Diese Kulturen spielen im konventionellen Landbau eigentlich eine eher untergeordnete Rolle. Tiergerechte Haltung ist auch immer wieder ein großes Thema oder Futtermittel, die im Öko-Landbau eingesetzt werden dürfen.

Oekolandbau.de: Glauben Sie, dass es eventuell sinnvoll wäre beide Richtungen in der Ausbildung voneinander zu trennen?

Marion Kiene: Keine Pflanze weiß, ob sie konventionell oder öko ist. Die funktionieren erst mal alle gleich. In den Grundlagen gibt es also keine Unterschiede. Was anders ist, ist der Umgang mit ihnen. Eine strikte Trennung bräuchte es meiner Meinung nach nicht, wenn man es wirklich so umsetzen würde, wie es im Lehrplan steht. Wir haben aber auch schon Feedback aus der Klasse bekommen, wo Schülerinnen und Schüler der Öko-Klasse betont haben, dass es total schön war, in einem geschützten Raum über Öko-Landbau diskutieren zu können und auch Dinge anzusprechen, die man in einer gemischten Klasse niemals ansprechen würde.


Letzte Aktualisierung 19.09.2024

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