Regenerativer Ackerbau

Regenerativer Ackerbau

Den Kern des Regenerativen Ackerbaus bilden Maßnahmen zur Aktivierung und Stärkung des Bodenlebens und der Humusanreicherung. Ein wichtiger Aspekt dabei ist eine möglichst ganzjährige Begrünung des Ackers, die vor allem über Untersaaten in Hauptfrüchten wie Getreide, Mais oder Raps sichergestellt wird. Auch intensiver Zwischenfruchtanbau gilt als wichtiges Werkzeug, um die Bodenbedeckung zu verlängern.

Landwirtschaft ist regenerativ, wenn Böden, Wasserkreisläufe, Vegetation und Produktivität kontinuierlich besser werden, statt nur gleich zu bleiben oder langsam schlechter zu werden" Christine Jones

Dabei sollen auch Vielfalt, Qualität, Vitalität sowie Gesundheit von Boden und Pflanzen verbessert werden und der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln und zugekauften Düngemitteln reduziert werden.

Nach aktuellen Schätzungen werden in Deutschland derzeit etwa 50.000 Hektar nach den Prinzipien des Regenerativen Ackerbaus bewirtschaftet. Positive Effekte bestätigen vor allem bisher die Entwicklerinnen und Entwickler des Systems. Ergebnisse aus wissenschaftlichen Studien zur Wirkung von Teilbereichen der Regenerativen Landwirtschaft gibt es aus Australien (Christine Jones) und den USA (Rodale Institut). In Deutschland gelten Friedrich Wenz und Dietmar Näser als Experten für das System.

Förderung des Bodenlebens als Hauptziel

Den Kern des Regenerativen Ackerbaus bilden Maßnahmen zur Aktivierung und Stärkung des Bodenlebens und der Humusanreicherung. Ein wichtiger Aspekt dabei ist eine möglichst ganzjährige Begrünung des Ackers, die vor allem über Untersaaten in Hauptfrüchten wie Getreide, Mais oder Raps sichergestellt wird. Auch intensiver Zwischenfruchtanbau gilt als wichtiges Werkzeug, um die Bodenbedeckung zu verlängern. Die von Näser und Wenz empfohlenen Untersaaten bestehen aus vielfältigen Mischungen von Gräsern, Körnerleguminosen und Kreuzblütlern.

Untersaaten und Zwischenfrüchte sind für Dietmar Näser deshalb so entscheidend, weil ein durchgehender Aufwuchs den Boden auch nach der Ernte schützt und die intensive Sonneneinstrahlung im Sommer optimal ausgenutzt wird. Im Gegensatz zu einer länger brachliegenden Getreide- oder Rapsstoppel bilden Zwischenfrüchte nämlich zusätzliche energiereiche Stoffe (Wurzelexsudate), die Bodenorganismen als Nahrung dienen. Jene Mikroorganismen tragen mithilfe der Exsudate zur Dauerhumusbildung bei. Zudem wird empfohlen, Zwischenfrüchte organisch zu düngen. Dadurch könne man auf die übliche Einarbeitung verzichten und die enthaltenen Nährstoffe würden optimal ausgenutzt.

Aufwuchs muss sorgfältig eingearbeitet werden

Um die im Aufwuchs enthaltenen Zucker und Proteine den Bakterien und Pilzen im Boden zugänglich zu machen, werden Zwischenfrüchte möglichst flach eingearbeitet. Dass lebendes Pflanzenmaterial und nicht nur Stoppeln eingearbeitet werden, ist für Näser essenziell. So sind die enthaltenen Zucker- und Eiweißverbindungen für die Bodenmikroben direkt verfügbar.

Die Grünmasse optimal einzuarbeiten, ist jedoch relativ anspruchsvoll und erfordert viel Erfahrung. Grundsätzlich kommen dafür Schälpflug oder Rollspatenegge in Frage. Näser empfiehlt jedoch eine Fräse, die bei entsprechender Einstellung die gewünschte flache Einarbeitung ermöglicht.

Fermente sollen Abbauprozesse beschleunigen

Zum System des Regenerativen Ackerbaus gehört auch der Einsatz von Pflanzenfermenten, sogenannten Rottelenkern. Dabei handelt es sich um einen vergorenen Sud aus Acker- und Gartenkräutern sowie den Triebspitzen verschiedener Sträucher. Die Fermente werden beim Einarbeiten der Zwischenfrucht mit einer angebauten Spritze ausgebracht, anfangs bis zu einer Menge von 100 Litern pro Hektar. Sinn der Fermente ist es, die Abbauprozesse der Pflanzenteile zu beschleunigen und das Bodenleben weiter anzukurbeln.

Weiteres zentrales Betriebsmittel des Systems ist Komposttee, der aus einer geringen Menge Kompostmaterial hergestellt wird und dessen Mikroorganismen in warmer Melasse sowie Wasser stark vermehrt werden. Komposttee wird nach Bedarf mit (Mikro-) Nährstoffen angereichert und stark verdünnt mit niedriger Dosierung auf Boden oder Blätter ausgebracht

Laut Näser führt man dem Boden dadurch zusätzliche Mikroorganismen zu und erzielt so besonders deutliche Effekte bei der Förderung des Bodenlebens.

Nährstoffe im optimalen Gleichgewicht

Die Düngung zielt beim Regenerativen Ackerbau darauf ab, Gleichgewichte beziehungsweise optimale Verhältnisse zwischen den Nährstoffen herzustellen – etwa zwischen Kalzium, Magnesium und Kalium. Die sogenannten Mikronährstoffe wie Bor oder Zink sind laut Näser genauso wichtig für ein ausgewogenes Bodenleben wie die Hauptnährstoffe. Um die Verhältnisse im Blick zu behalten, sind regelmäßige Bodenproben unerlässlich, die diese Elemente erfassen (zum Beispiel nach Albrecht/Kinsey). 

Die Bedarfsdüngung orientiert sich dagegen an Pflanzenanalysen. Über den Zuckergehalt des Blattsaftes lässt sich die Photosynthese-Aktivität der Pflanzen messen. Liegt diese zu niedrig, erfolgen auf mehreren Probeflächen Blattspritzungen mit verschiedenen Mischungen (meist Komposttee mit ausgewählten Nährstoffen). Die Pflanzen reagieren innerhalb weniger Stunden mit gesteigerter Photosynthese. Das Präparat mit der besten Wirkung wird durch einen weiteren Blattsafttest bestimmt und anschließend zur Vitalisierung auf der ganzen Fläche angewandt.

Nach Näsers Erfahrung lässt sich der Düngeraufwand durch das System nachweislich verringern. Grundsätzlich seien die benötigten Nährstoffe im Boden vorhanden und würden durch das angeregte Bodenleben immer besser und schneller pflanzenverfügbar gemacht. Auch in Bezug auf Beikräuter würden sich deutliche Vorteile ergeben. Denn das starke Bodenleben unterdrücke die Keimung von Beikräutern, genauso wie der angestrebte durchgehende Pflanzenaufwuchs auf dem Acker.

Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz möglich

Laut Näser können konventionelle Betriebe, die das System anwenden, nach einer etwa vierjährigen Übergangszeit komplett auf chemischen Pflanzenschutz verzichten. Das gilt auch für die Bekämpfung von Krankheiten und Schaderregern. Denn durch den verbesserten Humusgehalt, die optimalen Bodenverhältnisse und die Präparate zur Vitalisierung würden die Pflanzen so vital, dass kein zusätzlicher Pflanzenschutz mehr erforderlich sei.

Ein ausgewogenes Bodenleben ist laut Näser bei einem Humusanteil von etwa fünf Prozent erreicht, von dem etwa die Hälfte sogenannter aktiver Humus sein sollte. Bei richtiger Umsetzung der Maßnahmen könne man mit jeder Vegetationsperiode sichtbare Fortschritte erzielen, unter anderem einen nachweisbaren Anstieg des Humusgehaltes.

Fazit

Regenerativer Ackerbau ist neben anderen Teilbereichen der Regenerativen Landwirtschaft wie beispielsweise Agroforst und ganzheitlich geplanten Weidemanagement ein Baustein einer zukunftsfähigen Landwirtschaft. Er bündelt überwiegend bekannte Maßnahmen zum Humusaufbau beziehungsweise zur Verbesserung des Bodenlebens und wendet diese sehr konsequent an.

Verschiedene konventionelle und ökologische Betriebe haben damit bisher weitgehend positive Erfahrungen gemacht. Dabei ist die Umsetzung einzelner Maßnahmen, etwa Untersaaten bei verschiedenen Hauptkulturen, anspruchsvoll und erfordert viel Erfahrung. Die vorgesehene Übergangszeit von vier Jahren erscheint deshalb etwas optimistisch.

Da das System erst seit knapp fünf Jahren praktiziert wird, gibt es noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen für mitteleuropäische Bedingungen, die die positiven Effekte bestätigen. Die Firma CarboCert hat aber bereits mit der professionellen Dokumentation und Zertifizierung des Humusaufbaus begonnen. Interessierte im Bereich Ackerbau können sich auf Bodenkursen und Workshops des Entwicklerteams einen eigenen Eindruck von den Grundlagen dieses Pflanzenbausystems verschaffen.

Text: Jürgen Beckhoff


Letzte Aktualisierung 28.06.2024

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