Regenerative Landwirtschaft: Was steckt dahinter?

Regenerative Landwirtschaft: Was steckt dahinter?

Die regenerative Landwirtschaft wird kontrovers diskutiert: Für die einen ist sie der Schlüssel zur dringend notwendigen Transformation der Landwirtschaft. Für andere ist sie ein Konzept, das nur schlecht zu kontrollieren ist und zu Greenwashing führt. Wir erklären, was es mit dem Ansatz auf sich hat und wo die regenerative Landwirtschaft im Vergleich zum Ökolandbau einzuordnen ist.

Der Club of Rome, ein weltweit anerkannter Thinktank, machte 1972 mit seinem wegweisenden Bericht auf die drängenden Herausforderungen der Zukunft aufmerksam – und behielt in weiten Teilen recht. Nun, 50 Jahre später, hat der Club of Rome im Rahmen der Initiative Earth4All erneut eine umfassende Analyse der globalen Situation vorgelegt.

Ein zentrales Ergebnis dieser Untersuchung ist die dringende Notwendigkeit, die Landwirtschaft grundlegend zu transformieren. Der Bericht warnt, dass die gegenwärtigen landwirtschaftlichen Praktiken die natürlichen Ökosysteme, Böden und Wasserressourcen massiv belasten und den Klimawandel vorantreiben. Gleichzeitig gehört die Landwirtschaft selbst zu den Sektoren, die besonders stark unter den Folgen des Klimawandels leiden.

Der Club of Rome fordert daher nicht weniger als eine landwirtschaftliche Revolution. Ziel müsse es sein, nicht nur die bestehenden Schäden einzudämmen, sondern die Agrarökosysteme so zu regenerieren, dass eine nachhaltige Grundlage für eine Landwirtschaft der Zukunft geschaffen wird. Ein Konzept, dass dabei als Schlüssel dienen soll, ist die regenerative Landwirtschaft.

Seit wann gibt es regenerative Landwirtschaft?

Regenerative Landwirtschaft basiert auf einem Konzept, das in den 1970er-Jahren von Robert Rodale in den USA entwickelt wurde, um die ökologische Landwirtschaft zu erweitern. Im Laufe der Jahrzehnte ist daraus eine weltweite Bewegung geworden, die von zahlreichen weiteren Akteurinnen und Akteuren geprägt wurde.

In Deutschland gelten Friedrich Wenz und Dietmar Näser als Experten für das System. Was sie im Einzelnen unter regenerativer Landwirtschaft, insbesondere auf dem Acker verstehen, finden Sie bei oekolandbau.de unter regenerativer Ackerbau.

Was versteht man unter regenerativer Landwirtschaft?

Heute existieren verschiedene Definitionen der regenerativen Landwirtschaft, die je nach Region und Akteur variieren. Allen gemein ist, dass Maßnahmen zur Aktivierung und Stärkung des Bodenlebens und der Humusanreicherung den Kern der Bemühungen ausmachen. Wichtige Aspekte dabei sind eine möglichst ganzjährige Begrünung des Ackers, die vor allem über Untersaaten oder Zwischenfrüchte sichergestellt wird. Außerdem wird eine reduzierte Bodenbearbeitung favorisiert.

Der ursprüngliche ökologische Grundgedanke von Rodale ist in den meisten heutigen Definitionen nicht mehr zwingend vorausgesetzt. Vielmehr soll das System sowohl in konventionellen als auch in ökologischen Betrieben anwendbar sein, um die Transformation der Landwirtschaft in großer Breite zu ermöglichen.

Die wichtigstens Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft kurz und knapp:

  • Minimale Bodenstörung: Um das Bodeleben zu erhalten, wird auf intensives Pflügen verzichtet
  • Dauerhafte Bodenbedeckung: Einsatz von Zwischenfrüchten und Mulch, um der Erosion vorzubeugen bzw. sie ganz zu verhindern
  • Vielfältige Fruchtfolgen: Wechselnde Kulturen sollen die Bodengesundheit fördern
  • Förderung des Bodenlebens: Mikroorganismen unterstützen, die Nährstoffe aufbereiten
  • Integration von Weidehaltung: Gesunde Böden durch tierische Düngung und Weidemanagement fördern

    Potenziale der regenerativen Landwirtschaft

    Eine Studie der Earth4All-Initiative, die 2022 vom Club of Rome ins Leben gerufen wurde, kommt zu dem Schluss , dass mit einer Regenerativen Landwirtschaft widerstandsfähige Agrarsysteme geschaffen werden können, die die weltweite Ernährungssicherheit stärken. Gleichzeitig könne man damit den Auswirkungen des Klimawandels wie Dürren und Starkniederschlägen begegnen.

    Auch der Naturschutzbund Deutschland (NABU) ist vom Konzept der regenerativen Landwirtschaft überzeugt. In einer Metastudie, die der NABU zusammen mit der Boston Consulting Group 2023 erstellt hat, wird der ökologische Nutzen einer regenerativen Landwirtschaft allein für Deutschland auf jährlich 8,5 Milliarden Euro beziffert. Die landwirtschaftlichen Betriebe würden zudem von niedrigeren Betriebskosten und einer größeren Resilienz gegenüber Extremwetterereignissen profitieren. Laut Studie sei eine Steigerung der Gewinne um bis zu 60 Prozent möglich.

    Kritik am Konzept der regenerativen Landwirtschaft

    Die regenerative Landwirtschaft ist in ihren Ansätzen grundsätzlich nicht weit von der ökologischen Landwirtschaft entfernt. Vieles stimmt mit dem Selbstverständnis des Ökolandbaus, wie es in den IFOAM-Prinzipien beschrieben ist, überein. In einigen Bereichen geht die regenerative Landwirtschaft sogar darüber hinaus, indem sie zum Beispiel auf eine stärkere Integration von regenerativen Praktiken wie zum Beispiel Agroforstwirtschaft, Untersaaten oder regenerative Weidepraktiken setzt.

    Doch es kommt auch Kritik von Seiten des Ökolandbaus: Der Ansatz an sich sei in anderen Bereichen unvereinbar mit dem Gedanken einer wirklich regenerativen Landwirtschaft. So strebt die regenerative Landwirtschaft zwar eine Verringerung des Einsatzes von leichtlöslichen Mineraldüngern und chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln an, verbietet sie aber nicht vollständig, wie dies in der ökologischen Landwirtschaft der Fall ist. Auch für den in der regenerativen Landwirtschaft beschriebenen Verzicht auf den Pflug gibt es Kritik, wenn er allein mit hohem Einsatz von Totalherbiziden erkauft wird.

    Befürworterinnen und Befürworter werten die höhere Flexibilität des Ansatzes der regenerativen Landwirtschaft hingegen als Vorteil, da sie konventionellen Betrieben einen schrittweisen Einstieg in nachhaltigere Landwirtschaftsmethoden ermöglicht.

    Risiko: Greenwashing

    Kritisch hinterfragt wird zudem, wie eine Bewertung und Kontrolle der Praktiken und Maßnahmen der regenerativen Landwirtschaft erfolgen soll. Einheitliche Zertifizierungsstandards, wie es sie im Ökolandbau gibt, fehlen bislang, was Kritikerinnen und Kritikern zufolge Greenwashing ermögliche.

    Eine Studie des Investorennetzwerks FAIRR aus dem Jahr 2023 hat ergeben, dass zahlreiche Agrar- und Lebensmittelkonzerne in ihren Unternehmensberichten Initiativen zur regenerativen Landwirtschaft anführen, dabei jedoch keine konkreten, quantifizierbaren Ziele angeben und auch keinerlei finanzielle Unterstützung für Landwirtinnen und Landwirte bereitstellen.

    Was der Ökolandbau von der regenerativen Landwirtschaft dennoch lernen kann

    Laut Prof. Jürgen Heß von FiBL Deutschland und Prof. Christian Vogl von der Universität für Bodenkultur Wien sollte sich der Biolandbau dem Konzept der Regenerativen Landwirtschaft nicht verschließen. In einem Betrag für die Fachzeitschrift "Ökologie und Landbau", fordern die Wissenschaftler, dass die Initiative "Regenerative Landwirtschaft“ als Weckruf verstanden werden solle, um das eigene Öko-Konzept kritisch zu hinterfragen. Es gebe auch im Ökolandbau noch an vielen Stellen Potenzial zur Verbesserung.

    Viele Ziele der ökologischen Landwirtschaft wie der Erhalt der Artenvielfalt, der Bodenschutz oder das Schließen regionaler Kreisläufe seien zum Teil immer mehr zugunsten ökonomischer Interessen in den Hintergrund gedrängt worden, so Heß und Vogl. Außerdem würden die Grenzen der Richtlinien und Verordnungen zunehmend ausgereizt, was sowohl die Eigenstabilität als auch die gesellschaftlichen Leistungen des Ökolandbaus gefährden könne.

    Die regenerative Landwirtschaft, so sind sich die beiden Experten einig, liefere zahlreiche Impulse, die im Ökolandbau noch Potenzial zur Weiterentwicklung haben. So seien die reduzierte Bodenbearbeitung, die Etablierung von Agroforstsystemen sowie die Umsetzung von nachhaltigen Weidestrategien wie Mob Grazing Bereiche, die auch im Ökolandbau noch ausbaufähig sind. Auch der Gemengeanbau findet trotz seiner pflanzenbaulichen sowie ökologischen Vorteile bislang noch wenig Beachtung im ökologischen Pflanzenbau. Darüber hinaus sind Keyline Design und der Einsatz von Pflanzenkohle vielversprechende regenerative Praktiken, um die ökologische Landwirtschaft in Zukunft resilienter zu machen.

    Text: Jörg Planer


    Letzte Aktualisierung 10.02.2025

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