Drogerien im Food-Bereich

Drogerien als Nahversorger und Trendsetter

Die Drogeriemärkte haben sich in Zeiten der Corona-Pandemie zunehmend zu Nahversorgern für Lebensmittel entwickelt. Auf welche Erfolgskonzepte bauen sie? Und wie können Start-ups von der Zusammenarbeit mit Drogerien profitieren?

Sie zählen zu den 30 größten Lebensmitteleinzelhändlern in Deutschland, obwohl sie nicht vorrangig Lebensmittel im Sortiment haben. Die Rede ist von Drogeriemärkten, die neben Putz- und Reinigungsmitteln, Körperpflegeprodukten, und Hygieneartikeln, auch Trockenprodukte wie Nudeln, Mehl oder Öl zum Teil in Bio-Qualität anbieten. Und das erfolgreich! Laut Lebensmittelpraxis konnten dm, Rossmann und Budnikowsky ihren Umsatz im Jahr 2021 steigern, einzig Müller verzeichnete leichte Umsatzeinbußen. So ist Rossmann im Ranking jüngst einen Platz nach oben gerutscht und reiht sich nun direkt hinter dem Konkurrenten dm ein.

Dass die Drogeriemärkte so erfolgreich sind, liegt mitunter an ihrem dichten Filialnetz und der damit verbundenen Nähe zur Kundschaft. Angaben von dm, Rossmann, Müller und Budnikowsky zufolge, kamen die Drogerien in Deutschland im vergangenen Jahr auf 5.060 Filialen. Das entspricht beispielsweise etwas mehr als der doppelten Anzahl an bundesweiten Naturkostfachgeschäften. Eine dm-Filiale verfügte laut Firmenangaben im Geschäftsjahr 2020/21 über eine durchschnittliche Verkaufsfläche von 631 Quadratmetern. Entsprechend dürfte sich die gesamte Verkaufsfläche der Drogeriemärkte hochgerechnet zwischen 3,2 und 4,1 Millionen Quadratmetern bewegen. Als im Zuge der zeitweisen "Hamsterkäufe" zu Beginn der Corona-Pandemie einige Lebensmittel nur knapp oder gar nicht verfügbar waren, haben sich die Drogerien aufgrund ihrer starken Präsenz zunehmend im Food-Bereich zu Nahversorgern entwickelt.

Vorzugsweise in Innenstädten oder gut frequentierten beziehungsweise neu entstehenden Fachmarktlagen mit guter Verkehrsanbindung sind die Drogerien weiter auf Expansionskurs. So plant Rossmann im Jahr 2022 weitere 70 neue Filialen in Deutschland, bei dm ist die Eröffnung von 55 neuen Filialen geplant. Daneben soll auch die Online-Sparte bei den Drogerien weiter ausgebaut werden. Laut dm war der Service "Express-Abholung im dm-Markt", der dem Kundenwunsch nach kontaktarmen Einkauf während der Corona-Pandemie entgegenkam, zuletzt ein Umsatztreiber.

Drei Fragen an Dr. Klaus-Jürgen Holstein, Geschäftsführer der Foodexpertise GmbH in Hamburg

Dr. Klaus-Jürgen Holstein entwickelt als Berater seit vielen Jahren die Produktsortimente von Drogeriemärkten. Er ist nicht nur ein Branchenkenner, sondern auch seit über 40 Jahren Bio-Netzwerker in den Bereichen Rohwarensourcing.

Oekolandbau.de: In den vergangenen Jahren haben die Drogerien ihr Sortiment an Bio-Lebensmitteln insbesondere bei den Bio-Trockenprodukten ausgebaut und haben sich dadurch zu einem starken Wettbewerber am Markt entwickelt. Welche Strategie machen sich die Drogerien dabei zunutze?

Dr. Klaus-Jürgen Holstein: Drogeriemärkte nutzen für Auswahl und Beschaffung ihrer Bio-Produkte eine Kombination von zwei Komponenten: Zum einen die gute Kenntnis des Bio-Marktes und der Wünsche der Bio-Kundschaft und entsprechenden Verbrauchergruppen. Man erinnere sich daran, dass etwa vor einem guten Jahrzehnt die Drogeriemärkte aufgrund ihrer Offenheit für Bio-Produkte zum Fachhandelskanal für Bio-Produkte gerechnet wurden. Zum Zweiten verstehen die Drogeriemärkte ihr Einkaufsgeschäft: Sie kaufen in der Regel auf kurzen Wegen und direkt von den Produzentinnen und Produzenten ein. In dieser Kombination ähneln diese Einkaufsmethoden der Kalkulation von Discountern. Drogeriemärkte verfügen über ein fundiertes Bio- und Produktwissen, und haben Verständnis für die Wünsche der eigenen Kernkundschaft. So entsteht daraus ein zielgruppengerechtes und umsatzstarkes Angebot.

Oekolandbau.de: Womit können die Drogeriemärkte punkten?

Dr. Klaus-Jürgen Holstein: Der erste Arm der Drogeriemärkte in Richtung Lebensmittel war per se Babynahrung. In diesem Bereich, wie in dem umgebenden Drogeriebereich, haben die Drogeriemärkte relativ klar dem Lebensmitteleinzelhandel, der solche Artikel ebenfalls schon lange angeboten hat, den Rang abgelaufen. Sie haben sich in der Regel mit diesem gesamten Produktbereich eine apothekennahe Kompetenz aufgebaut und sind damit anderen Lebensmittelmärkten überlegen. Im Unterschied zu amerikanischen Supermärkten haben die deutschen Supermärkte eine sehr geringe Drogeriekompetenz. In den vergangenen 15 Jahren haben die Drogeriemärkte – jeweils etwas unterschiedlich und gemäß den eigenen Kundenprofilen – ihr Lebensmittelangebot deutlich ausgeweitet, aber dabei auch nach zusätzlichen Kompetenzen Ausschau gehalten. Viele der Ausrichtungen ergaben sich dabei schon aus der Nähe zur Kosmetik: Gesundheit, junge Trends, vegane Produkte, kein Tierleid. In diesem Umfeld wurden die Drogeriemärkte in den letzten zwei Jahren zu veganen Trendsettern für Bio-Kundinnen und -Kunden.

Erfolgreich mit Eigenmarken am Markt

Den Marken dm und Rossmann wird ein hohes Vertrauen seitens der Kundschaft entgegengebracht, wie der Brand Experience + Trust Monitor von Sasserath Munzinger Plus zeigt. Bei der Online-Befragung erreichte dm in der Rangliste mit 73 Prozent den ersten Platz, Rossmann mit 69 Prozent Platz vier. Unter anderem liegt dies an den starken Eigenmarken der Unternehmen. So wurde dmBio laut Deutscher Gesellschaft für Verbraucherstudien mbH in den Kategorien Getränke, Genussnahrungsmittel und Grundnahrungsmittel zum Preisträger bei den Drogerien im Rahmen "Deutschlands Beste Marken 2020/21" gekürt. Im Online-Shop von dm finden sich rund 550 Produkte der Marke dmBio, bei Rossmann sind es über 370 Produkte der Marke enerBio.

Die Eigenmarken der Drogerien sind größtenteils nach aktueller EU-Öko-Verordnung zertifiziert. Daneben steigern die Drogerien aber auch ihre Anzahl an Produkten, die zusätzlich mit einem weiteren Siegel, beispielsweise von Naturland oder Demeter, versehen sind. So sind laut dm über 100 Produkte im Sortiment Naturland-zertifiziert und knapp 150 Lebensmittel mit dem Demeter-Siegel versehen. Auch Rossmann ist mit Naturland 2019 eine Kooperation eingegangen. Bei dm besteht die Kooperation mit Naturland schon seit 2016. Ziel ist es, ökologisch erzeugte Lebensmittel für alle Menschen zugänglich zu machen, für die das Thema Nachhaltigkeit zum kaufentscheidenden Faktor geworden ist, so dm-Markenmanager Christian Kluge. So soll der Ressourceneinsatz bei den Produkten der Eigenmarken so schonend wie möglich und die Lieferkette möglichst kurz sein. Daher werden die Rohstoffe bevorzugt aus Deutschland oder Europa bezogen. Langfristige Partnerschaften mit den Lieferantinnen und Lieferanten sind ein weiteres Ziel der Unternehmen.


Film ab: dmBio – Apfelsaft in Naturland-Qualität


Der Einsatz trägt Früchte: dm ist bereits zum zweiten Mal mit dem GREEN BRAND Gütesiegel für die Eigenmarken Alana, alverde Naturkosmetik, dmBio und die Produktreihe Pro Climate ausgezeichnet worden. Das Gütesiegel erhalten Unternehmen, die sich für Nachhaltigkeit, Umwelt- beziehungsweise Klimaschutz und einen gesunden Lebensstil einsetzen und dies anhand einer strengen Zertifizierung beweisen.

Auf den richtigen Trend mit Start-ups setzten

Auch Start-ups wird die Möglichkeit gegeben, ihre Produkte ins Regal der Drogeriemärke zu bringen. Seit 2019 ist das Rossmann Innovation Lab auf der Suche nach innovativen Ideen für das eigene Sortiment. Bereits fertig entwickelte Produkte als auch Ideen und Konzepte können dabei vom Fachwissen aus dem Hause Rossmann profitieren. Wichtiges Kriterium bei der Auswahl ist laut Rossmann die Geschichte hinter dem Produkt, das der Kundschaft ein abwechslungsreiches Einkaufserlebnis bieten soll. Die Kontaktaufnahme erfolgt zunächst per E-Mail. Nachdem die Idee beziehungsweise das Produkt intern geprüft wird, erfolgt eine Rückmeldung. Zu den Start-ups, die bislang am Innovation Lab teilgenommen haben, zählen unter anderem foodspring (Fitnessfood), soulbottles (Trinkflaschen) und vly (Pflanzendrink).

Auch bei dm wurden mit dem Gründerwettbewerb dmSTART! in Zusammenarbeit mit Startnext, Deutschlands größter Crowdfunding-Plattform, Produkte gesucht, die bisher im Regal gefehlt haben. Der Bewerbungsprozess lief im Jahr 2018 dreistufig ab und gliederte sich in eine Bewerbungs-, eine Vorbereitungs- und eine Finanzierungsphase. Zu den Gewinnern des Wettbewerbs zählten Proteinshakes von nupro, Smoothies zum Löffeln von OATSOME sowie Bio-Tampons von The Female Company. Ob und wann dmSTART nochmal stattfindet, ist ungewiss.

Nicht nur Start-ups profitieren von der Zusammenarbeit mit den Drogerien, auch die Drogerien selbst können so auf aktuelle Trends eingehen und entsprechend auf die Bedürfnisse der Kundschaft reagieren. Denn Themen wie gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit, die gerne von Start-ups aufgegriffen werden, treffen allemal den aktuellen Zeitgeist.


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Letzte Aktualisierung 20.07.2022

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